3. Haldir's freier Tag

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Haldir´s Sicht
Als am Morgen die Sonnenstrahlen durch mein Fenster krochen, drehte ich mich noch einmal um und schlief an meinem freien Tag weiter aus. Die Strapazen mit Arien und der Posten als Hauptmann machten wir im Moment sehr zu schaffen. Da konnte ich es mir leisten an meinem freien Tag auch einmal auszuschlafen.

Etwas später als die Sonne schon einen höheren Punkt am Himmel erreicht hatte, wachte ich schließlich ganz auf. In den letzten Tagen hatte Arien während meiner Dienstzeit auch mein Zimmer gesäubert, worüber ich insgeheim sehr froh war.
Langsam stand ich auf und gähnte herzhaft. Kurz lauschte ich und wie immer herrschte Stille. Nur ganz leicht konnte ich das umblättern eines Buches vernehmen und die noch leiseren Atemzüge von Arien. So langsam machte ich mir ernsthafte Sorgen um die Frau. Sie war jetzt schon mehrere Tage bei mir und bis jetzt hatte ich noch nichts erreicht, außer die Wahrheit zu wissen. Und auch bis jetzt hatte sie bei mir noch nichts gegessen, dabei hatte ich alles versucht. Doch mein gutes zureden erreichte nichts, außer Kopf schütteln.
Nachdem ich fertig angezogen war, machte ich mir einen Tee und setzte mich auf die Terrasse.
Heute zogen vereinzelte Wölkchen über Lorien umher, sonst war es ein wunderschöner Tag. Nicht zu heiß, aber auch nicht zu frisch.
Der Wind wehte durch meine blonden Haare und versperrte mir die vereinzelt die Sicht.
Ein leises „Guten Morgen“ holte mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und sah Arien die in der Terrassentür stand. „Guten Morgen.“, erwiderte ich lächelnd. Bis auf die abgemagerte Figur fand ich Arien wunderschön. Ihre hüftlanges blondes Haar umrahmte ihr schmales Gesicht und ihre blauen Augen schauten achtsam umher.
Doch beim genaueren betrachten ihrer Augen fiel mir sofort auf das sie etwas verbargen. Angst, Angst vor dem Schmerz, Schmerz der einen Elben zu Grunde führen konnte und in den tiefen ihrer Seele ging sie zu Grunde. Sie war wie ein Stern, ein Stern der langsam keine Kraft mehr hatte zu leuchten, ein Stern der an Schmerz zerbrach, ein Stern der vor dem Untergang stand, ein Stern der nur durch Selbstvertrauen und Vertrauen zu anderen wieder Kraft hat zu leuchten.
Während ich Arien anschaute, senkte diese den Blick. Ich tauchte aus meinen Gedanken wieder auf und drehte mich um.  Die Elbin blieb stehen und starrte weiter auf den Boden.
Ich klopfte mit meiner Hand neben mich und nach kurzem zögern, setzte sich die Elbin neben mich.  
Ich schaute wieder in den Wald und vernahm die leisen Atemzüge der Frau neben mir. Auch sie schaute in den goldenen Wald.
„Ward ihr schon einmal früher in Lothlorien?“, brach ich das Schweigen.
„Bis jetzt noch nie.“
„Und wie findet ihr es hier?“
„Es ist wunderschön, aber man sollte nicht versuchen die Schönheit dieses Ortes in Worte zufassen. Niemand würde es schaffen.“
„Da habt ihr recht. Und wie ist es im Düsterwald, dort war ich auch noch nicht.“
„Wie der Name schon sagt, dort ist es düster. Und das aus verschiedenen Faktoren.“
„Das ist eine wirklich tolle Beschreibung.“, murmelte ich leise.
„Ich bin eben nicht wie mein Bruder der jetzt anfangen würde über sein zu Hause schwärmen.“, meinte Arien schlicht.
„Wusste euer Bruder davon?“ , fragte ich und deute auf ihren Arm.
Arien schüttelte den Kopf: „Ich wollte ihn nicht noch mehr belasten.“
„Noch mehr?“
„Er wird von unserem Vater unter Druck gesetzt. Noch dazu behandelt er ihn nicht wie einen Sohn ,sondern wie einen Gegenstand der immer mehr aufgehalst bekommt. Das Legolas noch lange im Düsterwald bezweifle ich stark.“
„Für mich hört sich das so an als ob ihr glaubt das sich euer Vater nicht mehr ändert.“
„Ich glaube es nicht, ich weiß es.“
„Und warum?“
„Er hat zu viel verloren um sich zu ändern. Die Schuld schiebt er immer auf andere.  Er ist in sich selbst gefangen und erst wenn er alles verloren hat, wird er wieder klar sehen. Doch wenn es soweit ist, wird sich niemand mehr um ihn kümmern.“  
„Ihr werdet euch sicher nicht mehr um ihn kümmern.“
„Das könnte ich eh nicht.“
„Weil?“
„Warum wohl?“, erwiderte Arien und sah mich an. Perplex erwiderte ich den Blick.
„Ich bin kein kleines Kind, dass denkt das alles einmal wieder gut wird. Wie oft hörte ich schon den Satz 'Die macht es nicht mehr lange.´ Und wenn sich die Heiler umdrehen lächeln sie mich an und tun so, als wäre nichts gewesen. Wie oft hörte ich sie schon sagen  'Ihr wird es bald wieder besser gehen.´ Und geht es mir besser? Nein! Jeder der mich sieht, weiß sofort das ich trotz Unsterblichkeit sterben werde. Daran werdet ihr auch nichts mehr ändern können, Haldir.“, antwortete sie bitter.
Mein ganzer Körper zog sich bei ihren Worten zusammen und es war wie ein Stich in meinem Herzen. Das Arien so dachte, hatte ich nicht erwartet.
„Warum glaubt ihr, dass ich euch nicht helfen kann?“, versuchte ich selbstsicher zu sagen.
Doch Arien bemerkte meine Unsicherheit und antwortete: „Weil es so ist.“
Und damit erhob sie sich und verschwand in meiner Hütte.
Trotz des warmen Wetters überzog eine Gänsehaut meinen Körper.  

Am Abend saß in meinem Zimmer und säuberte meine Waffen.
Seitdem Gespräch am Vormittag hatte ich Arien nicht mehr gesehen. Sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen und war nicht mehr hinaus gekommen.  Und seitdem herrschte Stille in der Hütte.  
Als meine Waffen gründlich gesäubert waren, legte ich sie weg und lehnte mich auf meinem Bett zurück.
Irgendwie musste ich es schaffen das Arien wieder gesund wurde, doch wie?
Während des überlegen´s fuhr meine Hand durch meine Haare und spielten mit einzelnen Strähnen.

Erschrocken blickte ich auf. Was war das?
Ich richtete mich auf und lauschte. Da schon wieder!
Elegant sprang ich aus meinem Bett und verließ mein Zimmer.
Ich folgte dem wimmern und öffnete schwungvoll Arien´s Tür.  Der Anblick der Elbin versetzte mich in eine Schockstarre.
Ihre sonst so schönen Haare klebten ihr an der Stirn und einzelne Schweißperlen liefen über ihr Gesicht. Sie zitterte am ganzen Körper und immer wieder verkrampfte sie sich stark. Und immer wieder verließen leise Schmerzensschreie ihre Lippen.
Vorsichtig ging ich an das Bett  und erst jetzt bemerkte die Elbin mich.
„Was ist passiert?“, fragte ich leise.
„Magenkrämpfe.“, presste sie hervor und augenblicklich verkrampfte sie sich wieder. Langsam trat ich neben das Bett und setzte mich auf die Bettkante. Arien nahm davon gar nichts wahr, sonder schnappte immer wieder nach Luft. Ich streckte meine Arme nach ihr aus und zog sie an den Schultern zu mir. Ich setzte sie auf mein Schoss und sie ließ erschöpft ihren Oberkörper gegen meinen sinken. Doch immer noch krümmte sie sich vor Schmerzen, dabei hatte sie ihre dünnen Arme um ihren Bauch geschlungen.
Mit leichtem Druck nahm ich ihre Arme weg und legte meine Hände auf ihren Bauch. Dort konnte ich ganz genau ihren rebellierenden Magen spüren und sehr vorsichtig massierte ich die verkrampften Stellen.
Arien war das ganze unangenehm und versuchte sich immer wieder aus meinen Armen zu kommen. Doch unnachgiebig hielt ich sie fest. Schließlich gab Arien auf und lag bewegungslos in meinen Armen.  Etwas später hatte sich ihr Magen dank meiner Massage beruhigt hatte und ich hörte sie flach atmen.
„Alles wieder in Ordnung?“, fragte ich leise.  Als Antwort liefen Tränen über ihr Gesicht und leicht schüttelte sie den Kopf: „Will nicht mehr ... kann nicht mehr … einfach sterben.“
„Ich werde euch so schnell nicht aufgeben.“, und zur Bestätigung drückte ich sie noch etwas fester an mich.
Nein, niemals würde ich Arien aufgeben.

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