19| ... gegen den Rest der Welt.

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Klara war ebenso erschrocken wie ich. Mein Gesicht in Überlebensgroß zierten den größten der Räume, die wir bisher betreten hatten. Ich sah, wie mir ein älteres Ehepaar freundlich zulächelte. Aus Höflichkeit erwiderte ich es, doch mein Kopf war leer. 
Ich sah ein Bild, mein Kinn auf meinen Arm gelegt, welcher auf einer Holzbank ruhte, meine Augen geschlossen, die Sonne genießend. Es war eine Nahaufnahme. Meine Haare waren wild auf die linke Seite geschlagen, ich sah friedlich aus. Mein Gesicht war ruhig. Ich erinnerte mich daran, auch wenn der Hintergrund unscharf und kaum zu erkennen war. Noch nie hatte ich mich so gesehen. Ich war schön auf eine natürliche Art und Weise. Schön auf eine Weise, die ich nie an mir gesehen hatte.
"Lari?" Fragte ich Klara, doch ich ignorierte sie und blickte das nächste Bild an. Mit geschlossenen Augen lag ich völlig entspannt da. In eine graue Decke gewickelt, meine Haare über das graue Kissen ausgebreitet. Panik kroch in mir hoch. Tränen kämpften sich aus meinen Augen. 
Schnell blickte ich zum nächsten. Ich mit Pferdeschwanz, ungeschminkt, lachend. Ich blickte nicht in die Kamera, doch hatte ich das ganze Bild ausgenommen. 
Daneben ein weiteres, wie ich in die Kamera sah, mit offener Mähne, geröteten Wangen, leuchtenden Augen, kurz bevor ich ihn bat, die Kamera herunterzunehmen. 
Die Tränen liefen mir über die Wangen. Ich sah die Schönheit der Bilder, doch ich fühlte mich in diesem Raum plötzlich so nackt. Diese Bilder waren so unglaublich intim, das es wehtat. Ich starrte das nächste Bild an, hoffte, dass ich nicht mich darin sehen würde, doch wurde enttäuscht. 
Ich stand in einer Menge, auf dem Straßenfest, mir war die Anstrengung anzusehen, doch trotzdem leuchtete ich förmlich in der Hektik des Moments. Ich war als einzige Person scharf zu erkennen, Reflexe spiegelten sich. Es war als würde ich golden Beleuchtet werden. 
"Scheiße." Rutschte es mir raus. Das Wort löste den Kloß in meinem Hals, ließ ihn schmerzhaft nach Luft schnappen. 
Doch auch auf dem nächsten Bild sah man mein Gesicht. Mit pitschnassen Haaren, wie sie in mein Gesicht fielen, meine geröteten Wangen umrahmten. Ein warmer Ausdruck in die ferne gerichtet. 
Schnell wandte ich den Blick ab, suchte panisch Klaras Blick, doch die war auch von den Bildern gefesselt, wie alle anderen. Keiner schien meinen Zusammenbruch mitzubekommen. Bis auf dieses eine paar Augen, das Aufmerksam in meine Richtung blickte. Jetzt konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Er hatte mich bloßgestellt. Vor der ganzen Welt, oder vor einem Teil davon. 
Langsam kam er auf mich zu, sein Gesicht war unsicher, er schien meine Demütigung nicht zu verstehen. "Lari?" Sprach mich Klara wieder an. "Was ist das?" Wollte sie wissen. Ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Die sind..." Begann sie leise. Keines ihrer Wörter schien passend, also verstummte sie wieder. 
Noch immer war mein Blick auf Mücke gerichtet, der völlig ungewohnt in einem weißen Hemd und einer schwarzen Anzughose steckte, damit verdeckte er die kleinen Tattoos, die seinen Oberkörper hier und da verzierten. Seine Füße steckten in teuren Lederschuhen und seine Haare hatte er rasiert. So wie er vor mir stand, war nichts von dem Mücke übrig den ich kannte. Dieser Mann war ein Fremder. Ein Fremder mit Augen, die mich seit Wochen in meinen Träumen verfolgten.
Er blieb so nah vor mir stehen, dass ich mich einfach an seine Brust hätte legen können. "Und?" Fragte er leise, bebend. "Was hältst du davon?" Fragte er sichtlich mitgenommen. Woher wusste er, dass ich hier sein würde? Hätte er mir je davon erzählt, wenn ich nicht gekommen wäre? 
Ich war mir sicher, dass es seine Fotos waren. Es gab zu viele Zufälle. Außerdem war ich dabei gewesen. 
"Du hast Schuhe an." Sagte ich das erste was mir einfiel. Er sah gut aus und sein Geruch gab mir dieses Gefühl der Ruhe. Leise lachte er und dieser Laut ging mir durch und durch. Doch die Tränen wollten nicht versiegen. "Ja. Ich dachte es wäre angebracht." Erklärte er sein Handeln. "Und deine Frisur?" Wollte ich wissen und konnte nicht verhindern, dass ich vorwurfsvoll klang. Ich hatte seine Frisur, den schmalen streifen Haare gemocht. Er gehörte zu ihm. "Diese Phase ist vorbei." Sagte er und klang, als wollte er damit etwas sagen, dass ich nicht verstand. "Was soll das heißen?" Fragte ich etwas lauter und trat einen Schritt zurück als er seine Hand hob. "Nur das..." Ich spürte wie Alexis neben mich trat. Er legte mir eine Hand auf den Rücken. Ich war froh über seine Anwesenheit. So schaffte ich es mich vor ihm zusammenzureißen. 
"Tolle Ausstellung." Brachte Alexis steif heraus. Ich wusste nicht, ob er ihn erkannte. "Danke." Gab Mücke aus ohne ihn anzusehen. Sein Blick war auf mich fixiert. Doch in meinem Blick musste Schmerz und Verrat liegen. Denn ich fühlte mich verraten und gedemütigt. Mücke hatte es geschafft, dass ich mich völlig gehen ließ. Nie hatte ich mich einfach so treiben lassen und er hatte es aufgezeichnet und ausgestellt. Meine Schwäche. 
"Mir hat jemand die Augen geöffnet. Es ist nicht immer alles Schwarz und weiß. Alles hat zwei Seiten. Mir war nur nicht klar, dass manche Menschen so hart kämpfen, damit das ein Geheimnis bleibt. So hart, dass sie es selbst nicht sehen." Versuchte er es und sah mi dabei direkt in die Augen. "Schönheit ist natürlich. Sie kann niemals erzwungen werden." Erklärte er weiter. Doch ich hob die Hand, um ihn am reden zu hindern. Ich wollte es nicht hören. "Du hast meine schwächsten Momente ausgenutzt. Das hier bin nicht ich. Das ist jeder Moment in der ich mein Herz auf der Zunge hatte, jeder Moment in dem ich mich habe fallen lassen und du hast es der ganzen Welt gezeigt. Freunde tun so etwas nicht." Sagte ich mit verschleiertem Blick, bevor ich mich abwandte und auf dem schnellsten Weg das Gebäude verließ.  
Doch mit den Schuhen konnte ich nicht laufen und als ich stolperte, mein Gleichgewicht nicht finden konnte und mit den Knien und Händen voran auf den kalten Beton stürzte, blieb ich einfach dort. 
Stellte sich heraus, das ich das verlorene, verängstigte Mädchen war. Ganz alleine am Fuße einer Treppe. Ich gegen den Rest der Welt. 

Die Prinzessin und der PunkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt