Kapitel 16

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"Das es nur ein Teil ist von dem, was ich besitze", erwiderte ich.

"Wie viel?", fragte er nachdrücklich.

Ich starrte ihn an, nicht gewillt mich wieder von ihm belehren zu lassen. Er starrte zurück. Sein dunkler Blick bohrte sich in meinen und forderte eine Antwort, die ich ihm nicht geben würde. Ich hatte gewusst, dass ich nicht mit so viel Geld auf der Straße rumlaufen sollte, aber es gab keine andere Möglichkeit. Ich musste es ja irgendwie mitnehmen.

"Schön", knurrte Zafer, "ich kann nicht mehr tun als dich zu warnen. Bist du sicher mir so viel Geld zu überlassen?"

Kurz war ich überrascht, dass er so schnell einlenkte. Ich nickte und er nahm den Beutel.

"Danke, auch im Namen der Kinder", sagte er ernst.

"Kein Problem", wehrte ich den Dank ab und fühlte mich schon fast ein bisschen schlecht, weil ich ihm nicht mein ganzes Geld gab.

Immerhin hatte ich im Palast alles was ich brauchte.

"Ich würde dich gerne etwas fragen", sagte ich zögerlich und holte die Karte der Stadt aus meiner Tasche.

Zafer sah interessiert auf. Ich breitete die Karte aus.

"Das ist die Stadt", stellte er sofort fest.

"Ja" Ich nickte.

"Ich würde gerne wissen, wo wir gerade sind."

Er trat näher zu mir und drehte die Karte in die richtige Position.

"Die Stadt ist von einer Stadtmauer umgeben. Es gibt drei Tore, die zur Stadt rein und raus führen. Das Haupttor liegt im Norden. Folgt man der Straße gelangt man ins Stadtzentrum, wo der Markt aufgebaut ist."

Zafer tippte auf die Stelle in der Mitte der Karte. Fasziniert betrachtete ich seine Hand. Braun gebrannt und etwas verschrammt, zeugte sie von harter Arbeit.

"Hier sind wir."

Er trat näher zu mir und tippte mit dem Finger auf ein Gebäude westlich der Stadt. Ich spürte seine Nähe überdeutlich. Es war mir nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Ein warmer Schauer lief mir über den Rücken. Ich schluckte und versuchte mich zu konzentrieren.

"Wo haben wir uns zum ersten Mal getroffen?", fragte ich weiter.

"In der Straße daneben."

Täuschte ich mich oder war seine Stimme rauer geworden. Ich sah ihn verstohlen an. Sein Blick lag eindeutig nicht auf der Karte. Er fing meinen Blick auf und hielt ihn fest. Er streckte eine Hand aus und strich mir eine Locke, die sich aus meiner Frisur gelöst haben musste zurück hinters Ohr. Aber anstatt seine Hand weg zu nehmen, ließ er sie in meinem Nacken liegen und zog mich näher zu sich. Ich hielt den Atem an und hob die Hand, um sein dunkles seidiges Haar zu berühren als es klopfte und die Tür aufging. Ich fuhr zurück. Zafer ließ mich nur widerwillig los. Meine Wangen glühten und ich sah verlegen zur Tür. Yasmina sah mich aus schmalen Augen an.

"Ich bin jetzt weg. Schaust du nachher nochmal nach den Kindern, die hier bleiben?", fragte sie an Zafer gewandt.

"Mach ich doch immer", sagte Zafer sanft, aber sein Blick lag immer noch auf mir.

Mir wurde warm.

"Gut, dann bis morgen", hörte ich Yasmina noch sagen, dann waren wir wieder allein.

Ich räusperte mich.

"Wie weit zieht sich denn das ärmere Viertel, wo Gebäude teilweise leer stehen?", unterbrach ich den seltsamen Moment und konzentrierte mich wieder auf meine Aufgabe.

Zafer sah mich eindringlich an.

"Wofür willst du diese unschöne Wahrheit eigentlich wissen?"

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

"Es interessiert mich."

Er ließ meine lahme Ausrede so stehen und zeigte es mir. Die Realität war ernüchternd. Das Viertel zog sich über ein riesiges Gebiet.

"Das wusste ich nicht", sagte ich erschüttert und ließ mich auf den nächst besten Stuhl fallen.

"Hey", Zafer sah mich beunruhigt an, "warum nimmt dich das so mit?"

Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich mich verantwortlich fühlte, weil meine Familie daran Schuld war, genauer gesagt mein Vater.

"Das ist doch schrecklich. Etliche Leute müssen in schlechten Verhältnissen deswegen leben."

Ich konnte nur erahnen wie es ihnen gehen musste.

"Es wird besser werden", sagte Zach.

Ich sah zweifelnd auf.

"Wie soll das gehen?"

"Vertrau mir, Mira. Ich tue was ich kann."

Er gab mit zwar keine richtige Antwort. Aber fürs erste ließ ich es darauf beruhen. Er hatte mein Interesse schließlich auch nicht hinterfragt. Ich trat zum Tisch und rollte die Karte ein, um etwas zu tun zu haben. Im Palast würde ich mir alles noch einmal ansehen und versuchen eine Lösung zu finden, auch wenn Zafer sich darum versuchte zu kümmern. Ich hätte eigentlich die Möglichkeit mehr auszurichten, vorausgesetzt ich würde meinen Vater überzeugen können. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn ich an das vor mir liegende Gespräch dachte. Zafer trat plötzlich neben mich und riss mich aus meinen Gedanken. Sanft aber bestimmt umfasste er mein Handgelenk. Sein prüfender Blick lag auf meiner Handinnenfläche. Sacht strich er mit seinem Daumen darüber.

"Es ist gut verheilt und fühlt sich nur noch ein bisschen rau an."

Das warme Gefühl von vorhin kehrte zurück und ließ meine Knie weich werden.

"Ja, die Salbe hat gut geholfen", sagte ich etwas zu spät.

Er sah auf. Sein Blick fiel auf den verdeckten blauen Fleck auf meiner Wange. Seine Hand die um mein Handgelenk geschlungen war, verkrampfte sich. Ich spürte den tiefen Zorn in ihm. Es war eigenartig, aber seine Wut besänftigte mein eigenes Gefühlschaos. Ich war immer noch tief enttäuscht von meinem Vater. Doch ich konnte wieder klar denken und war nicht mehr so verzweifelt. Ich legte ihm eine Hand auf die Wange und versuchte ihm den Trost zu spenden, welchen er mir auch gab. Zafer ließ zu, dass ich ihn auf diese Art berührte und trat näher zu mir.

"Ich akzeptiere deine Entscheidung, was geschehen ist für dich zu behalten", murmelte er, "aber sollte so etwas noch einmal passieren, komm zu mir. Ich würde es nicht ertragen, wenn du damit allein fertig werden musst."

Mein Herz klopfte wie wild. Zafer ahnte viel mehr als er eigentlich sollte.

"Versprochen", flüsterte ich und dachte daran, wie gut er mir tat, "ich werde zu dir kommen."

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