Kapitel 22

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"Yasmina?", fragte ich sie ungläubig.

Ich blinzelte, aber die Erscheinung blieb. Es war die Frau, welche mir Zafer bei den Kindern vorgestellt hatte.

"Ich dachte du bist die Tochter eines Adligen?", meinte ich mich zu erinnern.

Sie kniff die Augen zusammen.

"Und ich dachte du wärst nur eine Zofe?"

Erschrocken wurde mir bewusst, dass mein Versteckspiel aufgeflogen war.

"Nein, bin ich nicht", stimmte ich zu, "bitte sag Zafer nichts davon. Ich hatte meine Gründe ihm das zu verschweigen und würde ihm das gern selbst erzählen."

Bei meiner Bitte kniff sie nur die Augen zusammen.

"Steckst du in Schwierigkeiten?", fragte ich sie.

Ein anderer Grund fiel mir nicht ein, warum sie als Dienerin arbeiten musste. Bevor sie antworten konnte, wurden wir unterbrochen.

"Prinzessin Samira"

Ich drehte mich zu Prinz Djamal um.

"Würdet ihr mir den nächsten Tanz gewähren?"

"Natürlich, einen Moment, bitte."

Ich drehte mich wieder zu Yasmina um. Aber sie war verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Also wandte ich mich wieder zu Prinz Djamal und zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Er reichte mir die Hand und sah dabei aus als würde er alles lieber machen als mit mir den nächsten Tanz zu tanzen. Ich ließ mich von ihm auf die Tanzfläche führen. Als er steif anfing sich zu bewegen, konnte ich nicht länger den Mund halten.

"Warum habt ihr mich zum Tanzen aufgefordert, wenn ihr es nicht wollt?"

Er blickte auf mich hinunter und fluchte dann.

"Es liegt nicht an euch, Prinzessin. Mein Vater hat es mir befohlen. Ich hatte gehofft ihr würdet es nicht bemerken."

"Ihr seid ein schlechter Schauspieler", meinte ich und räusperte mich dann, "entschuldigt, dass sollte euch nicht kränken."

Er entspannte sich ein wenig. "Ihr habt ja recht", murmelte er.

Wir tanzten noch eine Weile unbehaglich.

"Ich will ehrlich zu euch sein", stieß er schließlich hervor.

Neugierig sah ich zu ihm auf.

"Mein Herz ist schon vergeben", gestand er.

"Es tut mir leid falls ich euch in eurer Ehre gekränkt habe", fügte er schnell hinzu.

"Ihr seid wunderschön und jeder andere Mann würde sich sicherlich geehrt fühlen..."

"Nein", unterbrach ich ihn, "das ist schon in Ordnung. Ehrlich gesagt, bin ich auch nicht mehr ganz so frei im Herzen."

Und das stimmte. All diese jungen Männer hier versuchten meine Aufmerksamkeit zu erregen. Einige waren klug und freundlich. Aber ich sehnte mich nach Zafer. In seinen Armen wollte ich tanzen, nicht in denen eines anderen. Prinz Djamal sah mich an. Seine harten, grimmigen Gesichtszüge entspannten sich ein wenig.

"Gut", meinte er nur.

Dann tanzten wir weiter und jetzt wo kein Zwang mehr darin lag, ging es sogar ganz gut. Meine Gedanken wanderten wieder zu Yasmina. Hätte ich mich nicht mit ihr unterhalten, wäre ich fast davon überzeugt gewesen mich getäuscht zu haben. Warum sollte sie hier als Dienerin arbeiten? Ich glitt in eine schwungvolle Drehung und landete dann wieder in Djamals Armen. Ob Zafer wusste, wo Yasmina arbeitete. Ich glaube nicht. Er würde ihr sofort helfen, sodass sie nicht in diese Situation gerraten wäre. Ein Knall riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich auf.

"Runter", rief Djamal und warf sich auf mich.

Erschrocken schrie ich auf. Über seine Schulter hinweg sah ich wie einer der Kronleuchter sich von der Decke löste. Menschen schrien auf und rannten panisch davon. Der schwere Kronleuchter zersplitterte auf dem Boden und begrub einige Menschen unter sich. Ich keuchte auf als Splitter und Scherben auf uns zuflogen. Ich spürte wie Djamal über mir zusammen zuckte. Ihn trafen die Splitter vor denen er mich beschützte. Es knallte wieder und ich realisierte, dass das Schüsse waren. Panisch warfen sich die Menschen auf den Boden. Wachen stürmten an ihnen vorbei. Sie hatten die Pistolen gezogen und erwiderten des Feuer. Einige mutige Adlige standen auf und stürmten aus dem Ballsaal. Ich sah wie einer von ihnen getroffen wurde und zu Boden sank. Die Kugel war wie aus dem Nichts gekommen. In seinem Kopf klaffte ein blutiges Loch. Er hatte nicht einmal die Chance gehabt zu schreien.

"Djamal?", keuchte ich und versuchte zu flüstern.

Eigentlich war es unnötig. Die Schüsse übertönten jedes Gespräch. Es war die Hölle nicht zu wissen auf wen geschossen wurde. Er spannte sich an und ich wusste, dass er mich gehört hatte.

"Wir müssen zur Wand", fuhr ich leise vor.

"Zum Gemälde", murmelte ich.

Das riesige Bild mit Rahmen zeigte eine Festtagstafel mit allerlei Speisen darauf. Es war furchtbar hässlich, aber unsere beste Chance hier lebend rauszukommen. Djamal verlagerte sein Gewicht. Es knirschte als die Splitter von seinem Rücken rieselten. Ich hielt den Atem an. Die Wachen riefen sich über die Schüsse hinweg immer noch Befehle zu. Die Menschen am Boden stöhnten teilweise vor Angst und teilweise vor Schmerz auf. Die Geräusche verhinderten, dass wir gehört wurden. Ich wand mich unter Djamal hervor und fasste mit der einen Hand prompt in eine Glasscherbe. Ich biss mir auf die Wange, um nicht zu schreien.

Kriechend bewegten wir uns vorwärts. Ich hoffte wirklich, dass die Leibgarde des Königs ihn und meine Mutter in Sicherheit gebracht hatten und natürlich das sumanische Königspaaar. Ich hoffte, dass die Wachen nicht auf uns aufmerksam werden würden. Unsere Anonymmität bot dem Prinzen und mir gerade mehr Schutz vor den Attentätern als Wachen es gekonnt hätten. Wir erreichten die Wand mit dem Gemälde. Ich richtete mich ein wenig auf und griff hinter das Gemälde. Mit gerunzelter Stirn sah Prinz Djamal mir zu. Ich erfühlte das Tastenfeld und begann zu tippen. Sobald ich fertig war, öffnete sich ohne Vorwarnung eine kleine Tür im Gemälde. Vorher war sie nicht dagewesen. Djamal zuckte vor Schreck zurück. Ich bedeutete ihm reinzugehen. Er nickte und kletterte zurück.

Ich wollte ihm gerade folgen als ein Wimmern mich umdrehen ließ. Unter dem Banketttisch bewegte sich jemand. Ein Dienstmädchen hob das Tischtuch und sah direkt in meine Richtung. Hinter ihr sah ich noch eins sitzen. Es hielt sich das Bein. Ich sah zu Djamal der sich gerade umdrehte.

"Ich bin gleich wieder da", sagte ich und bevor er protestieren konnte, drückte ich eine Taste hinter dem Gemälde.

Die Tür schloss sich mit einem Rumpeln. Djamal würde nicht sofort wissen wie er sich aufbekommen würde. Auf allen vieren kroch ich zu den Mädchen und hoffte, dass meine Entscheidung die richtige gewesen war.

Royal Goldene MauernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt