Kapitel 14

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Sofia verschwindet nach dieser sonderbaren Unterhaltung so schnell aus meinem Zimmer, dass ich Schwierigkeiten habe, sie einzuholen.

Sobald ich jedoch im Gleichschritt neben ihr her trotte, lässt sie keine weitere Sekunde verstreichen, ehe sie mit mir spricht: "Sag mal, was hast du gestern eigentlich so gemacht?" Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, da das Treffen mit Cyrian das einzig spannende des gestrigen Tages gewesen ist.

Bevor ich jedoch dazu komme, ihr erneut zu verheimlichen, dass ich mich mit einem wirklich charmanten Gestaltenwandler treffe, taucht Gabe in einem Seitengang auf und schließt sich uns an. Mit einem breiten Grinsen grüßt er mich, blickt aber gleich darauf etwas verunsichert zu Sofia herüber.

"Hey Gabe", begrüße auch ich ihn, froh darüber, dass es plötzlich aufgetaucht ist, "Wie geht es dir?"

Gabe jedoch scheint nicht einmal auf meine Worte zu hören, sondern kann seinen Blick nicht mehr von Sofia reißen. Sie hingegen schaut sehr betrübt und unsicher drein - als wüsste sie nicht, was sie sagen soll.

Kurzentschlossen erhebe ich erneut meine Stimme: "Ich lass euch mal allein.", und wende mich mit einemkurzen Winken von meinen beiden Freunden ab. Die Zeit für sich ist wohl momentan das, was sie wirklich brauchen; und wer weiß, vielleicht geh die Verkupplungsgeschichte doch schneller, als erwartet.

Seufzend lasse ich mich auf meinem Stammplatz im Saal fallen. Die Sitze rechts und links neben mir bleiben leer. Gabe und Sofia tauchen nicht direkt auf, was bedeutet, dass die beiden tatsächlich mit einander sprechen. Hoffentlich entschuldigt Sofia sich bei ihm.

Mit dem Handy in meiner Hand, bemerke ich erst nach ein paar Sekunden, dass mir jemand auf die Schulter tippt, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Fragend, doch freundlich, wende ich mich zu der Person um.

"Hey du", lacht mich ein sympathisch ausschauender junger Mann an, der mir zuvor noch nie in diesem Unterricht aufgefallen ist.

"Hi", gebe ich grinsend zurück.

Im Augenwinkel kann ich sehen, wie der Junge neben meinem Gegenüber sich ebenfalls zu mir herum dreht und mich abschätzig mustert. Keine Sekunde später werden seine Augen groß wie Murmeln. Mit einer nichtssagenden Kopfbewegung in meine Richtung, tippt er seinem Freund auf die Schulter und lenkt diesen somit davon ab, das Gespräch mit mir weiter fort zu führen.

Fast eine Minute lang scheinen die Beiden einen stillen Krieg zu führen, bis beide mich plötzlich wieder anschauen und der Erste ein leises "Entschuldige, ich hatte ja keine Ahnung.", murmelt, bevor sich beide von ihren Plätzen erheben und eilig in eine andere Sitzreihe verschwinden. Keiner der beiden würdigt mir einen weiteren Blick.

Verwirrt blicke ich den beiden hinterher, wobei ich nicht einmal mitbekomme, wie meine beiden Freunde sich auf die für sie freigebliebenen Sitze fallen lassen.

Eilig lasse ich meinen Blick nach ein paar Sekunden von einem zum anderen wandern. Erleichtert atme ich auf, als ich bemerke, dass keiner von beiden traurig oder verletzt aussieht und ich dieses Mal wohl nicht Streitschlichter spielen muss.

"Und, machen wir heute Nachmittag etwas gemeinsam?", fragt Sofia, ohne mich vorher aufzuklären, wie denn das Gespräch zwischen ihr und Gabe gelaufen ist.

Verwundert über ihre Plumpheit, stottere ich etwas vor mich hin: "Na klar, können wir machen."

"Gut, dann ist das geklärt. Wir treffen uns nach der letzten Stunde in der Eingangshalle.", ein fröhliches Lächeln liegt auf ihren Lippen, das sich noch erweitert, als sie mein bejahendes Nicken vernimmt.

Noch immer das merkwürdige Verhalten von dem Unbekannten, von vor ein paar Minuten, im Kopf, wende ich meinen Blick schweigend zu unserem Professor, der unbemerkt bereits damit begonnen hat, ein paar mathematische Formeln an die Tafel zu kritzeln. Ein Blick reicht aus, um mir klar zu machen, dass es sich dabei erneut lediglich um Wiederholungen der High School handelt.

Ohne, dass ich mit weitere Gedanken machen konnte, tippt mir erneut jemand auf die Schulter. Dieses Mal handelt es sich bei der Person jedoch um Gabe, dem ich einen kurzen Seitenblick zu werfe, ehe ich meinen Kopf wieder zu unserem Professor wende. In meinen größten Hoffnungen versteht Gabe dieses Geste so, dass ich gerade nicht reden, sondern aufpassen möchte, doch Gabes folgende Worte zeigen mir, dass es nicht so ist: "Dort hinten sitzen zweit Typen, die dich jetzt schon die ganze Zeit anstarren. Habe ich was verpasst?"

Ich friere in meiner Bewegung für ein paar Sekunden ein, bevor ich meinen besten Freund anblicke und mit den Schultern zucke. Gabe lässt sich daraufhin lediglich in seinen Stuhl zurück fallen und blickt mich düster an. Dann imitiert er mich, indem er ebenfalls mit den Schultern zuckt. Keine Sekunde später wendet er sich wieder von mir ab und folgt dem Unterricht.

Schweren Herzens lasse ich meine Schultern sacken und starre nach vorne. Es schmerzt in der Brust, dass ich anfange, meine besten Freunde zu belügen, ohne, dass es überhaupt etwas mit Cyrian zu tun hat - soweit ich das beurteilen kann, sehen diese Kerle schließlich nicht aus, als wären die mit Cyrian befreundet.

Um mich von meinen Schuldgefühlen abzulenken, drehe ich mich in meinem Stuhl noch ein mal um und Blicke zu den beiden Jungs, die vor ein paar Minuten beinahe vor mir geflüchtet waren, nur um zu bemerken, dass Gabe Recht hatte; Sie blicken mich dringlichst an, wenden aber eilig ihre Köpfe nach unten, sobald sich unsere Blicke treffen.

Zwar versuche ich mich für den Rest der Stunde darauf zu konzentrieren, was sich im vorderen Teil des Saals abspielt, doch wird nach etwa einer halben Stunde klar, dass ich genauso gut hätte im Bett liegen bleiben können. Mein Kopf ist einfach zu überfüllt mit unbeantworteten Fragen, als dass ich mich gerade mich Mathe befassen könnte.

Scheinbar ist meine Abwesenheit auch nicht zu übergehen, dass Gabe tippt mir mehrmals auf die Schulter, um mir zu signalisieren, dass der Unterricht beendet und der Saal bereits fast leer ist.

"Geht es dir gut?", fragt mich mein bester Freund mit triefender Besorgtheit.

Ich zwinge mich zu einem halbherzigen Lächeln, dass mir ganz deutlich nicht abgenommen wird, doch Gabe scheint es dabei zu belassen. Jedenfalls fragt er nicht weiter nach meinem Wohlbefinden.

Sofia, Gabe und ich schleichen nebeneinander über den Flur, bis sich unsere Wege trennen und ich die beiden mit einem leisen "Tschau.", zurücklasse. In gewisser Weise bin ich froh, dass ich die nächsten Stunden nicht mit meinen Freunden verbringe, immerhin kann es so nicht dazu kommen, dass ich sie noch weitere Male anlügen muss. Andererseits beschützt mich das nicht davor, von weiteren Menschen angestarrt zu werden.

CyrianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt