Kapitel 3

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In meine wärmende Bettwäsche gewickelt und eigentlich noch ziemlich müde, werde ich mitten in der Nacht wach. Mein Kopf ist in meine Decke gekuschelt und auch sonst schaut keines meiner Körperteile unter dem Bezug heraus und doch fühle ich mich nicht wohl. Es ist ein Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Noch nie zuvor habe ich mich in meinem Raum nicht sicher und behütet gefühlt und doch kommt es mir in diesem Moment vor, als wäre ich nicht alleine. 

In der Stille meine ich jemanden atmen zu hören, kneife meine Augen jedoch fester zusammen, anstatt sie zu öffnen. Wenn sich jemand in meinem Zimmer befindet, dann soll diese Person sich nehmen, was sie möchte und dann einfach wieder verschwinden. 

Meine Finger krallen sich in meine Bettwäsche, als würde ich daran Halt suchen. 

Nach geraumer Zeit, in der nichts passiert ist, öffne ich mit zitterndem Körper dennoch meine Augen. Es dauert ein paar Sekunden, bis meine Augen sich scharf stellen, doch sobald ich sehen kann, fällt mir die Silhouette eines Mannes auf. Er steht vor meinem geöffneten Fenster und wird von dem hellen Mondschein beleuchtet. Er ist groß, hat ein breites Kreuz und monströse Arme. 

"Wer sind Sie und was sollen Sie?", frage ich, meine Stimme bebend vor Angst. Alles in meinem Körper schreit mich an, die Flucht zu ergreifen. Irgendwie aus meinem Zimmer zu kommen und bei der nächsten Person nach Hilfe zu fragen. Doch meine Gliedmaßen wollen nicht handeln - es fühlt sich an, als wäre ich mit einem unsichtbaren Seil an mein Bett gefesselt.

Mit großen Schritten, kommt die männliche Erscheinung auf mich zu und bleibt etwa einen halben Meter von mir entfernt. Jeder Versuch, nun zu flüchten, wäre inzwischen nutzlos.

"Du bist es.", spricht  er, ohne dabei meine Frage überhaupt in Augenschein zu nehmen. Seine Stimme klingt so dunkel und tief, als würde sie keinem Menschen gehören. Die Gefahr, die in ihr mitschwingt könnte vom Teufel selbst stammen, "Erinnerst du dich?"

Perplex, aber immer noch ängstlich, schüttle ich reflexartig meinen Kopf. Es passiert einfach aus purem Instinkt, obwohl ich nicht einmal weiß, wovon der Mann neben meinem Bett spricht. Sollte ich ihn kennen? Habe ich ihn zuvor schon einmal gesehen?

"Antworte!", dröhnt seine kräftige Stimme wütend, aber dennoch nicht laut durch mein Zimmer. Trotz des niedrigen Lautstärkepegels, fühlt es sich an, als hätte seine Stimme die Wände und meinen Körper zum Beben gebracht.

Mein lautes Schlucken übertönt sogar mein klopfendes Herz, bevor ich mit meiner wiedererlangten Stimme leise antworten kann: "Ich weiß nicht, was Sie meinen." Und diese Antwort entspricht der kompletten Wahrheit. Ich habe diesen Mann noch nie gesehen, denn wenn es so wäre, dann wüsste ich es. Sein ganzes Erscheinungsbild ist so einprägsam, dass sich jeder an eine Begegnung mit ihm erinnern würde.

"Vor ein paar Wochen. Mitten in der Nacht, in einem Wald.", spricht er zwei abgehackte Sätze, die keinerlei Emotionen zeigen. 

Auch wenn ich mir mehr als sicher bin, dass ich diesen Mann noch nie zuvor gesehen habe, weiß ich direkt, von welcher Nacht er spricht. Meinen Unfall. Mir wird ganz kalt, wenn ich daran denke, dass er lediglich meinen Unfall meinen kann. Seit dem habe ich schließlich keinen Wald mehr betreten. Und als könne er meine Gedanken lesen, kommt er einen Schritt näher.

Ich möchte in meinem Bett zurück schrecken, kann mich aber noch immer nicht bewegen. Ich beobachte, wie seine langen Finger nach dem Lichtschalter meiner Nachttischlampe greifen und sie schließlich das Zimmer in ein mildes Orange taucht. Ich nutze die Möglichkeit direkt, um mir den Mann genauer anzusehen: Er hat markante Gesichtszüge, rabenschwarzes Haar und einen leichten Dreitagebart am Kinn. Seine ausdrucksstarken, blauen Augen leuchten mir durch das gedimmte Licht entgegen. 

CyrianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt