Kapitel 26

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"Meu passarinho.." Der Kosenamen fühlte sich samtig auf seinen Lippen an. Wertvoll, als müsse er ihn vor dem Rest der Welt geheim halten. Seine Arme machten sich langsam bemerkbar, indem sich die Muskeln verspannten, während sie Tinas Körper wiegend durch die Dunkelheit trugen. Er hatte es nicht über sich bringen können, sie zu wecken, nachdem sie so friedlich eingeschlafen war. Nun war also er an der Reihe, sie heim ins Hotel zu bringen. Sie sah so entspannt aus, wie sie da genau vor ihm lag. Ihre Gesichtszüge wirkten gelockert, die Anspannung der letzten Tage gelöst. Er vergaß viel zu oft, wie viel wichtiger diese Mission doch für sie war. Sein Job war es ja gar nicht direkt, ihrer schon. Seine Gedanken kurbelten sich langsam von Tina los, bis sie endlich das spärlich beleuchtete Hostel erreichten, in dem sie schon die Nacht zuvor - leicht abgewendet und peinlich berührt - verbracht hatten. So schnell es ging, transportierte der Brite Tinas zierlichen Körpern ein paar Dutzend Treppen hoch in den 3. Stock, bis er die Tür zu ihrem Zimmer aufschloss. Endlich angekommen...

Newt streckte sich langsam neben ihr aus und versuchte sie durch seine Bewegungen, die die Matratze zum Einsinken brachten, nicht aufzuwecken. Ein kurzes Gähnen erfüllte den Raum, bevor er genauso wie Tina in die Weiten der Träume gelangte.

Ein paar grelle Sonnenstrahlen schossen durch die winzigen Lücken der Vorhänge, die das Zimmer in Finsternis getaucht hatten. Vögel begannen draußen zu zwitschern, während wenige Autos über die huckeligen Straßen bretterten. Ein Kribbeln umfing Tinas stupsige Nasenspitze und sie musste augenblicklich niesen. Neben ihr kugelte sich ein Körper zusammen. Überrascht musste Tina feststellen, dass Newts Bauch an ihren Rücken gepresst war und sie von hinten zu erhitzen schien. Die Wärme verteilte sich in ihrem gesamten Körper und ließ ihr Herz schneller pumpen. Das Blut kochte in ihr. Auch Newt kam nun zu sich und brummte hinter ihr wie ein wild lebender Bär. "Guten Morgen, meu passarinho..", grummelte er und vergrub sein Gesicht immer mehr in dem weichen Stoff ihrer bereits zerknitterten Bluse. "Morgen, Spatz.", erwiderte Tina lächelnd und schloss kurz die Augen, um das Gefühl der Geborgenheit auszukosten, dass dieser Moment in ihr auslöste. "Wie spät ist es?", raunte er mit belegter, kratziger Morgenstimme hinter ihr, bevor er schon um sie herum langte und nach ihrer Uhr griff. "Zehn Uhr..", sagten sie beide gleichzeitig im Chor und mussten lachen. "Du glaubst nicht, wie froh ich bin, dich endlich so halten zu dürfen, meu passarinho.", seufzte Newt. Seine Worte hinterließen ein wohliges Kribbeln in ihrem Bauch. "Und wie froh bin ich, dass ich dich ab sofort immer bei mir haben kann.." "Wenn da nicht diese zwei Kontinente wären." Der Magiezoologe lachte daraufhin losgelöst, doch insgeheim wusste sie, dass ein kleiner Funken Wahrheit in diesem Tonfall lag. Irgendwann würden sie zwei sich wieder voneinander trennen müssen, um ihren eigenen Tätigkeiten nachzugehen, bis sie alles soweit gerichtet hatten, um zusammen leben zu können. Vielleicht möchte er das auch gar nicht, übertreib nicht immer gleich mit deinen Zukunftsvisionen, Tina!

Der Krach hinter der Badezimmertür begann ihm langsam Sorgen zu machen. Was macht sie da nur drin? Er zog seine Stirn kraus, solange bis es aufhörte zu rumoren. Schließlich sammelte er die Sachen zusammen, die er gestern bereits halb im Schlaf neben dem Bett ausgezogen hatte, und zog sie wieder an. Er hatte sich und Tina ein Ziel gesetzt: Sie sollten endlich diese Mission erledigen, um die Zeit zusammen genießen zu können, bis er für sein zweites Buch auf Reisen gehen musste. Das hatte er der Aurorin allerdings noch nicht berichtet. Newt bezweifelte, dass sie sonderlich glücklich darüber sein würde, dass ihre gemeinsamen Tage gezählt waren und er nicht ewig mit ihr zusammen sein konnte. Zumindest physisch. Ehrlich gesagt macht es mich selber ja auch nicht glücklich. Ein Klacken des Schlosses war zu vernehmen und riss ihn aus den brausenden Wellen seines Verstandes heraus. "Können wir los?" Er traute seinen Augen noch nicht ganz. Sie hatte ein hellblaues Sommerkleid an. Ihre wohlgeformten Waden glänzten im Sonnenlicht und ihr schmale Taille wurde durch die Raffung des Stoffes betont. "D-du.. Tina.. äh.." Sein Mund klappte ein paar Mal auf und wieder zu, aber es kam kein Laut heraus. Tina trat verunsichert von einem Fuß auf den anderen, die Hände zerknautschten den Saum des Kleides. Langsam erhob sich Newt vom Bett, auf das er sich vorher zum Warten niedergelassen hatte, und schloss den kleinen Abstand bis zur Amerikanerin. Tinas Atem stockte kurz, als er wieder so nah vor ihr stand. "Du siehst wunderschön aus, meu passarinho.." Seine Stimme klang, als käme sie aus einer tiefen Höhle in seinem Inneren nach oben geschallt. Tinas Härchen an den Armen stellten sich auf. Behutsam verlagerte sie ihr Gewicht auf ihre Zehenspitzen und setzte einen sanften Kuss auf seine Lippen, die er bereits zu ihr hinabgeneigt hatte. Seine Hand fuhr in ihr Haar, um eine feine Strähne hinter ihr Ohr zu klemmen. Sie glänzte im Schein der warmen Morgensonne. Das erinnerte ihn allerdings wieder an ihr Vorhaben und er löste sich langsam von der Frau, die er liebte. Sanft griff Tina nach seiner Hand, umschling seine Finger mit ihren und zog ihn aus dem Hotelzimmer.

