Kapitel 19

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Schnell atmend zog Thomas sein Oberteil nach oben und entblößte seinen Bauch, an dem eine Einschusswunde klaffte.
Er fluchte, aber Teresa drehte sich schon hektisch um. „Wir müssen..." Panisch riss sie einige Schubladen auf, „Etwas finden!" Sie fand etwas, denn aus einer Schublade zog sie einige Verbände, die sie mir hinhielt. Ich ging vor Thomas in die Hocke und presste die Verbände auf seine Wunde.
„Was machst du hier?", fragte Thomas mich schwach. „Ich versuche dich zu retten. Wir müssen schnell von hier verschwinden und zu den anderen!", meinte ich und nahm seine Hände. „Es tut mir so leid! Ich wollte das alles nicht!" Mit einem traurigen Ausdruck sah er mich an und eine Träne lief seine Wange entlang. Doch jetzt durfte ich mich nicht ablenken lassen!
„Du musst draufdrücken!", befahl ich ihm und legte seine Hände auf den Bauch.
„Du... du musst gehen!", brachte er hervor, doch ich schüttelte nur den Kopf. „Ich werde nicht ohne dich verschwinden! Schließlich bin ich in den ganzen Schlamassel nur gekommen, weil ich dich holen wollte. Ich werde mit dir zurückkehren, hast du mich verstanden?" Nun kam auch wieder Teresa zurück, in der Hand hielt sie noch mehr Verbandssachen.
„Ihr müsst beide gehen! Jetzt!" Er sah Teresa eindringlich an, doch sie sah ihn verzweifelt an. „Ich werde bei dir bleiben, Thomas!" Sie sahen sich für einen Moment an, doch durch das Geräusch, das von der Kammer kam, weckte unsere Aufmerksamkeit. Janson hatte uns gefunden! Erschrocken tauschte ich mit Teresa einen Blick aus und ich half ihr schnell Thomas zu verstecken. Er lehnte unter einem Tisch. Dort sollte er erstmal sicher vor Janson sein...
Sobald wir Thomas dort abgeladen hatten, fiel ich schlaff zu Boden. Meine Bauchwunde machte sich wieder bemerkbar, da die Tücher nun vollgeblutet waren. Teresa bemerkte es und hielt mir schnell einen Verband hin, damit ich ihn auf die Wunde pressen konnte. Ich nickte ihr dankbar zu und sie selbst versteckte sich, da die Tür aufging.
Mit langsamen Schritten trat Janson ein. „Ich habe mich in die getäuscht, Teresa.", ertönte seine Stimme ruhig. „Ich dachte wir wären Freunde." Ein Geräusch ertönte, als Teresa sich bewegte und gegen einige Glaskolben stieß. Von meinem Platz aus konnte ich sehen, wie Janson zu dem Geräusch trat, aber sich Teresa nicht mehr dort befand.
„Vielleicht liegt es einfach in deiner Natur die Menschen zu verraten, die dir am nächsten sind."
Wenn wir hier nicht rauskämen, würden wir alle sterben!
„Komm schon, ziehen wir das nicht unnötig in die Länge...", meinte Janson. Unter seinen Schritten knirschte zerbrochenes Glas unheilvoll. Plötzlich kam von Teresa ein Geräusch und Janson schoss genau dorthin, doch er traf sie nicht. „Wir wissen beide es gibt hier keinen Ausweg. Machen wir das nicht qualvoller als es sein muss." Von meinem Platz aus konnte ich gerade so sehen, wie Thomas sich mühsam aus seinem Versteck zog. Was zur Hölle machte er denn da?! „Thomas... Teresa...", säuselte Janson. Er klang wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielte. Mein Herzschlag pochte laut in meinen Ohren, als ich mich ebenfalls aufraffte, um Thomas aufzuhalten, bevor er sich zeigte. Doch diese Bewegung verursachte ein unangenehmes Ziehen im Bauch, weshalb ich zitternd meine Hände auf die Wunde drückte. Die Verbände waren bereits durchweicht. Doch es tat nur unheimlich weh, weshalb ich kurz aufstöhnte.
„Oh, Clarise? Bist du etwa auch hier?" Sofort hielt ich die Luft an und drückte mich gegen den Tisch. Ich konnte Thomas nicht mehr sehen, da er sich auf der anderen Seite des Tisches befand. Zwischen unseren Tischen lag ein Gang. Unsicher sah ich mich um und zuckte im nächsten Moment zurück. Janson lief langsam den Gang entlang, der unmittelbar zwischen Thomas und mir verlief. So konnte ich nicht zu Thomas!
Teresa saß ein wenig von mir entfernt. Sie lehnte sich um die Ecke und erstarrte. Vermutlich hatte sie Thomas entdeckt, der ebenfalls aus seinem Versteck gekrochen war. Sie wollte gerade zu ihm, doch in dem Moment trat Janson vor sie. Erschrocken kroch sie rückwärts. „Nein...", flehte sie, als Janson mit erhobener Waffe langsam auf sie zutrat. Er lief an meinem Versteck vorbei, weshalb ich ängstlich den Atem anhielt, während seine Beine unmittelbar neben mir waren. „Du hast etwas, das mir gehört!", sprach er. Langsam richtete sich Teresa auf und hielt ein kleines Gläschen mit einer blauen Flüssigkeit hoch. Das Heilmittel!
„Nicht das." Lauernd sah Janson sie an und trat auf sie zu, „Wo ist er?" Er meinte Thomas! Natürlich begnügte er sich nicht mit einem einfachen Heilmittel, nein, er wollte seine eigene Herrschaft aufbauen!
„Nehmen Sie es einfach!", flehte Teresa, „Aber lassen Sie ihn in Ruhe!"
„Was ist doch nur mit euch beiden? Findest du ihn wirklich so besonders? Er ist eine Laborratte. Geboren mit einer Gabe. Er musste nie dafür kämpfen, er musste nie etwas dafür tun!" Verbitterung klang in seiner Stimme mit. „Er hat sie nicht verdient."
„Möglicherweise. Aber es ist seine." Tapfer stand Teresa da und sah ihn entschlossen an. Sie würde Thomas nicht verraten, das wusste ich. Das wusste auch Janson, weshalb er nicht zögern würde abzudrücken. Er würde sie einfach töten und dann Thomas finden. Bevor er irgendetwas in der Art machen konnte, kam ich aus meinem Versteck und wollte Janson die Waffe aus der Hand reißen. Aber er war um einiges stärker als ich und beförderte mich mit einem schlag der Pistole zu Boden.
Stöhnend ließ ich meinen Kopf auf den kalten Boden sinken und atmete schwer. Diese Bewegung hatte meiner Verletzung überhaupt nicht gutgetan.
„Oh, Clarise. Was machst du nur mit deinem kostbaren Blut...", murmelte er und trat auf mich zu, die Waffe immer noch auf Teresa gerichtet. Ich wollte mich wieder aufrappeln, aber Janson kam mir zuvor. Er ließ sich langsam zu Boden sinken und sah meine Bauchwunde an, die ich versuchte abzudrücken. Seine Mundwinkel verzogen sich leicht. „Clarise, wenn du nichts willst, dass diese Verletzung schlimmer wird, dann solltest du mir besser sagen, wo Thomas ist."
„Sie werden mich nicht töten!"
„Nein, das werde ich nicht. Aber je schneller ich Thomas habe, desto schneller kann ich dir mit deinen Verletzungen helfen..." Wütend funkelte ich ihn an und schüttelte angestrengt den Kopf. Von mir würde er es nicht erfahren. Mit einem langen Seufzen stellte er sich wieder gerade hin und zielte erneut auf Teresa, die mich mit großen Augen ansah. Zugegeben, ich war gerade wirklich nicht in meiner besten Fassung. Das Atmen fiel mir schwer und aufrichten konnte ich mich auch nicht ohne Hilfe. Es kostete mich schon genug Kraft überhaupt meine Wunde fest genug abzudrücken. Deshalb konnte Janson auch getrost seine Aufmerksamkeit wieder Teresa schenken. Er wusste, dass keiner von uns beiden Thomas verraten würde, egal was er uns antun würde, weshalb er nun zu einem anderen Mittel zurückgriff. „Was ist mit dir, Thomas?", fragte er in den Raum, die Waffe noch immer auf Teresa gerichtet. „Was sagst du dazu? Klebt nicht schon genug Blut an deinen Händen?" Es kam noch immer keine Antwort. „Du konntest sie nicht erschießen. Aber ich kann es!" Er wartete kurz und suchte den Raum mit den Augen ab, aber Thomas konnte er nicht entdecken, weshalb er sich wieder zu Teresa wandte. „Also gut.", meinte er, sein Mund zu einem Grinsen verzogen. „Wie du willst." Mit großen Augen starrte ich zu Teresa, die Janson nur entschlossen ansah, während er den Finger an den Abzug legte. Er würde wirklich nicht zögern.
Ein letztes Mal versuchte ich mich aufzurichten, aber es scheiterte kläglich und führte nur dazu, dass kleine Flecken mein Sichtfeld zierten.
„Janson!", rief Thomas plötzlich ganz laut. Erstaunt drehte sich besagter um und ich konnte sehen, wie Thomas sich aufgerichtet hatte und etwas Schweres auf Janson warf, doch dieser duckte sich weg und es traf die scheibe hinter ihm, die die Cranks von uns fernhielt. Mit einem Stöhnen sank Thomas wieder auf den Boden.
„Daneben du Mistkerl!", meinte Janson und richtete nun seine Waffe auf Thomas, der an einem der Schubladen lehnte. „Ist das so?", fragte er und ein Knacken ertönte. Erstaunt sah ich zu der Scheibe, die langsam mit immer mehr Rissen überzogen war. Die Cranks dahinter standen lauernd davor. Auch Janson schien das aufzufallen, denn er drehte sich unsicher um. Noch bevor er reagieren konnte, brach die Schiebe ganz und die Cranks warfen sich auf ihn. Schreiend fiel er zu Boden.
Teresa handelte schnell und trat zu mir. Sie half mir vorsichtig auf die Beine und ich griff mir schnell einen der Verbände, die am Tisch lagen, um ihn auf die wunde zu pressen. Janson laute Schreie hallten durch den ganzen Raum. Solange die Cranks abgelenkt waren, sollten wir abhauen! Teresa trat zu Thomas und half ihm mühsam auf die Beine, seinen Arm legte sie um ihre Schulter, um ihn besser zu stützen. Ich wollte ihr helfen, aber in meinem Zustand war das nicht möglich, was sie ebenfalls wusste, weshalb sie ihn alleine trug.
So schnell wir konnten verschwanden wir aus dem Raum, obwohl ich es mir nicht nehmen ließ nochmal zurückzuschauen. Mittlerweile kam Janson nicht mehr gegen die Cranks an und schrie nur noch, während sie sich über ihn hermachten. Nicht unbedingt der Tod, den ich mir für ihn vorgestellt hatte, aber die Mauer war wohl ein wenig zu weit weg...
Bevor mich meine Genugtuung noch in Gefahr brachte verließ ich nun ebenfalls den Raum und folgte Teresa und Thomas durch die Gänge.
Das Gebäude ging langsam kaputt und immer wieder sprühten Funken, wenn die Lampen kaputt gingen. Tapfer trug Teresa Thomas mit sich durch den Gang. „Hier lang!", rief sie laut und bog ab. Die Tür zum Treppenhaus konnte sie leicht aufstoßen, doch überall war dichter Rauch. Wir wollten gerade die Treppen nach unten laufen, als uns eine Stichflamme entgegenkam. So konnten wir also nicht fliehen! Der einzige Weg, der noch frei war, war die Treppe nach oben. Hustend schleppten wir uns auf das Dach. Der Weg nach oben war anstrengend genug gewesen, aber jetzt begann auch noch mein Kopf wieder zur dröhnen. Vermutlich blutete meine Platzwunde wieder.
Auf dem Dach angekommen, traten wir hustend aus dem verqualmten Treppenhaus. Das große Dach war ebenfalls hell erleuchtet, da an allen Seiten die Flammen züngelten. Es gab keinen Ausweg! Wir wollten gerade wieder umdrehen und nochmal in das Treppenhaus, aber auch von da kam nun eine Stichflamme, weshalb wir erschrocken rückwärts taumelten. Thomas rutschte aus Teresas griff und fiel zu Boden. Seine Wunde hatte sich deutlich verschlechtert. An seinen Händen klebte das frische Blut, das mittlerweile sogar seinen Unterarm rot färbte.
„Nein!" Verzweifelt sah sich Teresa um, Tränen traten in ihre Augen. Thomas hatte nicht mehr die Kraft aufzustehen. Wir würden hier nicht runterkommen! Weinend senkte Teresa ihren Kopf und sah Thomas an. „Es tut mir leid...", murmelte sie und öffnete ihre Hand, in der sich das Serum befand. „Ich habe es versucht...", schluchzte sie und gab es Thomas, der es nur schwach halten konnte. Er schaffte es mittlerweile sich aufzurichten und lehnte seinen Kopf an ihren. Sie sahen sich beide für eine Zeit an, doch dann lehnte sie sich zu ihm und küsste ihn.
Erstaunt vergaß ich für einen Moment sogar meine Schmerzen und starrte beide mit offenem Mund an. Mit Tränen in den Augen wandte ich mich ab. Wenn ich jetzt sterben würde, dann wäre ich wenigstens wieder mit Newt vereint. Der Gedanke daran Newt wiederzusehen ließ mich verzweifelt Lächeln und ich sah in den Himmel. Diese Nacht hätte so friedlich sein können, aber nein, um mich herum brannte alles und das Gebäude würde bald einstürzen. Entweder würde ich durch den Sturz sterben, oder die Flammen würden mich verbrennen. Egal was, es würde mich zu Newt führen, da war ich mir sicher. Und mit einem Mal erschienen mir die Flammen nicht mehr gefährlich, sondern fast schon wie eine warme Umarmung. Eine, die wehtat, aber Erlösung schenkte.
Als ein starker Wind aufkam, öffnete ich wieder meine Augen. Die Flammen wirbelten durch die Luft, doch mich erstaunte viel mehr das helle Licht, das auf einmal das Dach erleuchtete.
Es gehörte zum Berk! Sie würden uns doch retten!
Mit neu gefasster Hoffnung half ich Teresa dabei Thomas hochzuhieven und den Weg zum Rand zu schleppen. Das Berk drehte sich so, dass die Laderampe zu uns zeigte. Thomas wollte immer wieder zu Boden fallen, weshalb wir uns sehr schwer taten ihn bis zum Rand zu schleppen. Unter den größten Schmerzen, die ich jemals erlitten hatte, hievte ich Thomas auf meine Schulter und zog ihn zu den anderen. Die Rampe öffnete sich und ich erblickte Pfanne, der uns die Hand entgegenstreckte. Dort war auch Vince.
„Kommt schon!", riefen sie, während wir immer näherkamen.
„Gib mir deine Hand!", rief Vince, aber sie waren noch zu weit weg. Das Berk schwankte.
„Näher ran!", rief Teresa laut und die Rampe näherte sich etwas, doch sie war noch immer zu weit weg! Verzweifelt streckte Thomas seine Hand aus, aber er errichte Vince nicht. „Spring!", rief dieser, aber sie waren noch immer zu weite weg, als dass er den Sprung überleben würde. Ein lauter Knall in unsere Nähe ließ und alle zusammenzucken. Ein Hochhaus in der Nähe brach krachend ein. Es würde nicht mehr lange dauern und uns würde das gleiche Schicksal ergehen!
Alle schrien wie wild, aber Thomas konnte nur ganz knapp Vince Hand berühren. Wir mussten es schaffen. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und stemmte gemeinsam mit Teresa Thomas nach oben. Das Schiff flog ein bisschen näher und genau den Moment passten wir ab und warfen Thomas mit vereinten Kräften. Er landete auf der Rampe und wurde sofort von allen nach oben in das Innere des Schiffes gezogen. Er war in Sicherheit!
„Jetzt du!", rief mir Teresa zu und griff mir unter den Arm. Ich kratzte das letztes bisschen an Energie zusammen, das ich noch besaß du machte mich bereit. Mit Hilfe von Teresa konnte ich springen und hatte genug Schwung, um die Laderampe zu erreichen. Sofort schlangen sich mehrere Hände um mich und zogen mich ebenfalls in das Innere.
Ich wollte mich gerade aufrichten und Teresa helfen, doch mein Blickfeld verschwamm und ich sank zu Boden. Ich hörte ein lautes Krachen, laute Rufe und dann Thomas, der verzweifelt ihren Namen schrie. Alles hörte sich für mich so fern an. Schwarze Flecken säumten mein Blickfeld und ich konnte noch entfernt wahrnehmen, wie mehrere Personen um mich herumsaßen. Ich ließ erschöpft meine Arme zu Boden sinken.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und rüttelte mich leicht, doch ich wollte nicht mehr wach bleiben. Ich wollte einfach zu Newt!
Ich ließ meine Augen zufallen und ignorierte den vielen Lärm um mich herum. Das Brummen des Motors, die aufgeregten Stimmen und das laute Pochen in meinem Ohr. All das wurde immer ferner und ferne, als ich spürte, wie mein Körper langsam taub wurde.
Mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht begab ich mich in die Arme der Erlösung und sank in einen tiefen, ruhigen Schlaf.


Broken Dreams (Newt ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt