Kapitel 47

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Ich schaffe es einfach nicht am Donnerstag zu meinen Kursen zu gehen. Mir fehlt jegliche Energie. Alles, zu dem sich mein Körper bereit zu fühlen scheint, ist im Bett liegen zu bleiben. Vielleicht liegt es daran, dass ich seit fast einem Tag nichts mehr gegessen habe, aber mein Magen hat komplett zu gemacht. Und das hat was zu heißen, wenn ich selbst Marys selbst gebackene Muffins ablehne. Aber ich habe keinen Hunger. Eigentlich habe ich auch kaum Durst oder das Bedürfnis nach sonst etwas, als befände sich mein Körper  in einem Schockzustand. Und mein Geist wahrscheinlich auch, denn zu einem gescheiten Gedanken bin ich ebenfalls nicht fähig.

Ich habe kaum mitbekommen, wie Cass und Mary gestern Abend in mein Zimmer gekommen sind. Ich bin mir ihrer Anwesenheit erst richtig bewusst geworden, als einer der beiden Grays Namen erwähnt hat, der mich wie eine Alarmglocke zurück ins Leben geholt hat. Es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden habe, was die zwei mir erzählen wollten, aber als mir letztendlich klar wurde, dass er hier gewesen ist und mit mir sprechen wollte, weiß ich nicht ob ich den beiden um den Hals fallen oder sie schlagen will, weil sie ihn wieder weggeschickt haben. Doch da ich kaum Luft bekomme, wenn ich auch nur daran denke, wie er diesem anderen Mädchen aus der Jacke geholfen hat, ist es wohl gut so. Ich sollte mich nicht noch mehr quälen. Es ist vorbei und am besten ist es, wenn ich Gray einfach nicht mehr sehe. Damit wir beide in unsere Welten zurückkehren können.

Es fühlt sich bisher nur einfach noch nicht gut an und mein Verhalten lässt meine Mitbewohnerinnen inzwischen ernsthaft besorgt aussehen. Wahrscheinlich sollte man das auch sein, aber ich weiß mir nicht selbst zu helfen. Ich habe mir Vorwürfe gemacht Alexis in ihrem Abgrund allein gelassen zu haben. Jetzt bin ich selbst tiefer gefallen als jemals zuvor und trotzdem nicht bei ihr.

Ich rolle mich ein Stück mehr zusammen und drücke das Kissen an mich, dass ich in den Armen halte.
Mein Zimmer ist abgedunkelt und ein Gefühl für Zeit habe ich schon lange verloren. Für mich könnte es gerade genauso gut Nacht wie Tag sein, aber Cass, die lautstark in der Küche herumhandtiert verrät mir, dass es Mittagszeit sein muss. Ich glaube sie ist wegen mir heute zu Hause geblieben, anstatt in ihre Kurse zu gehen. Genauso wie Mary riskiert hat zu spät zu kommen, weil sie so lange nicht von meiner Seite weichen wollte bis ich heute Morgen etwas gegessen habe. Und ich bin ihnen dafür wirklich unendlich dankbar. Aber ich kann es nicht zeigen. Als Mary mir mit einem Lächeln zugeschaut hat, wie ich mich über einer ihrer Muffins hergemacht habe, weil ich, sobald ich den ersten Bissen genommen habe, gemerkt habe, wie sehr mein Körper das braucht, wäre ich ihr gerne um den Hals gefallen. Aber allein so viel Gefühl zu zulassen, um ihr Danke zu sagen, hat mich mit Tränen in den Augen und zugeschnürter Kehle dasitzen lassen, ohne dass ich fähig war auch nur ein Wort zu sagen. Denn sobald ich eine Sache zulasse, kommt alles hoch. Und dafür habe ich nicht die Kraft.

Mary hat nur voller Verständnis tröstend eine Hand auf meine Schulter gelegt und mir bevor sie gegangen ist einen zweiten Muffin vorbeigebracht. Ich weiß nicht, wie viel sie wissen. Das Bild haben sie sicherlich auch gesehen. Das hat jeder an diesem gottverdammten College. Und sie wissen, dass Alexis und ich momentan keinen Kontakt haben, denn ansonsten wäre sie wie üblich die Woche bestimmt schon Mal hier aufgeschlagen. Doch sie haben bisher akzeptiert, dass ich nicht darüber reden will. Oder kann. Die Frage ist nur, wann sie diese Geduld mit mir verlieren. Bis sie genauso wenig Lust mehr auf mich haben wie Alexis und Gray. Ich atme zittrig aus. Weshalb sollte man sich auf Dauer schon mit mir abgeben wollen? Ich bin gut dafür dabei zu helfen, die Noten aufzupolieren, aber zu mehr auch nicht. Und allem Anschein nach bin ich sogar dafür ersetzbar.
Ich bin mir sicher in allen anderen Dingen ist dieses Mädchen auch besser für Gray. Sie wird ihm gerecht. Und ich kann es ihm nicht Mal übel nehmen, denn ich verstehe es. Ich würde mich auch für sie entscheiden.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich tatsächlich dazu in der Lage bin mich so schnell zu bewegen, aber als die Muffins nicht länger in meinem Magen bleiben wollen, schaffe ich es tatsächlich noch rechtzeitig zur Toilette.
Ich bin so erbärmlich.

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