Kapitel 17

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Zafer schaute noch nach den Kindern, die im ersten Stockwerk untergebracht waren. Die Zimmer waren behelfsmäßig mit Decken ausgestattet. Aber der Boden war sauber und die Kinder schienen glücklich zu sein, eine Bleibe gefunden zu haben.

"Warum seid ihr nicht schon längst überfüllt?", fragte ich ihn.

Wenn es so viele Straßenkinder gab, warum kamen sie dann nicht hier her.

"Wir haben hier einige Regeln aufgestellt. Es sind nicht viele. Aber wir dulden keine Gewalt und wer hier schläft, muss auch an einigen Unterrichtsstunden teilnehmen. Die Kinder auf der Straße sind nicht an Regeln gewöhnt. Die meisten sind misstrauisch und wollen ihre Freiheit nicht aufgeben."

Das verstand ich. Auch ich war an Pflichten und Regeln gebunden, die ich neben meinen Privilegien besaß. Zusammen gingen wir nach draußen. Es dämmerte schon. Als Zafer keine Anstalten machte sich zu verabschieden, wurde ich nervös.

"Na dann", ich räusperte mich, "auf wiedersehen."

Bevor ich mich abwenden konnte, hatte Zafer meine Hand genommen und zog mich zu sich.

"Wirst du mir eines Tages erlauben dich nach Hause zu begleiten?", fragte er mit sanfter Stimme.

Ich sah auf. Sein Blick traf auf meinen.

"Vielleicht", flüsterte ich, "aber nicht heute."

Er seufzte, schien aber nicht nachtragend zu sein.

"Tust du mir einen Gefallen?", fragte er murmelnd.

Ich horchte auf.

"Was denn?"

Ernst sah er mich an.

"Bitte geh nicht auf den Ball der Prinzessin."

Erschrocken trat ich zurück.

"Woher weißt du, dass ich hingehen werde?"

Er sah mich an und lächelte leicht.

"Ich weiß doch, dass du nicht die bist für die du dich ausgibst."

Ich war etwas nervös. Aber das ich kein Dienstmädchen war, hatte er ja schon heraus bekommen.

"Wirst du da sein?", fragte ich.

Denn alle adligen und wichtigen Personen hatten eine Einladung bekommen. Dazu würde auch Harun zählen. Zu meiner Enttäuschung schüttelte Zafer den Kopf. Dann schalte ich mich selber. Ich hätte sowieso nicht mit ihm sprechen können, wenn ich nicht wollte, dass er erfuhr, wer ich war.

"Warum soll ich nicht hingehen?"

Er trat wieder näher zu mir. Für einen Moment war es still zwischen uns. Ich machte mir schon Sorgen und überlegte fieberhaft, was der Grund für seine merkwürdige Bitte sein könnte.

"Nicht, dass du beim Tanzen mit den ganzen adligen Söhnen mich vergisst", antwortete er schließlich.

Ich atmete erleichtert auf und ein nervöses Lachen entfuhr mir.

"Bestimmt nicht", versicherte ich ihm.

Kurz sah er aus als wollte er noch was sagen. Stattdessen legte er seine Hände um mein Gesicht, beugte sich vor und küsste mich. Alle Gedanken waren wie weg geweht. Ich konnte nur kurz erschrocken nach Luft schnappen. Eigentlich sollte ich ihn weg stoßen und mich aufregen. Doch mein Widerstand schmolz bei seinem fordernden Kuss dahin und ich gab ihm was er verlangte. Meine Hände fuhren durch sein Haar. Wie kühle Seide rann es durch meine Finger. Mir wurde warm und in meinem Bauch kribbelte es. Ich war kurz davor alle Hemmungen zu verlieren. Aber der Moment wurde unterbrochen als ich mich von Zafer löste, um nach Luft zu schnappen. Er sah mich an und ein Lächeln lag auf seinen Lippen, das meine Knie weich wurden. Entweder hatte er mich an sich gezogen oder ich hatte mich an ihn gedrängt. Auf jeden Fall hatte er die Arme um mich gelegt und drückte mich an sich. Ich spürte die Wärme, die von ihm ausging. Er war so groß, dass ich mich schon fast klein fühlte. Obwohl ich nun wirklich nicht klein war. Während ich keuchte als wäre ich um mein Leben gerannt und meine Wangen rot waren, atmete Zafer nicht einmal schneller. Nur sein Haar war etwas zerwühlt. Ich trat zurück. Zafers Arme öffneten sich nur widerwillig. Als wollte er mich nicht loslassen.

"Ich muss los", murmelte ich immer noch etwas atemlos.

Mein Verstand meldete sich wieder und mir schoss das Blut in die Wangen als ich realisierte, dass wir uns offen auf der Straße geküsst hatten. Ich sah mich verstohlen um und war erleichtert als ich niemanden sah. Zafer kommentierte mein Verhalten mit einem belustigtem Lächeln.

"Nicht lustig", grummelte ich und musste dann über mich selbst lachen.

Es war ein bisschen zu spät um verlegen zu sein.

"Na dann, wir sehen uns", sagte ich.

Bevor mich der Mut verließ, trat ich zu ihm, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Ich hoffte diese Geste zeigte ihm, was ich mich nicht zu sagen traute. Dann drehte ich mich um und eilte davon ohne ihn noch einmal anzusehen. Für heute reichte es mir eindeutig an herzklopfenden Ereignissen. Bei der Erinnerung an seinen Kuss musste ich lächeln. Mit einem guten Gefühl machte ich mich auf den Weg zum Palast.

Dort angekommen schlich ich sofort auf mein Zimmer. Sobald ich dort war, versteckte ich die Karte und das Geld im Geheimfach. Dann klingelte ich nach Djana. Noch einmal würde ich mich nicht vor dem Abendmahl drücken können. Die Tür wurde geöffnet. Ich drehte mich um in der Erwartung Djana zu sehen. Stattdessen stand ich meinem Vater gegenüber. Ich erstarrte vor Schreck. Er war offenbar auch überrascht. Sein Blick verdunkelte sich als er mich von oben bis unten musterte. Mit Grauen wurde mir bewusst, dass ich immer noch das Kleid von Djana trug.

"Was soll dieser Aufzug?", fragte er mir gefährlich ruhiger Stimme.

"I-ich..." Meine Stimme stockte.

Die Miene meines Vaters war kälter als Eis. Er trat auf mich zu. Mein erster Impuls war zurück zu weichen. Aber ich blieb stehen und straffte die Schultern. Da ich keine Erklärung für die Kleidung hatte sah ich ihn einfach nur an und schwieg. Das schien die denkbar schlechteste Entscheidung.

"Wachen"

Auf seinen Ruf hin betraten zwei Männer den Raum.

"Durchsucht das Zimmer."

Sofort begannen sie Schranktüren auf und Schubladen raus zu reißen.

"Was macht ihr denn da? Aufhören", rief ich und das nicht nur, weil der Schmuck und meine Kleidung achtlos auf den Boden geworfen wurde.

Ich hatte Angst, dass sie das Geheimfach finden würden. Ich lief zu ihnen und riss dem einen Wachmann meine Schmuckschachtel aus der Hand bevor er sie auch auf den Boden werfen konnte.

"Raus, sofort!"

Meine Stimme zitterte ein wenig, aber ich stellte mich entschlossen vor ihn. Wenn ich mein Geheimnis wahren wollte, musste ich sie irgendwie aufhalten.

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