30| Familie

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"Ich will dir jemanden vorstellen." Sagte er und öffnete das eiserne Gartentor eines kleinen Hauses am Stadtrand.
Bäume hatten die Sicht von der Straße so vollgewuchert, dass man das Haus kaum sehen konnte.
Wir betraten das Grundstück und kamen durch einen kleinen dunklen Wald, der nach nur drei Metern in eine große offene, blühende Wiese mündete. Hohes Gras, bunte Blumen, die ich noch nie gesehen hatte wuchsen hier, verborgen.
"Wow." Flüsterte ich und Mücke zog mich an meiner Hand weiter. Wir folgten einem kleinen Weg zum Haus. Ein kleines, gemütliches Haus. "Hier bin ich aufgewachsen." Sagte er als wir die Tür erreichten und er den Klingelknopf betätigte. "Was?" Fragte ich schockiert. Dieses kleine Paradies wirkte so häuslich, so ordentlich. Doch ich musste mir vorstellen wie ein kleiner Junge durch das hohe Gras rannte, lachend auf den Boden fiel, sich aufrappelte und weiterpeste.
"Einen Moment." Rief eine ältere Stimme. Ich runzelte die Stirn. Bevor ich ihn noch etwas fragen konnte, öffnete eine ältere Dame in Blumenkleid die Tür. Ihr graues Haar hatte sie zu einem leichten Knoten festgesteckt. Ihre Augen, ebenso grün wie Mückes, lächelten mütterlich. "Yannick, Schätzchen." Rief sie und zog ihn an seine Brust. Vorsichtig erwiderte er die Umarmung. "Oma? Das ist meine Freundin, Larissa." Stellte er mich vor und sah mich breit grinsend an. "Larissa?" Sie blickte mich an, so warm und freundlich, dass ich beinahe dahin schmolz. "Kommt rein. Ich habe Kuchen gebacken." Erklärte sie, legte ihre Hand auf meine und zog mich in einen kleinen Eingangsbereich. Sie beförderte mich, ohne auf Mücke zu achten auf einen Stuhl in einem kleinen Esszimmer und setzte sich lächelnd neben mich.
Sofort reichte sie mir einen Teller, eine Tasse und häufte mir ein Stück Kuchen auf den Teller und goss mir Pfefferminztee in meine Tasse. Mit gerunzelter Stirn blickte ich Mücke an, der grinsend im Türrahmen lehnte und uns belustigt musterte. "Steh da nicht so rum. Mach dich nützlich." Sagte die ältere Dame vor mir und tätschelte meine Hand. "Das Waschbecken im Bad tropft unaufhörlich." Sagte sie zu Mücke, der schnaufend nickte, sich abwandte und verschwand.
"Das sollte uns ein paar Minuten verschaffen." Sagte sie als er weg war. Unbehaglich wartete ich auf ihre nächsten Worte. "Er hat mir nicht gesagt, wie schön du bist." Flüsterte sie mir zu und reichte mir eine Gabel. Erwartungsvoll sah sie mich an. Ich nahm einen Bissen. Noch nie hatte ich einen so guten Kuchen gegessen. "Er hat sich verändert." Begann sie und blickte zu der Tür durch die er verschwunden war. "Und er hat nicht mehr diese schreckliche Frisur." Sie lachte auf. Wieder legte sie ihre Hände auf meine. "Ich danke dir dafür. Weißt du, Yannick war immer schon eine dieser alten Seelen und als seine Eltern gestorben sind..." Sie schwelgte in Erinnerungen. "Er wirkte immer so verloren." Erklärte sie weiter. "Aber seit einer Weile..." Sie tätschelte liebevoll meine Wange. "Er tut immer so unnahbar. Aber stellst du ihm ein Stück Käsekuchen und einen Kakao vor die Nase ist er noch immer zwölf." Man konnte den Stolz aus ihren Worten hören. Sie liebte ihn und ich liebte sie dafür.
"Er hat mir von dir erzählt. Wie stark du bist. Und ich bin froh das er dich gefunden hat. Ich weiß mit ihm ist es nicht leicht." Erklärte sie weiter. "Lass ihm ja nicht jede Dummheit durchgehen." Ermahnte sie mich im gleichen Atemzug. Ihre Worte waren so endgültig und eindringlich. Das Gefühl von Endgültigkeit schoss durch mich hindurch und obwohl ich mir nicht erlaubte zu weit vorrauszudenken, tat ich es durch ihre Worte.
Meine Familie hatte immer nur aus meiner Mutter und mir bestanden, seit mein Vater abgehauen war als ich zwölf gewesen war. Sie verprellt zu haben hatte mich meine Familie gekostet. Doch ich fühlte mich befreit. Denn meine Mutter hatte mich in ein Leben gepresst in das ich nicht gehörte und meine Versuche auszubrechen hatte sie mit meiner Liebe zu ihr einfach im Keim erstickt.
"Da tropft jetzt nichts mehr, Oma." Sagte Mücke gerade und kam herein. Er ließ sich neben mir nieder und strich beiläufig über meinen Rücken. "Bist du sicher? Ich rufe dich nächste Woche wieder an, das weißt du." Sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Dann werde ich wiederkommen, wen es soweit ist." Sagte er und klang generct, doch auf seinem Gesicht lag ein warmer Ausdruck.
Sie stellte ihm einen Teller hin und haute ein riesiges Stück von dem Käsekuchen darauf.
Mücke griff nach seiner Kuchengabel und blickte seine Oma an. "Isst du gar nichts?" Fragte er sie skeptisch. Sie schüttelte den Kopf. "Du weißt doch ich hab keinen so großen Hunger." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. Doch er versteifte sich. Ich spürte das es hier um etwas ging wo ich nicht ganz im Bilde war.
"Du isst ein kleines Stück, ich esse ein Stück. Deal?"
Schlug er vor und strich zärtlich über mein Knie, doch seine Anspannung ließ nicht nach.
Seine Sorge war herzzerreißend. Er erhob sich und öffnete einen Schrank. Mit einem Teller ließ er sich wieder neben mir auf die Bank fallen und schnitt ein kleines Stück vom Kuchen ab, dann stellte er es ihr hin.
"In einer Familie passt man aufeinander auf, das hat mir eine sehr kluge Frau immer gesagt." Erklärte er und legte seine Hand auf ihre. "Du bist meine Familie." Sagte er ernst und ich spürte die Tränen hinter meinen Augen. Ich fühlte mich wie ein Eindringling in diesem intimen Moment.
Ich schluckte den Kloß herunter. Dann drückte er mein Knie und sa mich an. "In einer Familie passt man aufeinander auf. Egal was kommt."

Die Prinzessin und der PunkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt