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"Nein, eher eine Warnung"

Noch immer hallten mir James Worte im Kopf und ich schleppte mich völlig teilnahmslos durch die große Glastür in das Krankenhaus Gebäude. Ich konnte so nicht arbeiten. Innerlich zerfraß mich mein Albtraum und die Tatsache, dass hier vor kurzem ein Mord stattgefunden hatte. Und das allem Anschein nach wegen mir. Es klang alles so logisch, wenn man weiter darüber nachdachte. Jake hatte den Vorfall zwischen mir und Mrs. Duckson mitbekommen und sie dann aus Rache getötet. Oder vielleicht mir zu Liebe? 

Ich schluckte. Ich spürte wie mir wieder mulmig wurde und mein Magen sich umdrehte bei diesem Gedanken. Es war ekelhaft. Ohne großartig auf die Menschen im Krankenhaus zu achten lief ich zu den Fahrstühlen und drückte auf den Knopf. Ich musste zu Dr. Chester. Ich musste mit ihm reden. Er war wie ein Vater für mich. Als meine Großmutter damals starb, fiel ich in ein tiefes Loch und genau jetzt in diesem Moment fühlte es sich wieder so an. 

Ich wollte nicht zu einer Therapie. Es war mir schon damals schwer gefallen mich jemandem zu öffnen und all die Dinge laut auszusprechen. Die Dinge, die passiert waren und mich zum Teil nachts nicht schlafen ließen. Die Fahrstuhltür öffnete sich und einer der Krankenpfleger trat heraus. Ich nickte ihm kurz zu und ging so schnell wie möglich herein um den Türschließ-Knopf zu drücken. Ich wollte alleine fahren.

Wie sollte ich jetzt anfangen? Was sollte ich ihm bloß sagen? Dass ich Angst habe? Er würde mich direkt nach Hause schicken. Bestimmt für mindestens drei Wochen. Oder noch schlimmer: Er würde mir wieder eine Therapie anordnen. Ich erinnerte mich nicht gerne an die Zeit meiner Therapie. Es kam mir teilweise immer noch wie ein Fiebertraum vor. 

Der Fahrstuhl piepte kurz und die Tür öffnete sich. In Gedanken lief ich den langen Korridor entlang und klopfte verlegen an der Tür. Hoffentlich war er überhaupt da. Vielleicht hatte er auch eine Operation...

"Herein", rief die tiefe Stimme von innen. 

Unsicher machte ich die Tür auf und setzte mich auf den Stuhl vor Dr. Chesters Schreibtisch. Er sah mich sichtlich verwirrt an.

"Ist etwas passiert, Daria?",fragte er mich mit einem sorgenvollen Blick.

Ich sah ihn lange an. Ich saß einfach stillschweigend da und plötzlich spürte ich wie etwas in mir zerbrach. Die Tränen flossen nur so über meine Wangen und außer einem Schluchzen gepaart mit einem leisen Wimmern war nichts mehr von mir zuhören. Dr. Chester war aufgesprungen und sich direkt vor mir gekniet. Er redete auf mich ein, doch ich verstand nicht wirklich was er sagte. Ich spürte wie mein Herz immer schneller schlug. Ich bekam keine Luft mehr. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich Dr. Chester an. Dieser zögerte nicht lange und griff in seine weiße Jackentasche und zog eine schmale Metallnadel hervor. Ohne jegliche Vorwarnung spürte ich schon den Stich in meinem Arm und wie alles um mich herum verschwand. 

Ich wachte auf und sah mich um. Ich saß wieder in der alten mir sehr bekannten Küche. Der Küche meiner Kindheit. Die Tapete war hellbeige und an manchen Ecken etwas abgegangen, aber das war nicht so schlimm, denn im Sommer wollten meine Eltern die Küche wieder neu tapezieren. Der altbekannte Duft steig mir wieder in die Nase. Mama backte. Waren es Apfeltaschen?  Ich stand langsam auf und schaute au dem Fenster. Die Sonne schien und ich konnte unseren alten Hof erkennen.

Die Hunde, die frei umher liefen, die Frauen, die zähneknirschend und Nüsse knackend auf der Bank saßen und die Kinder, welche einfach sorgenlos herumtobten. Ich wand mich wieder vom Fenster ab und blickte an die Wand, an der unser Foto hing. Wieso kam mir dieses Foto nur so bekannt vor? Wie als hätte ich es irgendwo gesehen...

"Daria?", rief jemand nach mir.

"Ja?", fragte ich und wunderte mich dabei, dass meine Stimme so hoch klang. 

Wieder hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Und wieder. Wie ein Echo erklang es in der kleinen Küche. Ich schaute mich unsicher um doch ich konnte niemanden erkennen. Vorsichtshalber ging ich nochmal zum Fenster doch auch von draußen schien mich niemand zu beachten. Ich ging weiter bis in das Wohnzimmer und  schaute mich um doch auch hier konnte ich niemanden sehen. Wo waren, denn alle?

Plötzlich hörte ich laute durcheinander geratene Rufe und Schreie. Vor Angst hielt ich mir die Ohren zu und musste mit Erschrecken feststellen, dass sich jetzt meine Sicht verdunkelte und meine Familie vor mir stand. 

Mein Vater

Meine Mutter

Mein Bruder

Meine Tante

Mein Cousin 

Meine Großmutter

Sie alle starrten mich mit einem hasserfüllten Blick an. Ich schaute wie aus einem Reflex auf meine Hände und bemerkte jetzt, dass sie komplett blutig waren. Ich schrie auf vor Angst bis mich etwas Hartes im Gesicht traf. Meine Mutter zeigte anklagend mit dem Finger auf mich:

"Du hast uns getötet", stieß sie kalt hervor.

Die Worte trafen mich wie ein Schlag, sodass ich unmittelbar auf dem Boden zusammen sackte. 

"Was hab ich?", flüsterte ich stotternd ohne den Sinn der Worte zu begreifen.

"Du bist der Grund wieso wir tot sind", stieß jetzt auch meine Großmutter hervor. 

Ich spürte die Tränen wieder über meine Wangen laufen. 

"Du bist schuld!", schrien sie jetzt immer lauter werdend. 

Ich hielt mir die Ohren zu und versuchte mir krampfhaft einzureden, dass das hier nicht die Realität war. Das war nur ein Traum. Einer der Gestalten packte mich etwas unsanft an der Schulter und begann mich zu schütteln. 

Du bist Schuld

Du bist Schuld

Du bist Schuld

Es wurde nicht besser und die Worte hallten in meinem Kopf weiter. 

"Ich wollte euch retten", wimmerte ich leise, "Wieso habt ihr mich verlassen?", weinte ich.

Wie ein Mantra wieder holte ich diesen Satz immer wieder und so lange bis die Gestalten sich wieder in das Dunkel begaben wo sie hergekommen waren. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und schluchzte laut auf. Wieso hatten sie mich nicht mitgenommen? Etwas packte meine Handgelenke und zog meine Hände von meinem Gesicht. Ich wehrte mich dagegen und zappelte wild um mich. Aus Wut und Verzweiflung schrie ich auf bis ich wieder einen Schlag in meinem Gesicht spürte. Langsam verblasste das Dunkel um mich herum und meine Sicht wurde wieder klar und traf direkt in ein tiefes braun, das rot umsprenkelt war.



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A monster like meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt