19. Eh

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Ich erwachte von einem lauten und krachenden Geräusch, hatte sofort alarmiert den Kopf gehoben und sah mich orientierungslos im Zimmer um. Die Sonne filterte sachte durch die dünnen Wolken und offene Fenster, ließ den Staub in der Luft tanzen. Der Raum war etwas kühl von der Nacht und ich fröstelte, bevor ich mi-

"TSUKIKO, WENN DU DIESE TÜR NICHT IN FÜNF SEKUNDEN OFFEN HAST, ERWARTE EINE SCHLIMMERE STRAFE ALS JONGHOS SCHNIPSEN!!!"

Seonghwa hätte mir direkt ins Ohr brüllen können und es wäre nicht deutlicher gewesen und mein Körper trat sofort panisch in Aktion, brachte mich hoch und auf die Füße. Ich war bereits im Begriff konfus zur Tür zu rennen und zu nachzusehen, was denn so dramatisch war, dass er so früh am Morgen ein derartes Theater veranstalten musste, als ich gestoppt wurde.

Mit großen Augen wandte ich meinen Kopf zu einem verschlafenen Hongjoong mit willkürlich auf den Kissen ausgebreiteten Haaren und noch weiter verrutschtem Hemd. Er blinzelte träge, während er mein Handgelenk hielt, grinste trunken zu mir auf, als ich fragend brummte. Ich brauchte alle Willensstärke, um mich nicht in der Schönheit des Morgens, die vor mir ausgestreckt lag zu verlieren.

"Bleib. Ich will wissen, was schlimmer als Jonghos Schnipsen ist.", murmelte er mir noch kratzig vom Schlaf zu und augenverdrehend löste ich mich aus seinem lockeren Griff, ging mit nun aus anderen Gründen rasendem Herzen zur Tür. Seonghwa diskutierte auf der anderen Seite laut mit jemanden und ich hörte Wörter wie 'eintreten' und 'verschwunden'. Sehr verwundert drehte ich den Schlüssel im Schloss und zog skeptisch die Tür auf, traf beide Paare neugierige Augen auf mir.

"Ich bin hier, was ist los?", fragte ich konfus und sah an Seonghwa in voller Uniform und einem mehr als müde aussehenden Daehyun hin und her. Ich bezweifelte, dass er schon Frühstück hatte.

Ich stolperte erschrocken, als Seonghwa mich prompt am Kragen packte und prompt gegen die Tür stieß, die mit meinem Gewicht laut an die Wand prallte. Kaum hatte ich den ersten Schock überwunden, hatte ich seine Hände bereits von mir gerissen, stieß ihn grob aus meinem Platz.

"Sprich mit mir!"

"Du hast keine Ahnung, wie besorgt ich war! Keine Spur von dir oder dem Cap, deine Tür verschlossen, aber das Fenster so weit offen, was sollte ich denn denken?!" Er zeigte anklagend auf das betroffene Fenster, drehte dabei den Kopf weit genug, um endlich auch Hongjoong auf meinem Bett zu bemerken. Der Rothaarige hatte sich posiert wie Kleopatra selbst, ein Bein angewinkelt und winkte Seonghwa verschlagen grinsend mit seinen Fingern, als sich ihre Blicke kreuzten.

"Hi, Seonghwa."

Seonghwas erster Reflex wäre es eigentlich gewesen seinen Kapitän hier und jetzt mit einem Kissen zu ersticken, aber als es bei ihm ankam, wie verschlafen wir beide noch aussahen, machte er Halt. Seine Augen glitten langsam über überall am Boden verstreute Klamotten, über meine lockere und schnell überstreifbare Mode und er zog genau den falschen Schluss.

"Ihr beiden... Ihr-" Er fand keine Worte und nun lugte auch Daehyun vorsichtig ins Zimmer, bekam tellergroße Augen bei der Szene. Wir ignorierten es, wie er aufgeregt auf Zehenspitzen zum Tratschen davon schlich.

Ich grinste nur mit nach hinten statt nach oben gezogenen Mundwinkeln, als Seonghwa sich mit offenem Mund wieder zu mir wandte, das Haar schon jetzt ein gestresstes Chaos in seiner Stirn.

"Ihr-"

"Bye." Ich machte auf der Ferse kehrt und rannte, entwischte knapp seiner hervorschellenden Hand, um durch die offene Tür in Sicherheit zu schlüpfen. Unter Umständen kicherte ich etwas dämlich-teuflisch im Rennen, aber die hohen Gänge waren leer, niemanden würde es interessieren.

Ich passierte diverse Angestellte auf meinem Weg in Junhongs und Jongups Zimmer, konnte mir immerhin sicher sein, dass Seonghwa zu sehr damit beschäftigt war Hongjoong zu belehren mit welchen Frauen er sein Bett teilen konnte und mit welchen das allerdings nicht in Ordnung war, um mich zu verfolgen.

Die beiden waren zum Glück schon wach, als ich barfuß ins Zimmer geschlichen kam und sehr unauffällig die Tür hinter mir zudrückte, ihnen deutete leise zu sein.

Junhong starrte wie eine Eule, Jongup sah durch mich hindurch.

"Ich dachte, du bist fertig damit vor ihm weg zu rennen.", flüsterte der Jüngere mir verschwörerisch zu, während ich noch lauschte, weiterhin nichts hörte.  Ich atmete hörbar auf, entspannte mich wieder.

"Dieses Mal habe ich ihm unter Umständen einen berechtigten Grund gegeben. Er macht gerne den Himchan und jagt einen zur Hölle und zurück." Ich grinste verzerrt, erhielt vom stets verständnisvollen Jongup ein mitfühlendes Nicken von Weisheit. Auf ihn konnte man immer zählen.

"Ich glaube allerdings, er plante heute wieder aufzubrechen. Soll ich...?" Junhong blinzelte mehrfach und gemeinsam sahen wir zu Jongup, der nur planlos die Schultern hob.

"Ich bin nicht derjenige, der gekuschelt und umhätschelt werden muss. Du solltest eher darüber nachdenken Youngjae zu trösten." Jongup schnitt eine Grimasse, brachte uns damit beide zum lachen.

In einem Moment noch stand ich befreit und glücklich mit den beiden Jungs im Zimmer, im nächsten schon traf mich ein kalter Windstoß im Rücken und meine Augen wurden weit, als ich gefror, einen viel zu kalten Schauder über mein Rückgrat rieseln spürte.

Ein dunkler Schatten lauerte drohend über mir und dann packte mich bereits ein Arm um die Hüfte, hob mich hoch und alles drehte sich, dann landete ich über einer Schulter, sah mit baumelnden Armen und Beinen zu den beiden anderen auf.

"Musst du gerettet werden?" Jongup war sehr bereit Seonghwa zu Boden zu wresteln, wenn er musste.

Ich schüttelte seufzend den Kopf, winkte ihnen, als Seonghwa sich hölzern in Bewegung setzte.

"Nein, kein Problem, er bellt nur, er beißt nicht. Richtet den anderen meine Grüße aus. Ich komme bald wieder und lasse dann vielleicht meine Anstandsdame lieber zurück." Ich rollte die Augen, kickte dann harmlos aus, als Seonghwa meinen Oberschenkel zwickte und winkte den anderen beiden, bis sie außer Sicht waren, ich die Treppen hinab und raus zu den Kutschen getragen worden war.

Dieses Mal stand nur eine da und ich ging davon aus, dass wir Thor zurück lassen würden, um mit den anderen zu reisen. Ich war Seonghwa dankbar, dass er mich vor tränenreichen Abschieden bewahrt hatte, wenn ich es in diesem Moment auch als schwer empfand.

Wie es aussah, hatten wir es ebenfalls eilig, denn kaum war ich in der Kutsche und unzeremoniös an Hongjoongs Seite geworfen worden, fuhren wir bereits ab, ließen unsere Freunde hinter uns.

Ich war im Nachhinein wirklich dankbar um den Ball. Er hatte mir die Zeit gelassen mich von all denen zu verabschieden, die ich vermissen würde, ohne es absolut chaotisch werden zu lassen.

"Ihr beide seid mir noch eine Erklärung schuldig. Eine bessere als 'die Hausfeen haben uns eingesperrt und nur du warst furchteinflößend genug, dass sie uns lieber wieder frei gelassen haben'." Seonghwa sah streng von mir zu Hongjoong, die dunklen Brauen wütend, während Wooyoung nur unwissend blinzelte.

Hongjoong fing meinen Blick, um bloß suggestiv die Augenbrauen zu heben und ich zweifelte langsam daran ob es eine gute Idee gewesen war, ihn das klären zu lassen, aber vorerst würde das wohl warten.

"Wo wollen wir so schnell hin?"

"San hatte noch einige interessante Dinge zu unseren beiden hier zu sagen und wir sind auf dem Weg der Sache auf den Grund zu gehen. Wenn wir uns beeilen, könnten wir einen Weg finden das Chaos zu nutzen und zum Schatz der Roten Königin zu gelangen." Seonghwa griff in seine Tasche und zog eine große Seekarte und einen Kompass hervor, ließ sich von Wooyoung helfen, während mein Blick neugierig zu Hongjoong wanderte.

Die Rote Königin war seine Mutter, die legendäre Piratin, in deren Fußstapfen er getreten war. Wer ihren Schatz besaß, regierte über die Meere.

Und das war es, weswegen Hongjoong segelte. Sein Ziel.

Piratenkönig werden.

Er begegnete meinem Blick voller kühnem Mut und Stärke und ich musste trotz allem grinsen.

San war nie zu unserem Feind geworden.

KomorebiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt