Mücke folgte mir die Treppe hinauf und wartete geduldig bis ich die Tür geöffnet hatte. Doch etwas war anders. Noch bevor ich klopfen konnte stand Klara vor mir. "Gott sei Dank." Rief sie und zog mich in eine feste Umarmung. "Ich dachte dir sei sonst was passiert." Fügte sie hinzu und hielt mich auf eine Armlänge entfernt fest.
Erst jetzt bemerkte sie Mücke und begann zu grinsen. "Dann war das wohl doch zu etwas gut." Sagte sie und reichte Mücke ihre Hand. "Hey. Ich bin Klara oder manchmal auch die snobistische Zicke die gerne in Straßencafes eines Szene macht." Stellte sie sich vor und lächelte entschuldigend. "Deine Mutter war so wütend. Sie hat heute Morgen ein paar Möbelpacker hergeschickt, die deine Sachen abgeholt haben. Ich konnte ein paar Dinge retten, aber..." Begann Klara aufgeregt. "Was?" Sagte ich empört und ging an ihr vorbei, schnurstracks auf mein Zimmer zu. Sie hatte recht. Alle meine Möbel waren weg. Nur eine Stehlampe und ein Stuhl standen noch in dem kleinen Zimmer. Meine Kleider waren auf einem Haufen in einer Ecke getürmt. Die Sachen von meinem Schreibtisch lagen in einer anderen Ecke. "Diese Frau ist eine Verrückte." Brachte ich raus. "Sieht so aus als würde ich eine Weile auf der Couch schlafen." Murrte ich genervt und begann meinen Papierkram zu sortieren. Doch ich gab es beinahe sofort wieder auf. Das machte keinen Sinn.
"Du könntest ein paar Tage bei mir pennen." Ich blickte Mücke überrascht an. Auch Klara sah ihn an. "Von Null auf Hundert in unter 24 Stunden?" Fragte ich und er lachte. "Wir kennen uns seit fast fünf Wochen, da kannst du schon mal ein paar Tage bei deinem Freund verbringen. Ich schlafe auch auf der Couch, wenn du dich um deine Tugend sorgst." Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Klara kicherte. "Der gefällt mir. Besser als Alexis der Anwalt." Sie zuckte mit den Schultern, als ich ihr einen fragenden Blick zuwarf. Mücke lachte.
"Pack ein paar Sachen, meine Bude ist groß genug und sobald du genug Geld hast für ein Bett kannst du sofort wieder herkommen. Ich schwöre." Er hob zwei Finger in die Luft. "Indianer-Ehrenwort." Sagte er hochtrabend. Spinner!
"Also ich werde von Dario abgeholt. Jetzt wo du hier bist, brauche ich auch nicht den Geheimdienst alarmieren, also klärt das unter euch. Wir sehen uns später." Trällerte Klara noch und brachte mich zum Lachen. Sie zwinkerte mir zu und rauschte aus dem Raum.
"Das ist also dein Zimmer." Sagte Mücke nach einer Weile. "Etwas minimalistisch." Scherzte er und ich lachte auf. "Du bist echt ein Idiot." Sagte ich und warf einen meiner Röcke nach ihm, den ich aus dem Haufen gezogen hatte. Mit einer erhobenen Augenbraue blickte er mich verwegen an.
"Meintest du das eben ernst?" Fragte ich unsicher und unterbrach die ausgelassene Stimmung. Sofort war er ernst. "Ja. Die letzten Wochen habe ich mir gewünscht dich jeden Tag zu sehen." Gab er zu und zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ein ehrliches. "Was wenn du dir in den nächsten Wochen das Gegenteil wünscht?" Wollte ich wissen, denn noch immer stand unsere Beziehung auf wackligen Beinen. "Das werden wir nicht herausfinden, außer durch eine Schocktherapie."
Er kam auf mich zu, legte seine Arme, wie selbstverständlich um mich und zog mich näher. "Außerdem ist es nicht so anstrengend dich zu finden, wenn ich weiß wo du steckst." Verblüfft riss ich die Augen auf. "Was?" Brachte ich raus. Hatte er mich gesucht? Ich war davon ausgegangen er hatte mich immer irgendwie getroffen. "Denkst du wirklich ich war immer einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort?" Er schnaubte lachend. "Das war harte Arbeit." Erklärte er und das glaubte ich ihm sofort. "Du hättest mich anrufen können." Erinnerte ich ihn, denn bei unserem ersten Treffen hatte ich ihm meine Karte gegeben. "Ich habe die Karte verloren. Ich habe meine ganze Bude auf den Kopf gestellt. Aber dann habe ich dich wiedergesehen..." Er sah mich ernst an. "Du sahst so traurig aus. Und selbst dieser Lackaffe konnte dich nicht zum lachen bringen." Führte er weiter aus. "Ich war so eifersüchtig auf ihn." Kopfschüttelnd verlor sich sein Blick. "Und dann hast du ihn abserviert einfach so. Wegen mir." Diesmal klang er als konnte er es nicht fassen. Seine verborgene Unsicherheit versetzte mir einen Stich. "Er hat dich geschlagen." Erklärte ich meine Motivation, doch das war eine Ausrede. Eine die ich lange gesucht hatte.
"Wäre ich nicht so betrunken gewesen, hätte ich ihn vielleicht auch getroffen." Wies er mich hin, doch es war Blödsinn darüber zu spekulieren. "Ich bin froh das es so gelaufen ist." Sagte ich fest. Denn das war die Wahrheit. Alles was ich bereute war es, dass ich mit meiner Mutter mitgegangen war. Ich hätte bleiben sollen.
"Ich wünschte nur ich hätte dich nicht alleine gelassen." Sagte ich und musterte seine Nase. Es war über eine Woche her und seine Verletzung war nicht mehr zu sehen. "Was hat der Arzt eigentlich gesagt?" Fragte ich nun mit gerunzelter Stirn. Leise lachte er.
"Ist das wichtig? Glaub mir meine Nase hat nicht ansatzweise so weh getan wie deine Zurückweisung." Mein Gewissen meldete sich. "Ich wünschte ich könnte das ändern. Aber ich war noch nicht so weit." Versuchte ich ihm zu erklären und er nickte. Er verstand es. Er hatte es immer verstanden mir Zeit zu geben und dafür war ich ihm dankbar.
Ich war ihm dankbar dass er mir gezeigt hatte wer ich war, auch wenn ich es jetzt noch nicht sehen konnte. Doch er hatte mir gezeigt, dass ich mehr war als ein Abklatscht meiner Mutter. Das ich mehr war als eine billige Kopie.
Das ich schön war und stark war. Stark genug mich aus dem goldenen Käfig zu befreien. Ich hatte nur einen kleinen Schubs gebraucht. Vielleicht auch einen großen Schubs.
Er hatte mein Denken komplett gewandelt, hatte mich von dem kleinen, oberflächlichen, snobistischen Ding zu jemandem gemacht, der neugierig und freundlich war. Der erst an der Oberfläche kratzte und untere Schichten freilegte. "Also von Null auf Hundert?" Fragte ich ihn nochmals. Er nickte. Ein breites Lächeln schob sich auf sein Gesicht. "Von Null auf Hundert!"
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Die Prinzessin und der Punk
Novela JuvenilErschrocken riss ich die Augen auf, riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Ich sah das verbeulte Rad, doch ignorierte es einfach. Denn daneben lag er. Großgewachsen, kahlrasiert, bis auf einen kleinen Streifen in der Mitte seines Kopfes, tätowi...