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                             Emma

~Eine Woche später~

Seit ich mit Justin eine ganze Woche verbracht habe, nimmt Langeweile die Überhand. Ich versuche mich entweder mit dem Handy, dem Fernseher oder Büchern zu beschäftigen. Mittlerweile habe ich mich gut mit Justin angefreundet aber er verschwindet oft am Tag und kehrt erst spät am Abend zurück.
Das Haus zu verlassen kam bisher nicht in Frage nur hat mich Justin einmal mitgenommen zu seinen Freunden.

Manchmal gehe ich auch mit dem Dienstmädchen einkaufen. Trotz allem fühle ich mich wie eine Gefangene obwohl ich jederzeit nach Hause gehen könnte aber ich weiß meine Eltern werden mich alles andere als herzlich begrüßen weshalb ich lieber warte. Wie lange noch weiß ich nicht.

Heute habe ich beschlossen mal meine Zeit außerhalb zu vertreiben.
Nachdem ich gefrühstückt habe und Justin das Haus verlassen hat, mache ich mich auf dem Weg zum Hotel. Zum Hotel, wo Capi mich hingeschleppt hat. Ich nahm einige Büsse und die Bahn und kam schließlich an der altbekannten Straße an. Tagsüber sieht hier alles um einiges harmloser aus.

Ich ziehe meine Tasche nah an mich und schlendere die Straße entlang. Nach was ich suche, bleibt für mich selber ein Rätsel. Vielleicht erhoffe ich mir jemanden zu treffen. Und da taucht auch schon das auf nach was ich nicht suchte.
,,Wen haben wir denn da?", sagte Anastasia.
Sie sieht mich seelenruhig an während sie genüsslich an ihren Joint zieht und an der Mauer lehnt. Ihre Augen halb geschlossen, beobachtet sie mich wie ein Raubtier seine Beute.

Ich grummle etwas und sage dann:
,,Was ist? Hast du nicht genug gelacht?"
Sie gluckst und richtet sich auf um mir einen Schritt näher zu kommen. Ich stehe ihr gegenüber wie ich auch vor einer Woche tat.
Ihr Gesichtsausdruck verfinstert sich plötzlich.
,,Sorry, nimm das nicht so persönlich wenn ich über dich lache."

Ich hebe die Brauen und stehe selber kurz davor loszulachen.
Sie streckt ihre Hand aus.
,,Freunde?", fragt sie.
Ich weiß nicht so recht ob ich ihr Friedensangebot annehmen sollte aber vielleicht sollte ich wirklich aufhören alles so ernst zu nehmen.
Ich nicke und gebe ihr dann die Hand.

Sie lächelt. Zum ersten Mal ein richtiges Lächeln
,,Ich muss was erledigen. Kommst du mit?", fragt sie.
Ich zucke mit den Schultern und folge ihr dann zu ihrem Haus.
,,Da bist du ja wieder, Emma!", begrüßt mich Klara. Ihre gutmütigen und vertrauenswürdigen Augen funkeln als sie mich sieht.

Anastasia verschwindet im Bad und kommt dann mit einer schwarzen Tasche zurück.
,,Komm mit.", deutet sie und wir laufen zum Hintereingang des Hauses.
Nach zehn Minuten in denen wir hastig durch die Straßen trieben kommen wir an einer eher verlassenen Gasse unter einer Brücke an.

In der Ferne sehe ich Ansammlungen von Menschen, die aber verteilt stehen und als wir uns nähern, erkenne ich, dass es alles Frauen sind, die provozierende Kleidung anhaben und sehr auffälliges Make-Up tragen.
Sofort wird mir klar was die hier treiben.
,,Willst du etwa, dass ich mich prostituiere?", blaffe ich Anastasia an.
Langsam steigt in mir die Panik. Diese Frauen starren mich an.
,,Komm einfach mit.", erwidert Anastasia leise.

Wir verschwinden hinter einem Baum, etwas weiter entfernt.
Anastasia legt ihre Tasche ab und zieht mehrere Kleidungsstücke heraus.
,,Kannst du gucken ob da jemand kommt?", bittet sie mich während sie die Kleidungsstücke aus der Tasche mit ihrer Kleidung austauscht.

Ich schaue kurz zu ihr und erkenne nur eine Anastasia in einem sehr kurzen Lederrock und einem Oberteil der grad mal ihr BH verdeckt. Sie versucht sich einen geraden Strich mit dem Eyeliner zu zeichnen während sie mit zittrigen Händen den kleinen Spiegel hält.
Ich schaue sie für einen kurzen Moment angewidert und wütend an.
Wie kann sie nur so etwas tun?

Als sie fertig ist packt sie ihre Sachen schnell in die Tasche und übergibt sie mir.
,,Pass bitte darauf auf.", flüstert sie und läuft mit wackeligen Beinen wieder zu den anderen Frauen.
Es sind nicht mehr als sechs oder sieben Frauen anwesend, die sich auf dem Platz verteilen und posieren als mehrere Wagen vorbeifahren. Einige Autos stoppen und die Frauen bücken sich in ihren hohen Schuhen um mit den Freiern im Auto zu reden.

Nervös folge ich Anastasia und schaue ihr zu. Ich fühle mich hier sehr unwohl und will einfach nur weg obwohl ich mich im Hintergrund aufhalte und mich schon praktisch hinter Anastasia verstecke während ich die Tasche umklammere.
,,Wieso tust du das?", frage ich sie nach zwanzig Minuten in denen ich mein Schock verarbeiten musste.

,,Wie soll ich denn sonst mein Geld verdienen? Wie soll sonst Klara sich und ihren Sohn ernähren?", fährt sie mich an. In ihrem Blick liegt Angst und Verzweiflung. Ich sehe plötzlich eine andere Frau vor mir, die nicht so ist wie die Anastasia, die ich kennengelernt habe, ist. Sie wirkt schwach. Ich fühle Mitleid. Ich würde ihr so gerne helfen.

,,Prostitution ist keine Lösung, Anastasia! Ich kann dir helfen!", rufe ich zur ihr.
Sie schüttelt den Kopf.
,,Nein, das kommt nicht in Frage."
Und wendet sich von mir ab.
Ich gehe vorsichtig zu ihr und umklammere ihr Handgelenk.
,,Komm wir gehen.", flehe ich sie schon fast an.

Sie schüttelt meine Hand ab und starrt mich wütend an.
,,Hör auf, Emma. Nicht bei jedem kann die Welt so schön sein wie bei dir! Nicht bei jedem fällt das Geld vom Himmel! Ich muss dafür hart arbeiten.", schreit sie mich an.
Ich senke meinen Blick zum Boden.

Ein Auto fährt voran und hält direkt vor Anastasia an.
Mein Herz klopft vor Angst.
Wieso kann sie damit nicht aufhören?
Sie verkauft ihren Körper um ekelhaften Männern die nötige Befriedigung zu geben.
Anastasia bückt sich zum Fenster und ihr Rock rutscht ein Stück zu weit hoch.
Eigentlich erwarte ich, dass sie jetzt einsteigt aber sie dreht sich plötzlich zu mir um.
,,Die wollen dich.", nuschelt sie mürrisch.
Sie sieht so als würde sie exlodieren vor Wut denn sie ballt ihre Hände in Fäuste.

Mich?
Ich schaue um mich herum nach einem Fluchtweg. Die anderen Frauen auf der Straße bedrängen mich förmlich mit ihren Blicken.
Ich bekomme es sofort mit der Angst zutun.
Warum um alles in der Welt wollen die mich wenn hier so viele Frauen stehen? Sehe ich so als würde ich zur Verfügung stehen?
Sehe ich aus wie ein menschliches Spielzeug?
Anastasia schubst mich gewaltsam zum Auto.

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Eine Info am Rande.
Nur weil Zigaretten, Alkohol, Joints oder andere Drogen in der Geschichte vorkommen, unterstütze ich das auf keinen Fall. Es ist im Buch vertreten weil das irgendwie zu Capital gehört aber damit möchte ich es nicht beschönigen oder auf irgendeiner anderen Art gutheißen.
Am Ende ist es jedem selbst überlassen, was er tut aber ich warne euch, diese Dinge werden euch viel mehr Nachteile als Vorteile einbringen.


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