Auf meiner Flucht vor einem missmutigen Seonghwa, der kurz davor schien mich an eine richtige Kette zu legen, fand ich mich am folgenden Abend mit Yongguk und Himchan im Salon ein, trank teuren Cognac mit ihnen und fühlte mich zum ersten Mal seit über einem Jahr wieder annähernd wie die elegante Lady, die ich ursprünglich gewesen war.
Ich schätzte die gelassene Atmosphäre, die die beiden Männer abends umgab, fand hier mehr Ruhe nach einem Tag voller Versteckenspiele mit Seonghwa und Aufhol-Momenten mit meinen alten Freunden. Hongjoong war noch nicht wieder erwacht und in ein abgeschiedeneres Zimmer verlegt worden, um seine Ruhe zu finden, Yongguks persönlicher Leibarzt war absolut perplex davon, wie gut der Mann sich gehalten hatte.
So sehr ich auch darauf brannte mich wieder in seinen Augen zu verlieren und dem Auf und Ab seiner Stimme zu lauschen, so gab es einiges, das mich stutzig machte, das Seonghwa mir auch bewusst verschwieg.
Also war ich hier, mit den absoluten Experten und bereit mehr über das ganze heraus zu finden.
"Anhand der derzeitigen Entwicklungen von Sans Seiten schließen wir, dass sich die Götter binnen einer Woche zur Endschlacht versammeln werden. Die Weichen sind bereits alle gestellt. Hongjoong wird sich in dieser Zeit nicht vollständig erholt haben, also werdet ihr mit uns hier bleiben und das Geschehen aus der Ferne beobachten.", lautete die derzeitige Diagnose, Himchan war derjenige der hauptsächlich sprach, Yongguk ließ nur träge sein Glas in seiner Hand kreisen. Die Bewegung seines schmalen Handgelenks war ebenso hypnotisierend wie die bernsteinfarbene Flüssigkeit im kristallinen Becher, machte den Hauptbestandteil der Stimmung aus.
"Wir sprachen schon einmal über Hongjoongs Gott, nicht? Ryujin.", lenkte ich das Gespräch schnell in dringendere Richtungen und Yongguk brummte tief, bedachte mich mit einem langen Blick, der mich unauffällig schalt nicht mehr über meine eigene Kultur zu wissen.
"Ich glaube, wir übersehen etwas. Auch wenn ich nicht weiß, wie er es geschafft hat so viel Macht auf einmal auszuüben, so sollte er dennoch schwer verletzt oder vergiftet sein. Die Sirene, mit der ich ihn fand, verhielt sich ebenfalls ungewöhnlich. Nicht feindselig."
Himchan blätterte nachdenklich in ein paar Büchern zwischen uns, versuchte mehr über die Wirkungsweisen von Jörmungandrs Gift auf nicht-germanischen Götterfängern herauszufinden.
"Was diese Sirene angeht.", murmelte jedoch Yongguk mit einem Mal dunkel und meine Aufmerksamkeit landete auf ihm, auf seinen schweren Augen im Schein des orangenen Lichtes.
"Ich habe bereits mit Jaebeom darüber gesprochen, nachdem du mich das erste Mal darauf angesprochen hast. Er hat keine Sirene gerochen. Auch an Hongjoong nicht. Was auch immer das da unten war, es war ebenso wenig eine Sirene, wie es einen klar definierten Geruch hatte."
Eine Göttin womöglich? Irgendeine göttliche Prinzessin des tiefen Meeres, die unwiederruflich in Hongjoong verliebt war und alles für ihn geben würde? Wenn nicht das- ein Geist?
Ich rief sie mir erneut ins Gedächtnis, ihre eng verschlossenen Lippen, aus denen kein Laut trat, der mich verführen könnte. Ihr schwarze und rote Flosse, das fließende schwarze Haar und die dunklen Augen.
Bei genauerem Nachdenken fiel mir auf, dass ich keinerlei Kiemen an ihrem Hals gesehen hatte. Die Sirenen, die ich kannte, waren stets auf das Meer angewiesen und konnten dieses auch nicht verlassen, aber ich kannte auch die Geschichten von Gestaltwandlern, die zu Menschen wurden, wenn sie das Land betraten.
Sie war weder noch.
"Sie hatte keine Kiemen. Sie muss eine Art Mischwesen gewesen sein. Eine Gestalten ändernde Göttin womöglich?", unterbreitete ich den Vorschlag nachdenklich Yongguk und der begann etwas den Kopf hin und her zu wiegen, Himchan blätterte weiter angeregt im Buch.
"Wenn wir schon bei Gestaltwandlern sind... Mir würde da auch jemand anderes einfallen. Jemand, dessen Farbenspektrum sehr gut in rot und schwarz hinein passt, wenn ich das so erwähnen dürfte.", unterbrach er sich dann plötzlich allerdings selbst und Yongguks Hand stoppte in ihren Bewegungen, eine Seite glitt kratzend aus Himchans Fingern.
Es klang plausibel. Zu plausibel.
"Aber San könnte ihn nicht retten. San beherrscht weder Gifte, noch hat er eine Begabung zur Wundheilung. Die nebenbei stark genug ist, um alte Narben zu heilen."
"Aber San könnte einen bereits geheilten Hongjoong durchaus aus dem Wasser ziehen. Aus Loyalität, Schuldgefühlen, was auch immer.", fügte Yongguk das Bild langsam zusammen und nichts sehend, starrte ich geradeaus, fand ihre Augen denen Sans so ähnlich, je länger ich darüber nachdachte.
Er hatte Hongjoong gerettet. Er wusste, dass wir nach ihm suchen würden. Also hatte er auch gewusst, dass er leben würde. Die Crew enthielt mir eindeutig etwas vor. Ihre Ruhe, die Entscheidung nicht zu suchen, Seonghwas unerklärliche Wut, als ich es dennoch getan hatte. Es hing alles zusammen.
"Denkt ihr, er ist dennoch vergiftet und wir übersehen es nur?"
Himchan schlug sein Buch zu und lächelte mir aufmunternd zu, hob das bislang vergessene Glas zum Gruß.
"Was auch immer sein derzeitiger Zustand ist, er wird bald erwachen und uns darüber erzählen können, also wird es ihn nicht töten. Lasst uns also nicht daran festhalten, sondern unsere ruhige Zeit genießen."
Zustimmend stieß ich mit ihm an, fand danach auch Yongguks Glas, das klirrend an das meine klickte. Der Älteste unter uns sah so aus, als wollte er noch etwas anhängen, aber er schwieg geheimnisvoll, lächelte nur leise in sich hinein.
-
"Wir werden einen Ball organisieren! Mit Kleidern und bunten Laternen und sooooooo viel Essen und Tänzen und einem eigenen Orchester und-"
"Oh Herr, alles dreht sich. Junhong ich fühle mich nicht so gut, sei so gut und fang mich auf." Dramatisch kippte ich in die wartenden Arme des schlaksigen Jungen, hörte ihn über mir leise Kichern.
Jackson gab einen empörten Laut von sich, ging in den vollen Quengelmodus und schnappte sich dazu auch meinen Arm, um sich schmollend daran zu klammern.
"Bitte, Tsukiko! Als Abschiedsfeier für alle! Einmal ohne alle Sorgen! Das Kleider tragen kann dir noch nicht so sehr zur Abneigung geworden sein!"
Ich spielte weiter tot, hing schlaff in den Armen des anderen Jungen, während Jackson immer lauter und jammernder wurde.
Apep machte den Fehler uns zu passieren und schloss sich aufgeheitert von dem Tumult sofort unserer Gruppe an.
"Na, was macht die Party? Sagt jetzt nicht, ihr weist unseren liebsten Zwerg ab!" Er jaulte auf, kaum hatte er zu Ende gesprochen. Jackson war weiterhin sehr empfindlich, was seine Gottheit anging. Ich stellte mir sie beide mit Jaebeom als die einzigen Götterfänger übrig in Ägypten sehr amüsant vor. Amüsant, aber auch durchaus beunruhigend.
"Wenn ihr nicht zusagt, nehmt ihr seiner ganzen halbwüchsigen Gottheit die Bedeutung, so grausam wäret nicht einmal ihr, oder?" Ein weiterer Kick in Apeps RIchtung und ich richtete mich langsam auf, sah zwischen einem mordlustigen Jackson und dem süffisant grinsenden Mann hin und her.
"Was denkst du?", flüsterte ich im Verborgenen Junhong zu, während die beiden stritten und der neigte sich etwas herab, um in mein Ohr zu flüstern, seine Gedanken schelmisch zu teilen.
"Ich denke, dass ich Youngjae und Jaebeom wirklich gerne auf einem formellen Ball sehen würde. Das und deinen liebsten Stock im Hintern-Piraten im feinen Anzug." Das stimmte wohl. Für unsere Belustigung war sicherlich gesorgt und es bot sich an den generell gerne mal feiernden und trinkenden Germanen ein anständiges Abschiedsbankett zu geben. Es war nur fair im Angesicht ihres Kampfes.
Ich nickte also Junhong verschwörerisch knapp zu und sprang dann wieder ins vorherige Gespräch ein, um Jacksons Seite zu ergreifen, ihn gegen den verhassten Schlangengott zu verteidigen.
Blieb nur die Frage, was ich für eine solche Feier tragen sollte und ob ich es schaffte mich rechtzeitig wieder an alle angemessene Etikette zu erinnern.
Apep mit seinem glänzenden Schmuck, samtenem Rock und teurem Gehstock wirkte mir allerdings wie genau der richtige Ansprechpartner in solchen Dingen, also ran an die Arbeit.
Zeit für mich ein letztes Mal zu entspannen, bevor ich mich verabschieden musste.
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Komorebi
Siêu nhiênKomorebi (n.) Sonnenlicht, das durch Baumkronen gefiltert wird. Nachdem sie dem Tod knapp entkommen ist, findet Tsukiko ihr neues Zuhause bei der Crew der Treasure. Jedoch steht mit einem Mal eine wesentlich größere Gefahr direkt an ihrer Planke: Ra...