Sie hatten sich zu einem kurzen Frühstück mit Croissants und Erdbeermarmelade an den Straßenrand in ein Cafe gesetzt. Die Stühle wackelten auf dem Pflaster und Menschen, die sich in fremden Sprachen miteinander unterhielten, rauschten im Sekundentakt an ihnen vorbei. Doch es war so genau richtig und als sich Tina gerade zu Newt herüberbeugte, um ihm etwas in sein Ohr zu flüstern, schien die Welt einen Moment lang perfekt zu sein. Doch dann entdeckte er einen schwarzen Haarschopf in der Menge. "Tina, dreh dich um..", murmelte der Brite plötzlich. Tinas Kopf ruckte herum. Jetzt sah sie es auch. Credence' schmale Schultern schoben sich durch die Menschenmassen auf der Straße zu ihnen herüber. "Hält er auf uns zu?" "Ich glaube schon." "Aber er sieht nicht sonderlich gefährlich aus..", überlegte Tina laut. Ihre braunen Augen scannten kurz seine Erscheinung ab und sie bemerkte, dass er unbewaffnet war. Das ist ein gutes Zeichen, dachte sie. Viel mehr Zeit war nicht mehr, dann ragte seine schmale Gestalt schon vor ihrem Tisch auf. "Miss Goldstein, Mr. Scamander...", sagte er tonlos, ohne durchscheinen zu lassen, was er vorhatte. Er wird uns niemals einfach so in der Öffentlichkeit angreifen, oder?  "Credence, setz dich.." Tina war wieder mal davon überrascht, wie entspannt und professionell Newt die Situation anging. Zögerlich, Newt misstrauisch betrachtend, ließ sich der junge Zauberer auf einem der Holzstühle sinken. "Wieso bist du gekommen? Wusstest du, dass wir dich aufsuchen wollten?" Tina taxierte ihn scharf. Wäre nur Queenie hier, dann könnte sie seine Gedanken lesen und kontrollieren, was er im Schilde führt. Doch schnell besann sich die Aurorin eines Besseren. Queenie braucht ihr eigenes kleines Glück, unabhängig von mir. Credence schien sich unwohl unter den starren Blicken der beiden Erwachsenen neben ihm zu fühlen. Seine Körperhaltung schrumpfte zusammen. "Ja.. Es ist mir zu Ohren gekommen. Ich verdanke euch mein Leben, Grindelwald allerdings meine Fähigkeiten. Ich möchte nicht, dass uns das in die Quere kommt. Deswegen treffe ich euch hier unverbindlich ohne Grindelwald und ihr könnt ohne Gefahr zumindest diesen Auftrag erledigen.." Tina war überrascht von dieser harten Ehrlichkeit. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen, irgendwie rührte sie das. "Also sagt schon, was wollt ihr von mir?" Die beiden frisch Verliebten tauschten einen kurzen Blick miteinander aus, dann räusperte sich Tina umständlich. "Wir müssen nur eins von dir wissen... Auf welche Weise hattest du in der Vergangenheit etwas mit Dumbledores Schwester zu tun?" Credence' Miene nahm einen gehetzten Audruck an. "Wo-woher wisst ihr von Ariana und mir? Ich dachte, ich hätte es genug vertuscht, ihr.." Sein Mund öffnete sich leicht. "Was ist mit ihr und dir gewesen, Credence?", fragte Newt drängend. "Sie.. Wir waren sehr gute Freunde, bevor sie.. starb. Ich.." Seine Augen füllten sich mit Tränen. "Credence?" Tina war nun besorgt. "Ihr wisst doch bestimmt von der berühmten Auseinandersetzung zwischen Albus, Gellert und seiner Familie, weil er sich ihrer Meinung nach nicht mehr genug um seine kleine Schwester gekümmert hatte, nachdem er so viel zeit mit Grindelwald verbracht hatte. Es.. Ich- Ich war auch da. Unabsichtlich, ehrlich. Ich wollte sie verteidigen, aber meine Kräfte waren genauso unkontrolliert wie ihre. Das war das, was uns zusammengeschweißt hatte. Wir hatten eine beruhigende Wirkung aufeinander, a-aber dann.. schoss eine Kraft aus mir heraus und.." Er stockte und schluckte. "..hat sie getötet."

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Endlich ein weiterer Teil. Das kreative Tief hat mich voll und ganz erwischt. Ich werde zukünftig einfach keine Versprechen mehr bezogen auf irgendwelche Updates machen. Genießt es einfach, wenn wieder etwas kommt. ;)

Awkward Love🦎⚡ - Newtina Fanfiction [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt