Kapitel 8.1 - Tödliche Wahrheit

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Tödliche Wahrheit

Der Schock fuhr durch jede Zelle meines Körpers, während sich in meinen Augen die leuchtend roten Flammen widerspiegelten. Dunkler Qualm führte einen wilden Tanz des Todes auf und in der Luft lagen die vielzähligen Schreie, die sich grausam und qualvoll in den Moment mischten. Sie wurden untermalt von den lautstarken Befehlen der Soldaten und bereits jetzt hörte ich das Klirren der Schwerter, dessen Klingen sich aufeinander stürzten, wie zwei ausgehungerte Löwen.

Beim Anblick der geformten Hitze setzte mein Herz einen Schlag aus, während ich mit geweiteten Augen ich um das Leben meiner Liebsten flehte. Dieser Anblick durfte einfach nicht wahr sein.

Aus den Augen vernahm ich flüchtig, wie Cyrian die Lippen aufeinander presste. Er wusste um die Schuld, die er auf sich genommen hatte. Ebenso wie er erkannte, dass all das nur seine Schuld war, so gelang ich für einen kurzen Moment in Versuchung, ihn meine gesamte Wut spüren zu lassen. Doch genauso schnell, wie dieser Gedanke gekommen war, verflog er wieder. Die Zeit spielte gegen mich. Jede Sekunde war bedeutender als die davor, weswegen ich dem Silberhaarigen lediglich einen vernichtenden Blick zuwarf, ehe ich mich durch die Flammen kämpfte.

Während ich Cyrian zurück ließ, der wie angewurzelt an Ort und Stelle blieb und nur voller Schrecken auf das Feuer starrte, kämpfte ich mich durch das Inferno. Augenblicklich rannte bloße Hitze über meine Haut und Rauch füllte meine Lungen, als würde man sie mit dem Gift einer Schlange fluten. Ich hustete und meine Organe zogen sich schmerzhaft zusammen. Deutlich vernahm ich die Asche, die sich in jede Pore meines Körpers einzunisten versuchte. Im selben Moment erfasste ein fürchterliches Brennen meine Augen, als würden die Flammen meinen wichtigsten Sinn verzehren. Tränen, wie unzählige kleine Perlen, sammelten sich und das einzige, was ich erkannte, war ein Strudel aus tiefem Schwarz, tödlichem Rot und purer Verzweiflung.

Ein Schrei kam über meine Lippen, weniger vor Schmerz, als vor Wut und Entschlossenheit. Das Feuer zerfetzte meinen Mantel, fraß das Shirt von meiner Haut und auch vor dem warmen Fleisch machte es keinen halt. Der Geruch von Verbrennung kroch in meine Nase und der Schmerz pulsierte in jeder Faser meines Körpers. Es war eine Qual, die der Folter in der Hölle gleichkam. Etwas, das kein menschliches Wesen aushalten konnte.

Erst nach einiger Zeit konnte ich die Feuerwand durchdringen, die Akelicis zielgenau vom Wald abgeschnitten hatte. Meine Kleidung hing in Fetzen von meinem Leib herab, umringt von verbrannter und geröteter Haut. Alles pulsierte und jeder Herzschlag brachte immer stärkere Schmerzen mit sich, dennoch blieb ich standhaft. Das Blut der Diavis brodelte so laut wie nie zuvor und die Entschlossenheit, meine Familie zu beschützen, beflügelte mich.

Unter Qualen sah ich mich im Dorf um und das Szenario, was bis vorhin noch in meinem Kopf gegeistert hatte, wurde grausame Realität.

Unbekannte Männer in silbernen Rüstungen, die allesamt das Wappen des Wasserkontinents trugen, hatten das Dorf gestürmt. Mit den Klingen nach Blut durstender Schwerter brachten sie Zerstörung, während das ferne Donnern von Hufen weitere Verstärkung andeutete.

Die Schergen trugen Fackeln und drängten die Bewohner Akelicis immer weiter zurück. Nur wenige leisteten den Angreifern Widerstand. Der Rest sorgte für die Kinder, die vom schrecklichen Szenario geradewegs in die Vergangenheit zurücktelepotiert wurden. Alte Wunden rissen auf, so waren es Tränen, die ihre verzweifelten Gesichter herunter liefen und von Angst geprägt waren.

In mitten der wilden Schlacht erkannte ich Galcha, der sich um die drei Geschwister Flora, Nerina und Xuan kümmerte. Ängstlich klammerte sich die Jüngste an den Troll, der mit seiner rauen Stimme behaglich auf sie einredete. Mit gerunzelter Stirn, die noch mehr Falten trug als sonst, konzentrierte er sich darauf die Kinder und alle, die sich nicht vereidigen konnten, so gut es ging von den Soldaten abzuschirmen. So bekam der Häuptling auch nicht mit, wie ich über das Feld fegte.

Im Rausch meines Blutes erfasste ich die Situation genaustens. Avril und Diamird kämpften an vorderster Front. Dabei schlugen sie ihre Klingen gegen die Waffen der feindlichen Truppen, so stark und voller Ehrgeiz, dass Funken glühend zu Boden rieselten. Mit fünf anderen Männern hatten sie alle Hände voll zu tun, während die massive Überzahl sie weiter zurückdrängte.

Schon bald lagen nicht nur die Geräusche eines Kampfes, von dem das Schicksal eines ganzen Dorfes abhing, sondern auch der grässliche Gestank von Schweiß und Blut in der Luft. Ein widerlicher Duft, der nicht ansatzweise zeigte, wie schlimm es um uns stand. Immer öfter trugen unsere Krieger Wunden davon und schon bald, waren sie von allen Seiten eingekesselt.

Im Bruchteil eines Herzschlags begann ich zu handeln. Ein Schrei drang aus meiner Kehle, lauter, wütender, als der zuvor. Ein Ton, der über das gesamte Schlachtfeld hallte, das Grölen der Flammen durchschnitt und eine Botschaft verkündete. Sie sollten Verschwinden oder sie würden den Zorn einer Diavi kennenlernen und an diesem elendig zugrunde gehen.

Pure Kraft pumpte durch meinen Körper, während der erste Angreifer auf mich zustürmte. Mit gehobenem Schwert hieb er auf mich ein, während ich im Hintergrund manch freudigen Ruf vernahm.

»Pandora«, ertönten die Schreie und am lautesten, eine Stimme, die jede andere übertraf, war die Tirions.

Während ich dem ersten Angriff entkam und geschickt zur Seite huschte, machte mein Herz, neben dem angeregten Pulsieren, einen Freudensprung. Er hatte es tatsächlich geschafft und auch, wenn er von einer Gefahr geradewegs in die nächste gestolpert war, so war ich doch heilfroh. Vielleicht erkannte ich sogar Freudentränen in seinen Augen.

Allerdings wurde meine kurzweilige Erleichterung jäh unterbrochen, als ich den feinen Luftzug der Klinge spürte. Haarscharf streifte sie meine Wange und der Schmerz katapultierte mich zurück in die Realität. Freuen konnte ich mich später. In erster Linie musste ich die Soldaten besiegen. Ich spielte gegen die Zeit, im wahrsten Sinne des Wortes, denn spätestens, wenn die Verstärkung eintreffen würde, würden auch die Kräfte einer Diavi an der Übermacht zerbrechen.

Den weiteren Angriffen meines Gegners konnte ich ausweichen. Mit seiner Klinge führte er einen wilden Tanz auf und selbst ein ungeschultes Auge erkannte, dass die Soldaten etwas von ihrem Handwerk wussten.

Mit einer Reihe von Abwehrtechniken trickste ich den Feind aus. Das Blut rauschte in meinen Ohren, als ich mich zwischen seinen Schlägen wandte. Mit Sorgfalt achtete ich auf eine Lücke in seiner Deckung, denn wenn ich erstmal ein Schwert hätte, könnte ich zum Gegenangriff übergehen. Dann würden Köpfe fliegen, bis das vergossene Blut den Frieden wiederbrachte.

Schließlich kam der schicksalhafte Moment. Der Stahl schoss von oben auf mich zu, warf das Licht der goldenen Sonne, und indem ich mein Gewicht auf die Hände verlagerte, konnte ich den Angreifer entwaffnen. Mit einem Klirren fiel das Schwert zu Boden und ehe der Feind reagieren konnte, lag die Waffe in meinen Händen.

Der Kampf konnte beginnen. Die Schlacht, bei der ich um das Leben meiner Familie spielte und notfalls würde ich alles ablegen, was mich menschlich machte.

Der fünfte GottWo Geschichten leben. Entdecke jetzt