"Es war hauptsächlich Zufall, dass wir beide zusammen hier gelandet sind. Ich wusste nicht, dass Jinyoung sich am gleichen Hafen aufhielt, aber als wir einander dann getroffen und offensichtlich erkannt haben, gab es leider zu viele logische Gründe uns für Komplizen zu halten. Eigentlich wollten sie nur ihn.", erzählte Daehyun sehr ernst und mit nachdrücklicher Betonung, dass er nichts mit der Sache zu tun hatte und Jinyoung rollte neben ihm die Augen, konzentrierte sich wieder auf sein kaum angerührtes Essen.
Wir hatten die beiden zu uns an Bord geholt und saßen gerade mit den restlichen Generälen bei Tisch, meine Sorge um Woosan von der schieren Ironie der Situation beiseite gerückt.
"Was habt ihr respektiv dort gemacht?", fragte ich noch immer perplex nach und Daehyun seufzte wie ein jahrhundertealter Baum mit knorrigen Ästen, die im Wind wehten.
"Also ich war mit Youngjae dort, um eine Götterbrut zu jagen. Jinyoung auf der Flucht vor Xiuhtecuhtli, dessen Schicksal es derzeit ist ihn zu töten. Er bedient sich dem Netz der Marine. Dummerweise hatten gewisse Leute nur gewisse Chaosgötter dabei, die eine gewisse Anziehungskraft auf gewisse Schuhschnäbel auswirken und-" Er brach in einem weiteren dramatischen Seufzen ab.
So war das also. Jaebeom war mal wieder aufgekreuzt und hatte ihre Pläne ruiniert. Was diese beiden ungleichen Gestalten hier zusammen und beinahe in den Tod geführt hatte. Scheinbar waren wir genau im richtigen Moment gekommen.
"Er reist mit Anubis, um mich sofort in die Hölle hinab zu schicken, wenn es so weit ist. Ich gehe davon aus, dass die beiden bereits wissen, dass ich hier bin und demnächst angreifen werden. Ihr könntet unbeabsichtigt in Gefahr gebracht werden.", bemerkte Jinyoung beiläufig und mein Blick wanderte hilfesuchend zu Hongjoong, der tief in Gedanken versunken war und unsicher auf seinem Daumennagel kaute.
"Wie viele Chaosgötter hat diese Gruppe doch gleich?", fragte dann allerdings Seonghwa angespannt in den Raum hinein und Daehyun und ich sahen ihn verwirrt an, seine Haarwurzeln wurden braun.
"Nur die beiden."
"Wer schützt dann derzeit Baldur?"
Das Verstehen fiel wie ein tonnenschweres Gebäude auf uns hinab und meine Augen wurden groß, als ich Hongjoongs nicht minder erschrockenen Blick traf, dann sahen wir gleichzeitig zu Jinyoung, der weiter seelenruhig in seiner Schüssel rührte.
"Es fällt zusammen wie ein Puzzle, nicht? Man denkt, man ist unberührt von den Geschichten anderer Götter aber nein. Das Schicksal spielt uns allen einen grausamen Streich."
Seine tonlose Stimme jagte mir einen Schauder über den Rücken und neben mir rutschte auch Yunho unwohl auf seinem Stuhl umher.
All unsere unausgesprochenen Fragen waren an den nervösen Kapitän gerichtet, unser Schweigen wie dicker Schleim im Raum.
"Ich glaube nicht, dass wir noch etwas für ihn tun können, so sehr ich es auch hasse. Konzentriert euch darauf Wooyoung zu finden, wir werden danach retten, was zu retten ist. Lord Daehyun, wir könnten Hilfe dabei gebrauchen die übrigen Götter von der Ankunft Ragnaröks zu informieren." Mit diesen Worten stand Hongjoong so abrupt von seinem Stuhl auf, dass dieser nach hinten kippte und krachend fiel, das hallende Zufallen der Tür folgte.
Meine Beine juckten ihm hinterher zu gehen, aber als ich suchend zu Seonghwa sah, um zu sehen, warum er es nicht tat, schüttelte er nur kaum merklich den Kopf.
Ich hatte den Appetit verloren.
-
Entgegen meiner guten Vorsätze schlich ich mich nachts heraus, um nach Hongjoong zu sehen. Ich wusste nicht wohin mit mir, wollte so gerne etwas tun und vermisste Wooyoungs perlendes Lachen wie eine Lebensfunktion, ich fand keinerlei Ruhe.
Der Gedanke daran, dass es zum Kampf kommen würde, dass der sanfte Heimdall San erschlagen würde und Jongup neben den Leichen von Thor und Fenris Platz finden würde, jagte mich, hielt mich wach und beschwerte mir im unruhigen Schlaf grauenhafte Albträume. Ich brauchte die tröstenden Worte des Kapitäns.
Das Deck war leer wie immer, schien noch viel einsamer ohne Sans lungernden Schatten und mein Herz krampfte unangenehm, während ich die Stufen zu Hongjoongs Kajüte erklomm. Er hatte zu viel zu tun, um mich noch jeden Abend am Bug zu treffen und über die Sterne zu reden, weswegen ich ihn nur dann persönlich aufsuchte, wenn ich tatsächlich ein wichtiges Anliegen hatte, aber mein Kopf war derzeit konfus genug, um dies als solches zu zählen.
Neben der Tür lehnte Jingoungs bleicher Schatten, kaum abgehoben von der Dunkelheit, aber dennoch genug angestrahlt, dass das Silber seines Schmucks ihn verriet. Ich machte vor ihm Halt, starrte schweigend in sein entspanntes Profil, sein Gesicht dem Mond zugewandt.
"Du sagtest mir damals, dass mich eine große Macht zurückhalten würde. Dass etwas mein Leben ändern würde. Was meintest du damit? Ragnarök? Oder die Göttin, die mich rettete und somit zu all dem hier brachte?"
Ich war leise genug, dass Hongjoong uns hoffentlich nicht hören konnte und Jinyoungs nachdenkliches Brummen ging fast unter in den weich schwappenden Wellen, die uns in einem zauberhaften Schlaflied schaukelten.
"Du hast es selbst gespürt, nicht? Koi no yokan."
Mein Gehirn grub herum, versuchte zu verstehen, wovon er sprach und als es mir behutsam die betroffenen Informationen bot, fiel mein Mund in Unglauben auf und ein leiser Laut entkam mir.
"Vielleicht ist es genau jetzt an der Zeit sich von allen Ketten zu trennen. Jaebeom hat seinen Bruder erschlagen, Loki hat sich frei gerissen. Fenris wird bald durch die Lande ziehen und Tod und Kummer bringen. Auch ich werde bald nicht mehr an mein irdisches Dasein gebunden sein, so verzweifelt ich auch fliehen mag. Es ist eine Zeit des Umbruchs, Mondkind. Eine Zeit sich überflüssiger Fesseln zu entledigen und dem Ruf von Fern zu folgen. Was ist es, das du Singen hörst? Ist es der Mond? Die Toten? Geh darauf zu. Ihr Ruf könnte ein Heil sein, statt ein Fluch."
Als ich seinen Blick traf, hatte er das Haupt geneigt, die Sterne in seinen Augen glänzend und ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen, das nichts mit seinem üblich grausamen Gesichtsausdruck gemein hatte. Er wirkte wehmütig, verlassen auf seine Art.
"Mich ruft das Meer.", wisperte ich zaghaft in die Stille hinein, ängstlich den Bann zu brechen und zu bezaubert, um mich zurück zu ziehen.
"Und wo findest du es?"
Es war um mich. Überall um mich, die Freiheit, die Macht, der Zauber. Es war in diesem Leben, dieser Schiff, dieser Crew. Es umgab mich in jedem Moment seit ich hier war. Es war gefangen in dem nebeligen Saphir in meinem Hals.
Es war in Hongjoongs Augen.
Still sah ich zu Jinyoung auf, in sein weiches Gesicht dunkler Schönheit und ich brauchte es nicht auszusprechen, damit es es wusste.
"Da hast du die Antwort. Ich brauche dir nicht zu sagen, dass Leid auf dem Weg ist, das weißt du bereits. Aber wisse, dass neben der Dunkelheit auch Licht existiert. Wärme. Und Feuer." Sein Blick verschwand in eine weite Ferne, verlor sich ebenso wie sein Sein.
"Die Dunkelheit wird dem Licht immer weichen. Es kann nur einen Sieger geben."
Als ich besorgt die Hand nach ihm ausstreckte, um ihn aus dem plötzlichen Bann wach zu rütteln, verschwand er wie Rauch unter meinen Händen, war nie dort gewesen. Überrascht zuckte ich zurück.
Er war fort.
Tränen stiegen mir heiß und ungewollt in die Augen, als mir die Bedeutung seines nächtlichen Besuches langsam bewusst wurde und ehe ich es schaffte eine Hand über meinen Mund zu pressen, brach bereits ein leises Schluchzen aus mir heraus, meine Fingerspitzen glitten über raues Holz, als ich Halt an der Wand suchte.
Die Tür an meiner Seite flog auf, während ich noch nach Atem rang und es dauerte, es dauerte viel zu lange, bis jemand heraus trat, als dass er sie selbst geöffnet haben könnte.
Ich zitterte und bebte, drohte mein Gleichgewicht zu verlieren, als mich seine warmen Arme fanden, der Geruch von dem Meer und Feuer an einem kalten Tag mich mit ihnen umfing.
Wenn er sprach, so hörte ich seine Stimme nicht, nur das leise Singen des Meeres, das mich einlullte, meine Heimat in diesen - seinen - Armen finden ließ.
Ruhe überkam mich wieder, zum ersten Mal seit Monaten.
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Komorebi
ParanormalKomorebi (n.) Sonnenlicht, das durch Baumkronen gefiltert wird. Nachdem sie dem Tod knapp entkommen ist, findet Tsukiko ihr neues Zuhause bei der Crew der Treasure. Jedoch steht mit einem Mal eine wesentlich größere Gefahr direkt an ihrer Planke: Ra...