Kapitel 12

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Die Augen weit geöffnet, den Blick an die Decke gerichtet und in Gedanken tief versunken, liege ich im Bett. Meine Hände habe ich über meiner Brust zusammen gefaltet, lasse jedoch ab und zu meine Finger ein bisschen hin und her wackeln, um sie vor dem Einschlafen zu bewahren.

Vor einer Stunde hat die Uhr auf meinem Handy bereits angezeigt, dass es drei Uhr nachts ist und noch immer liege ich wach. Das Geschehene schwebt mir im Kopf umher und scheint nicht stoppen zu wollen; doch eine Sache ist da, die jede andere überwiegt. Cyrian hat mir bereits vieles erklärt, worüber ich ihm dankbar bin, doch eines seiner letzten Worte ist es, was mich wach halt. "Luna" hat er zu mir gesagt, als würde mehr hinter dem Wort stecken.

Seit Stunden mache ich mir also schon Gedanken darüber, was dieses Wort bedeuten könnte. Ich bin mir sicher, dass es etwas mit der Werwolfs-Mythologie zu tun hat, doch auch das Internet auf meinem Handy konnte mir keine Antwort geben. Alles, was ich nun weiß ist, dass "Luna" auch "Mond" bedeutet - dass das etwas mit Cyrians Namensnennung zu tun hat, bezweifle ich jedoch sehr.

"Jetzt reichts.", flüstere ich zu mir selbst, ehe ich meine Beine aus dem Bett schwinge und mich nach einer kurzen Sekunde des Schwindels von meinem Bett erhebe, um aus meinem Kleiderschrank einen Pullover so wie eine dünne Leggings zu ziehen.

Mit diesem äußerst gemütlichen Outfit - wohl wissend, dass um diese Uhrzeit nur noch 1 % der hier ansässigen Studenten wach sind und mich somit niemand zu Gesicht bekommen wird, bewege ich mich über die schmalen Flure. Das Deckenlicht flackert bei meinen Bewegungen auf, was mich lediglich dazu bringt, leise zu fluchen und meine Augen zusammen zu kneifen.

Auf Zehnspitzen schleiche ich über die Teppiche, bis ich vor der schweren Tür stehe, die mich in die Bibliothek führt. Zu meinem Glück scheint sie tatsächlich Tag und Nacht geöffnet zu sein und somit schiebe ich mich durch einen kleinen Spalt, bevor ich die Tür wieder ins Schloss fallen lasse und mich bedächtig durch die mit Büchern gefüllten Reihen bewege.

Es ist gespenstisch, dass alles in der Nacht zu sehen, doch zu meinem Glück kann ich ausgezeichnet sehen. Augenblicklich ist mir klar, dass das etwas mit Cyrian und der Werwolfsverwandlung zu tun hat. So machen sich also jetzt die guten Seiten dieses anderen Lebens bemerkbar. Vielleicht werde ich mich doch schneller damit abfinden können, als ich erwartet hatte.

Wie ein Mantra flüstere ich immer wieder "Werwölfe" vor mich hin, während meine Finger sich über die alten Buchrücken bewegen. Jedoch ergebnislos.

Seufzend wende ich mich an die nächsten Regale, dieses mal mit dem direkten Fokus auf das Wort, dass mich nun schon die ganze Nacht wach hält. Und tatsächlich werde ich dieses Mal relativ schnell fündig und ziehe ein Buch aus der Reihe, nur um es für ein paar Sekunden durch zu blättern und wieder zurück zu stellen. Ein Satz, der sich auf den Seiten deutlich gemacht hat, reicht, um meine Gedanken erneut zum laufen zu bringen: "In der römischen Mythologie wird die Mondgöttin auch als Luna bezeichnet."

Zwar hatte ich auch zuvor schon gelesen, dass "Luna" und der Mond etwas mit einander zu tun haben, doch erst jetzt fällt der Groschen; Werwölfe heulen die Mond an. was ist, wenn es die Mondgöttin ist, zu der sie dabei sprechen? Hat Cyrian mich als Luna bezeichnet, weil nun auch ich zu einem Werwolf werde?

Die neuen Fragen, die sich in meinem Kopf gebildet haben, sind zwar nicht weniger nervenaufreibend, als die vorherige, doch dieses Mal weiß ich, dass Cyrian mir die Antwort darauf geben muss.

Ohne darauf zu achten, ob sich jemand auf dem Flur befindet, eile ich zu meinem Zimmer. Auch dieses Mal schaltet sich das Licht an, doch ich bin schnell genug in meinem Zimmer, um dem Lichtschein aus dem Weg zu gehen.

Dazu entschlossen, dass ich das Thema "Luna" nun fürs erste sein lassen werde, falle ich erneut auf mein Bett und starre ein wiederholtes Mal an die Decke. Um mich herum entsteht eine beruhigende Stimme, die lediglich für einen kurzen Moment von schnellen Schritten auf dem Flur und einer daraufhin zufallenden Tür durchrissen wird, ehe sie mich wieder in ihren Bann zieht.

Auch wenn ich aufhören möchte, an diese Sache zu denken, kann ich Cyrian nicht aus meinem Kopf verbannen. Dieser Gestaltenwandler hat es mir angetan und schon jetzt spüre ich, dass ich nur nach wenigen Stunden Trennung von ihm, langsam aber sicher traurig und schwach werde. Das was zwischen uns ist, ist eine Bindung, die man nicht auf menschlicher Basis erklären kann.

Um mich abzulenken stehe ich erneut auf und schlurfe in mein Badezimmer, um mein Gesicht mit frischem Wasser zu bespritzen und somit einen kühlen Kopf zu fassen; doch das genaue Gegenteil entsteht, denn das Mädchen, dass mich im Spiegelbild ansieht, scheine nicht mehr ich zu sein: Meine braunen Augen scheinen mehr zu strahlen als sonst, die Augenringe, die sonst die Müdigkeit in meinem Wesen nur noch deutlicher gemacht haben, sind komplett verschwunden und auch meine Haut ist frischer, gesünder und reiner. Verblüfft fahre ich bei der Erkenntnis durch meine Haare, nur um fest zu stellen, dass auch diese dicker und gesünder zu sein schein. Kein Haar fällt mir vom Kopf, wie es sonst oft passiert, nachdem ich für ein paar Stunden im Bett gelegen habe.

Mit dem Lippen leicht geöffnet, fahre ich immer wieder über mein Gesicht. Ich kann kaum glauben, dass ich das bin, die da vor mir steht.

Diese Veränderung muss etwas mit der Werwolf-Kraft zu tun haben, die dank Cyrians Biss nun in mir schlummert.

Zum ersten Mal wirklich zufrieden mit meinem sonst so verschlafenen Aussehen, schließe ich die Augen und eile zurück in mein Bett. Cyrian dabei immer in meinen Gedanken und seine menschliche, sowie wölfische Gestalt vor meinen Augen.

Ob ich wohl jemals wirklich verstehen werde, dass das, was zwischen uns ist, als Schicksal bezeichnet werden kann? Cyrian und ich scheinen seinen Worten zu folge für einander geschaffen zu sein - etwas, das man sonst nur in kitschigen Romanzen liest.

Mit einem Lächeln auf den Lippen, schaffe ich es schließlich, tatsächlich einzuschlafen, nur um von Cyrian zu träumen.

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Ein etwas kürzeres Kapitel, doch ich widme es mit Freude meiner liebsten Leserin MissBlackWitch.

CyrianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt