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Ich hatte gerade dem Officer von meinem morgen erzählt als ich Daria durch die große gläserne Eingangstür laufen sah. Sie sah wie immer fabelhaft aus außer, dass ihr die gestrige Nacht wohl etwas zugesetzt hatte. Oder war es das Verschlafen heute morgen? Ich war mir nicht ganz sicher, aber wenn man genauer hinsah, konnte man die leichten blauen Schatten unter ihren Augen sehen. Ich sollte sie am besten später noch einmal fragen wie die Nacht verlaufen war und an was sie sich noch erinnern konnte. Nur um auf Nummer sicher zu gehen.

"Sie haben das Opfer also schon mit dem Messer gefunden?", hackte der Officer nach und brachte mich damit aus meinen Gedanken. 

Er war ein etwas fülliger Mann mittleren Alters und befragte mich jetzt bestimmt schon seit einer halben Stunde ohne wirklich zu einem Ende zu kommen. Langsam hatte ich das Gefühl, dass er damit einfach nur Zeit schinden wollte um nicht noch anderes Personal befragen zu müssen.

"Ja, ich war davor noch bei unserer Empfangsdame Magda, sie können sie aber gerne noch einmal fragen, wenn..."

"Nein, nein", unterbrach mich der Officer wieder entschieden, "Wir haben Miss Elridge schon verhört, ihre Schilderungen sind deckungsgleich, aber...", er räusperte sich kurz, "Sagen sie Doc, konnte man da echt nichts mehr machen? Ich meine sie sind doch direkt danach gekommen, oder? Also nach der Tat meine ich?", fragte er leise.

Ich musste mir mein Lachen instinktiv verkneifen. Wie alt war dieser Mann denn? Und wie lange hatte er schon in seinem Beruf gearbeitet um so etwas nicht zu wissen? Wie einfältig konnte dieser Mann, denn sein? Mir war schon von Anfang an aufgefallen, dass man den Officer sehr gut an der Nase herumführen konnte. Für ihn war die Hauptsache, dass der Verdächtige schnell gefunden wurde und somit auch direkt schuldig sei. Schließlich war das ja mit deutlich weniger Arbeit verbunden als sich noch großartig viele Gedanken um mögliche andere Verdächtige oder sogar Tatmotive und dergleichen zu machen. 

Oh ja, Baltimore hatte wirklich den arbeitsamsten und zuverlässigsten Officer in ganz Maryland abbekommen. Ich setzte einen nachdenklichen und leicht mitleidigen Blick auf. Seufzend schüttelte ich den Kopf.

"Leider nein. Da war nichts mehr zu machen. Sie ist einfach verblutet", erklärte ich leise. 

Der Officer nickte nachdenklich und notierte sich wieder etwas in sein Notizbuch. Es war schon leicht zerfleddert von den ganzen arbeitsreichen Tagen. 

"Ich denke, dann sind wir hier fertig. Sie können gehen", meinte er und stopfte das Notizbuch in seine blaue Jackentasche. 

"Danke, Officer", verabschiedete ich mich und machte mich so schnell wie es ging auf die Suche nach meiner Dascha. 

Sie hatte mich vorhin keines Blickes gewürdigt oder hatte sie mich vielleicht einfach übersehen? Ich ging an Magdas Arbeitsplatz vorbei um mir meine neue Akte zu holen. Wie nebenbei fragte ich die alte Dame nach Daria und ob sie schon da sei. Schließlich hatten wir die Patientenvisiten jetzt immer zusammen.

"Ach, das kleine Täubchen sah ganz verloren aus als sie hier rein kam! Erst hat sie heute verschlafen und dann jetzt auch noch dieser schlimme Vorfall mit Jack! Das muss ihr alles zugesetzt haben...und nur mal so unter uns", sie kam mir verschwörerisch näher, "Dieser Jack hatte schon länger ein Auge auf sie geworfen und das setzt ihr bestimmt auch zu. Sie ist direkt zu Dr. Chester gegangen", beendete Magda ihren Plausch und fing weiter damit an die Akten zu sortieren.

Dr. Chester also...dieser alte Mann hatte mir noch gefehlt. Ich konnte ihn nicht wirklich leiden und das schien wohl auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Noch dazu wäre das jetzt meine perfekte Möglichkeit gewesen Daria weiter um meinen Finger zu wickeln so lange sie noch so zerbrechlich war. Und ich wusste es eigentlich schon zu diesem Zeitpunkt: Es würde nicht mehr lange dauern. 

Ich verabschiedete mich von Magda und überlegte fieberhaft nach einer Möglichkeit in Dr. Chesters Büro herein zu platzen. Ich musste sie jetzt endlich sehen. Jede einzelne meiner Zellen schrie nach Daria und weiteren Küssen und Berührungen von ihr. Ich konnte die ganze Nacht nicht klar denken geschweige denn schlafen ohne mir auszumalen wie es denn wäre endlich mit ihr zu schlafen. Und sie an Stellen zu berühren, an denen...

"Dr. Lecter, ich habe sie gesucht!", rief die nervtötende Stimme von Maggie Jenkins. 

Ich schloss genervt die Augen und zog die Luft scharf zusammen. Diese Frau raubte mir wirklich den letzten Nerv. Sie versuchte jetzt bestimmt schon seit geschlagenen drei Wochen mich in ein Gespräch zu verwickeln. Dabei waren mir ihre anzüglichen Blicke und das natürlich unschuldige und überhaupt nicht geplante Hervorstrecken ihrer Brust schon beim ersten Gespräch aufgefallen. Mir war es wirklich ein Rätsel wie sich eine Frau selbst auf so eine niedrige Stufe stellen konnte. Hatte sie denn wirklich jeden Stolz vor sich selbst verloren?

"Ach wirklich?", fragte ich scharf.

"Ja", "Dr. Chester hat mich gerade informiert, dass Daria heute nicht mehr arbeiten wird. Ich werde also demnächst die Patientenvisiten mit ihnen machen", teilte sie mir freudestrahlend mit.

Daria konnte heute nicht arbeiten? Hatte ihr das alles wirklich so zugesetzt? Ich musste unbedingt zu ihr und verhindern, dass Dr. Chester sie noch mehr von mir abkapselt. Vielleicht sollte ich heute noch einen Abstecher zu ihr machen nach der Arbeit. Vielleicht mit etwas selbstgemachtem?

"Dr. Lecter?", zwitscherte sie.

"Ja", entgegnete ich barsch und griff nach der Akte, die sie in der Hand hielt. Hoffentlich würde dieser Tag schnell enden.



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A monster like meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt