Hilfe, ich bekomme ein Mongo-Kind!

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Kommentar zum Bluttest auf Trisonomie 21. Dieser Text stellt lediglich die Meinung des Autors dar.


Nun ist es auch Deutschland soweit: Neben Homöopathischen Präparaten kann man sich ab Ende 2020 den Bluttest auf Trisonomie 21 beim Fetus auf Kosten der Krankenkasse gönnen.

[Quelle: Tagesschau.de]

Aber was ist Trisonomie 21 eigentlich? Eine Krankheit? Nein! Trisonomie 21 beschreibt lediglich den Zustand, wenn eine Körperzelle drei Exemplare des Chromosomes 21 besitzt statt der üblichen zwei. Mehr per se nicht.

Hat jedoch bereits die befruchtete Eizelle Trisonomie 21 und folglich alle Körperzellen des  entstehenden Menschen, kommt es zum sogenannten Down-Syndrom.

Und was ist dieses "Down-Syndrom"? Eine Krankheit? Ja.

Hier einige Fakten: [Quelle: Zschoke, Rudnik: Humangenetik]

- 80% der Menschen mit Down-Syndrom versterben vor der Geburt

- Häufigkeit: 1 von 650 Geburten, bei Müttern > 40a häufiger

- Diagnose: 

+ verdickte Nackenfalte im Ultraschall

+ veränderte Blutwerte der Mutter (zB atypischer ß-HCG-Verlauf)

+ Nachweis von Trisonomie 21 in fetalen Zellen (entweder über Nadel direkt aus dem Fetus oder aus dem Blut der Mutter)

+ typisches Gesicht beim Baby

- Symptome: 

+ kleines Baby mit schwachen Muskeln und typischem Gesicht

+ schwere, operationspflichtige Fehlbildungen von Herz (45%) oder Darm (17%)

+ verzögerte Entwicklung, verminderte Intelligenz

+ bei Männern: meist Unfruchtbarkeit

+ freundliches und fröhliches Verhalten

- Komplikationen: 

+ Taubheit (bis zu 75%)

+ Schilddrüsenunterfunktion (30%)

+ Leukämie (1%)

+ Morbus Alzheimer (75%)

- Prognose: medianes Todesalter 49 Jahre, aber Lebenserwartung steigt

- Genetik:

+ meist maternale Trisonomie 21, seltener paternale

+ evtl Robertson-Translokation

+ evtl Mosaik, dh nicht alle Körperzellen haben Trisonomie 21


Soviel zu den medizinischen Fakten.

Es lässt sich aber herauslesen, dass die Patienten doch sehr unter der Klinik leiden können.

Daher scheint doch die vorgeburtliche Testung sinnvoll. Diese läuft etwa so ab:

Der Gynäkologe stellt fest, dass einige Blutwerte der Schwangeren merkwürdig ansteigen, zudem hat der Fetus im Routine-Ultraschall eine verdickte Nackenfalte. Er stellt daher den Verdacht eines Morbus Down und überweist die Schwangere in eine Fachklinik. Sie hat jetzt aktuell drei Möglichkeiten:

1. Das Ganze ignorieren und sich weiter auf das Baby freuen.

2. Eine Nadelbiopsie abnehmen lassen, bei dem mit einer Spritze durch den Bauch gestochen wird und etwas vom fetalen Gewebe rausgeholt wird, das anschließend untersucht wird. Dies wird der Schwangeren von der Kasse bezahlt. Nachteil ist, dass in etwa 1% der Fetus in FOlge stirbt.

3. Sie lässt sich Blut abnehmen, um die darin rumschwimmenden fetalen Zellen untersuchen zu lassen. Das ist sicher für den Fetus, aber aktuell zahlt's die Kasse nicht. #Zweiklassenmedizin

Unter diesen Gesichtspunkten ist es natürlich logisch, dass der Bluttest nun auch von den Kassen bezahlt werden soll. Darüber braucht man nicht diskutieren. 

Interessanter ist jedoch die Frage: Braucht es diesen Test den überhaupt?

Unter Ärzten gilt die Regel: Wenn ein Test deine Therapie-Entscheidung unabhängig vom Ergebnis nicht beeinflusst, dann mach ihn lieber nicht.

Wenn sich die werdende Mutter folglich ohnehin auch über ein Baby mit Down-Syndrom freuen würden, ist der Test daher überflüssig.

Aber wenn sie es dann abtreiben möchte???

Dann hat der Test klinische Konsequenz. Wenn die Mutter also wert darauf legen würde, dass ihr Kind mit Down-Syndrom mit Medikamenten, die man normalerweise zur Zerstörung von Krebszellen oder fehlprogrammierten weißen Blutkörperchen verwendet, umbringen lassen will oder dass man bei ihr vorzeitige Wehen auslöst, damit das Baby schon in der 20 Woche kommt und folglich gleich nach der Geburt wieder zu seinem Schöpfer zurückkehrt, dann wäre der Test durchaus angebracht.

Vorausgesetzt natürlich, sie findet tatsächlich eine Gynäkologen, der es über's Herz bringt, diese Prozedur auszuführen.

Aber nicht nur die Abtreibung selbst stellt ein moralisches Problem dar. Die andere Frage ist doch, ob der Bluttest wirklich sicher ist.

Folgende Szenarien wären denkbar:

- Der Test verläuft nach Lehrbuch und es gibt ein korrektes Ergebnis.

- Der Laborant verwechselt zwei Blutproben.

- Der Laborant vertippt sich beim Eintragen der Ergebnisse.

- Die fetalen Zellen weisen ein Mosaik auf und es werden nur gesunde (oder nur kranke) Zellen untersucht.

- Das Messgerät ist defekt/falsch geeicht/wurde nicht gut gespült.

- Der Laborant fälscht absichtlich das Ergebnis.

Ein Gynäkologe hat mir einmal erzählt, dass er einige Male sein eigenes Blut als Schwangerenblut ausgegeben und testen lassen hat. Mit sehr fragwürdigen Ergebnissen....

Folglich kann man nicht zu 100% ausschließen, dass durch diesen Bluttest ein gesundes Baby als Down-Syndrom abgestempelt und anschließen umgebracht wird.


Ich grübelte lange darüber, wieso über dieses Thema eigentlich so lange diskutiert wird. Ist der gesellschaftliche Moralverlust wirklich schon so weit fortgeschritten, ein Kind mit einer, im Vergleich zu anderen Gendefekten wie beispielsweise dem Pätau-Syndrom (bedingt durch Trisonomie 13), eher milderen Erkrankung und oftmals sehr fröhlichem Charakter einfach abzutöten. 

Die medizinischen Argumente ergeben keinen Sinn. Nun gut, jedes zweite Kind mit Down-Syndrom hat ein schweres Herzvitium, aber Anfang des vergangenen Jahrhunderts gab es eine neue Erfindung, die sog. Herzchirurgie.

Schämen sich die Eltern etwa für ein solches Kind? Hoffentlich nicht...

Unter guter Förderung kann sich ein Kind mit Down-Syndrom prächtig entwickeln. Hier einige berühmte Menschen mit dieser Erkrankung:

- Madeline Stuart (Model)

- Bobby Brederlow (Preisträger Goldene Kamera und Bambi)

- Sujeet Desai (Musiker, spielt 7 Instrumente)

- Pablo Pineda (Lehrer, Psychologe, Moderator)

- Aya Iwamoto (japanische Anglizistin)

- Michael Johnson (Künstler)

- Tim Harris (Restaurant-Leiter)

- Dr. Karen Gaffney (Sportlerin)

- und viele weitere mehr


Doch mittlerweile ist mir klar geworden, dass wohl genau das der Knackpunkt ist. Ein solches Kind braucht eben viel mehr Aufmerksamkeit als ein "normales Kind". Und wenn man seinem Kind so viel Zeit geben muss, wo bleibt dann in unserer modernen Leistungsgesellschaft noch der Platz für die Karriere?

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