"Tina, jetzt warte doch mal endlich!"
Newts Füße rasten über den Asphalt, während er versuchte, Tina einzuholen. Diese war aus dem Haus des Unsterblichen gerannt und auf den Bürgersteig der stark befahrenen Straße geflüchtet. In dem Kopf des Magiezoologen schwirrten noch die unterschiedlichsten Gedanken hin und her.
Logisch, dass Tina jetzt so reagiert. Ich hätte ihr einfach früher davon erzählen sollen. Nach ihrem Kenntnisstand muss sie denken, es würde mich nicht interessieren, sie zu verlassen, wenn ich es ihr nicht sage. Oh man!!
Kurz vor einer Kreuzung musste die Aurorin stark abbremsen, da eine Frau mit einigen Hunden an der Leine an ihr vorbeistolzierte. Das war genau die Gelegenheit, auf die Newt gewartet hatte. Mit einem Satz griff er nach ihrem Arm und zerrte sie in eine Nische zwischen den nahegelegenen Gemäuern. Schlagartig fühlte er sich zu dem Zeitpunkt ihrer allerersten Begegnung zurückversetzt, doch ehe sich dieser Gedanke materalisieren konnte, begann Tina schon, ihn anzugiften:
"Lass mich sofort los!! Ich will nichts mehr von dir wissen.. Erst machst du mich weich mit irgendwelchen Gefühlsduseleien, nur um dann wieder abzuhauen. Nein, das mache ich nicht noch einmal mit.."
"Wieso noch einmal?"
Newt war verwirrt. Seine Augenbrauen wanderten nach oben.
"Ach, vergiss es!"
"Meinst du etwa, als ich das erste Mal in New York war? Da habe ich dich weich gemacht?"
"Jetzt hör auf davon zu reden, Idiot!!" Tina versuchte weiterhin streng und böse zu klingen, aber ehe sie sich wegdrehen konnte, hatte der Brite schon die aufsteigende Röte auf ihren Wangen gesehen.
"Ich dachte, dir wären deine Gefühle für mich erst hier aufgefallen?", fragte er neckend.
"Sind sie doch auch.. Das muss ja aber nicht heißen, dass ich das damals nicht doof fand. Ich mochte dich da auch schon und fand es schrecklich, dass du gehen musstest, genauso wie jetzt.."
"Ich finde es doch genauso bescheuert wie du, meu passarinho.. Aber meine Arbeit lässt mir keine andere Wahl." Zögerlich hob Newt die Hand, um ihr flüchtig über die Wange zu streicheln. Endlich sah sie ihn wieder an. So konnte er wenigstens ein wenig ihre Emotionen deuten.
"Wieso hast du mich dann nicht früher darauf vorbereitet? So hat mich das alles aus heiterem Himmel erwischt.." Traurig sog sie ihre Unterlippe zwischen ihre Zähne. Das war ein so mitleidiger Anblick, dass der Magiezoologe sich sofort noch hilfloser fühlte. Ohne groß darüber nachzudenken, wie er es noch vor einiger Zeit getan hätte, zog er sie in eine Umarmung. Ich und Umarmungen.. Neue Welten öffnen sich. Augenblicklich entspannten sich die Muskeln der Amerikanerin und sie drückte ihn ebenso an sich. Er konnte den leicht süßlichen Duft ihrer Haare vernehmen. Das erdete ihn noch mehr. Ein Stück Zuhause war zurückgekehrt.
"Ich wollte, dass du unsere restliche gemeinsame Zeit ohne Gedanken an das baldige Ende verbringen konntest.. Und dadurch, dass du dich deswegen nicht auch noch verrückt gemacht hast, konnte ich die Momente, die wir zusammen verbracht haben, auch mehr genießen. Meinst du unsere Zeit im Garten wäre genauso gewesen, wenn du Bescheid gewusst hättest?", murmelte Newt schräg über ihrem Kopf.
"Nein..", seufzte Tina und erkannte, dass er es nur gut gemeint hatte. Er hat mir das Vermissen für nach unserem Abschied aufheben wollen.. "Wollen wir jetzt zurückgehen? Dumbledore fragt sich bestimmt schon, wo wir schon wieder bleiben.." Immer noch gedrückt, aber deutlich ruhiger, ließ Tina ihre Hand in seine gleiten, damit sie zu Nicholas Flamels Haus zurückgehen konnten.Schnell war die kleine, zwischenzeitliche Auseinandersetzung Hogwarts' Lehrer erklärt und er machte sich daran, Mr. Rocha über die Rückkehr des ungleichen Paares in Kenntnis zu setzen. Dieser erwartete sie schon ungeduldig im Apparierraum. Nachdem sich alle voneinander verabschiedet und Albus ihnen nochmal für die Informationen gedankt hatte, verschwanden Newt und Tina wieder. Holprig kamen sie in Rio de Janeiro zum Stehen. Ein letzter Blickkontakt miteinander genügte, sodass sie sich dem kleinen Mann vor ihnen widmen konnten. Mr. Rocha hatte eine Augenbraue gen Himmel gezogen.
"Und, waren sie erfolgreich?"
"Sehr.", antworten Tina und Newt im Chor. Ein Grinsen huschte über ihre Gesichter. Der Minister nickte und ging den Gang zum Hauptgebäude zurück, selbstverständlich annehmend, dass die beiden ihm folgen würden. Was sie auch taten. Zurück in dem altbekannten Büro mit seinen hohen Wänden angekommen, verabschiedeten sie sich nun also auch von Mr. Rocha. So mies er sich vielleicht Queenie gegenüber benommen hatte, so sehr hatten sie ihn doch auf ihre Weise als Arbeitspartner ins Herz geschlossen. Mit einem letzten Händedruck machten sie sich zum Rückweg auf. Reflexartig griff die Amerikanerin mit ihren klammen Fingern nach der warmen Hand des Briten. Die Finger miteinander verwoben liefen sie überschwänglich Richtung Hostel. Erst als sie wieder in ihrem Hotelzimmer standen, wurde ihnen bewusst, dass sie sich jetzt wirklich voneinander trennen mussten. Tina versuchte, unauffällig einen Blick auf Newt zu werfen, was ihr kläglich misslang. Er hatte ihre traurigen, sonst so warmen braunen Augen längst bemerkt und fühlte sich schrecklich in seiner Haut. Immerhin war der Magiezoologe an ihrer Trennung schuld. Aber was machte er sich vor, sie hätten eh nicht für immer in Rio bleiben können. Früher oder später hätten sie sich immer trennen müssen. Zumindest solange wir nicht zusammenleben.. Doch vielleicht war das auch zu weit von ihm gedacht. Sanft fuhr er über ihren Handrücken, um all das auszudrücken, was er gerade nicht sagen konnte. Im stillen Einverständnis sammelten sie ihre wenigen Habseligkeiten ein. Unten in der spärlich eingerichteten Eingangshalle kündigten sie bei derselben griesgrämigen, alten Dame ihr Zimmer und spazierten dann hinaus. Die Sonne schien ihnen grell ins Gesicht, ganz im Gegensatz zu ihrer niedergeschlagenen Stimmung.Die Strecke bis zum Hafen verging für Tinas Geschmack viel zu schnell und sie erkannte in Panik, was jetzt kam. Der Abschied. Den, den sie so weit wie möglich hatte hinauszögern wollen, und jetzt war er doch so schnell gekommen. Aber ich kann ihm nicht böse sein.. Er ist nicht schuld an dem Ganzen. Außerdem werden wir uns wiedersehen. Wozu gibt es sonst Briefe? Nach den letzten beiden Abschieden haben wir uns auch immer wiedergesehen. Newt drehte sich zu ihr um, als sich langsam eine Fähre vom Horizont in den Hafen von Rio de Janeiro schob. Mit glasigen Augen sah sie zu ihm auf. Nur nicht weinen, nur nicht weinen. Nicht. Weinen. Der Brite hob ganz langsam die Hand und als sie schließlich dieses Déjà-vu durchlebte, lösten sich doch die Tränen aus ihren Augenwinkeln. Nach und nach flossen sie wie ein nicht enden wollender Strom ihre rosigen Wangen hinab. Sanft wischte Newt sie mit seinem Daumen fort. Ebenso zaghaft strich er ihr diese eine Haarsträhne hinters Ohr. Völlig überwältigt sog Tina ihre Unterlippe zwischen ihre Zähne. Sie konnte ihn bloß ansehen, bis dann dieses eine letzte haltende Band in ihr zerriss. Stürmisch zog sie ihn an sich und küsste ihn. Seine Lippen schmeckten salzig von seinen oder meinen? Tränen, aber waren ihr dennoch so vertraut, dass ihre Knie ganz weich wurden. Ein letztes Mal wollte sie noch diesen Geschmack, dieses Gefühl auskosten. Auch der Magiezoologe hatte sie ganz eng an sich gedrückt. Aber da ertönte die schmetternde Schiffsglocke und die beiden ahnten, dass es Zeit wurde zu gehen.
Ein letzter Blick.
Ein letzter missglückter Versuch zu lächeln.
Eine letzte Berührung. Ein sanftes Händedrücken, bevor seine Hand davonglitt. Er ihr entglitt. Er schnell zur Planke eilte, so als könnte er es sich nochmal anders überlegen, wenn er noch ein Weilchen länger blieb.
Nicht für immer, dachte sie. Tina zog ein Taschentuch aus der Tasche und wedelte ihm damit zu, als er an der Reling stand und mit Leiden in den Augen zu ihr herabsah. Es war sogar noch schrecklicher, als sie es sich vorgestellt hatte. "Ich schreibe dir!", schrie er über den Lärm des Hafens hinweg, als das Schiff in See stach. Andere Angehörige winkten ihren Geliebten und Freunden ebenso wie Tina zu, schrien, weinten und hüpften wild auf und ab. Einige Hafenarbeiter drängelten sich durchs Getümmel und versuchten, ihren Job zu erledigen. Ein paar Kisten warteten darauf, verladen zu werden. Doch die braunhaarige Amerikanerin hatte nur Augen für Newt. Wie er dastand, das Haar vom Wind zerzaust, den Blick fest auf sie fixiert, während er sich bemühte, Haltung zu bewahren. Tränen glitzerten im Licht der Sonne auf seinem Gesicht. Es war ein schöner Anblick, den sie sich ins Gedächtnis brennen wollte. Und so sollte es auch geschehen. Sie würde ihn so in Gedanken behalten, bis sich nach einiger Zeit ihre Wege wieder kreuzen sollten..
- ENDE -
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Awkward Love🦎⚡ - Newtina Fanfiction [✔]
Fanfiction-Nach dem Stand von Fantastic beasts 1&2- Den Magiezoologen Newt Scamander und die Aurorin Tina Goldstein schweißt eine ganz besondere Verbindung zusammen. Bevor die beiden sie allerdings entdecken, geht es drunter und drüber. Eine Mission verschläg...