Kapitel XVI

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Als ich aufwachte war ich komplett verkrampft wenn man das denn so sagen konnte.
Wenigstens wusste ich jetzt, dass es nie, nie, niemals eine gute Idee wäre neben oder an einer Badewanne zu schlafen und so schnell würde ich es auch nicht wieder tun.
Ich hatte sowieso schon höllische Schmerzen aber jetzt war ich auch noch total verkrampft.
Perfekt. Einfach perfekt.
Ich hievte mich wieder hoch und stöhnte erstmal auf, vor Schmerzen.
Als ich mich im Spiegelbild sah, fiel ich vor Schock fast um!
Ich sah aus wie eine verdammte lebendige Leiche!
Ich stöhnte und das erste was ich tat war pinkeln zu gehen.
Irgendwann wird dir deine Offenheit noch zum Verhängnis werden.
Und wenn schon...
Jedenfalls versuchte ich mich dann zu duschen.
Was echt knifflig war.
Als ich fertig war, kümmerte ich mich noch mal um meine Wunden und dann war Abdecken angesagt! Niemand durfte den Mist sehen!
Oder zumindest wäre es vorteilhaft, da mir das Lügen wirklich auf die Nerven ging.
Ich hasste es angelogen zu werden, aber noch mehr hasste ich es, selbst zu lügen.
Lügen war das schlimmste was man einer geliebten Person antun konnte. Obwohl ich ja eigentlich keine geliebten Personen mehr hatte...

Etwa zehn Minuten später hatte ich um die zwölf Tonnen Concealer im Gesicht und man sah noch immer so manche Umrisse. Toll. Danke Papá! Nicht.
Als ich aus dem Badezimmer ging, erschrak ich bei der plötzlichen Unordnung in meinem Zimmer. Ich war wohl in letzter Zeit nicht dazu gekommen hier aufzuräumen und zu putzen.
Also räumte ich erstmal den ganzen Mist weg und packte dann meine Tasche für die wundervolle Schule...
Danach zog ich mir noch ein, aus frischen Klamotten bestehendes, Outfit an.
Dieses bestand aus einer Anzugshose, da ich kaum laufen konnte, und diese schön locker war, und dazu einem langärmliges Oberteil, welches ich reinsteckte.
Und um auf Nummer Sicher zu gehen und alles gut verdecken zu können, ließ ich meine Haare offen.
Ich zog mir einen kuschligen, warmen und fetten Mantel an und dazu trug ich einen fetten Schal und weiße Sneaker.
Zusammen mit meiner Tasche, machte ich mich auf den Weg nach unten und stieg in mein geliebtes Auto ein, sobald ich das Haus—oder eher die Villa—verlassen hatte.
Heute war ich pünktlich. Nicht zu früh, nicht zu spät.
Ein Wunder...

Nachdem ich meinen Wagen auf dem Schulparkplatz geparkt hatte, stieg ich aus und wieder einmal lagen leider ziemlich viele Blicke auf mir. Super. Würden die sich je an den Anblick meines Autos gewöhnen?
Wieso? Du gewöhnst dich doch auch nicht an das Starren. Das war ja auch nichts woran man sich gewöhnen sollte. Innerlich stöhnte ich auf. Die konnten mich alle mal kreuzweise.
Echt mal, hatten die denn gar nichts zu tun? Meine innere Stimme mit einbezogen!
Mit erhobenem Kopf stolzierte ich weiter.
»Was ist denn mit der Schlampe? Hat da ein Kerl endlich mal richtig hingesehen?«, fragte Aubrey scheinheilig.
Und wow sie hatte tatsächlich ins Schwarze getroffen.
Jetzt musste man nur noch »ein Kerl« durch »deinen Vater« ersetzen.
»Schnauze Aubrey!«, fauchte ich und überraschte damit mich selbst.
Ausnahmsweise ging ich auf ihre Stichelei ein, ich hatte es ganz einfach satt. Sie hatte verdammt nochmal keine Ahnung von mir und das war auch gut so!
Sie starrte mich kurz schockiert an und dann lief ich an ihr vorbei. Ich hörte noch ein paar »uuuh's« oder so, dann war ich auch schon im Gebäude verschwunden.
Und ehe ich michs versah,
landete ich in einer Sexkammer, mit Austin Bates! Och man ey!
Echt jetzt?!
Was ein Glück ich doch hatte!
Nicht!
Gott ich war heute ein gefühlskaltes und wirklich sarkastisches Arschloch.
Aber wann war ich das nicht?
Mag ja alles sein aber du warst immer noch eines mit gebrochenen Rippen.
Auch wieder wahr.
»Was?!«, fragte ich, vielleicht eine Spur zu harsch.
»Was ist da passiert?!«
Wie jetzt? Was meinte er?
Hab ich etwa was im Gesicht?!
»Ja und zwar ein paar blaue Flecken.«
Scheiße ich hatte doch nicht ernsthaft laut gedacht!
Ich kniff die Augen zusammen.
»Verdammter Concealer«, fluchte ich über die beschissene Abdeckung.
Ruhe bewahren Lucía, sprach ich zu mir selbst damit ich gleich niemandem den Kopf abriss. Austin sollte verfluchte Scheiße nochmal aufhören seine Nase überall hineinzustecken!
Ich rümpfte die Nase.
Gaaaanz ruhig. Ich würde einfach schön alles abstreiten.
»Das geht dich einen Scheißdreck an!«, zischte ich. Tolles Abstreiten.
Ich wollte gehen doch er ließ mich nicht.
Ich stieß gegen eine Kante und zischte laut auf.
Die Rippen...
»Ist alles in Ordnung? Scheiße, hab ich dir weh getan?! Ich wollte das nicht! Ehrlich!«
Austin klang wie ein hilfloser kleiner Chico.
Ich hätte fast gegrinst, aber auch nur fast.
»Nein. Nein. Komm runter, es geht schon.«
»Lass mal sehen.«
Er wollte mein Shirt anheben doch ich stoppte ihn.
»Hör auf Austin!«, schnauzte ich ihn an.
Bevor ich ihn weiter hätte fertig machen können und er sich hätte verteidigen können und wir beide ein altes Krankenhaus-Ehepaar würden, riss uns der Hausmeister aus der dieser komischen Konversation.
Verflucht! Krankenhaus-Ehepaar?
Anderseits dieser Señor hatte mich gerade sogar vor meinen eigenen Gedanken gerettet!
»¡Ay muchas Gracias! Señor Sie hat der Himmel geschickt!«, sagte ich und gab dem Hausmeister einen fetten Knutscher auf die Wange. Dann ließ ich beide Männer stehen und ignorierte das Getuschel um uns herum.
Das waren sowieso alles irgendwelche Furcias.

Der restliche Schultag war öde!
Bio war recht interessant. Nun ja... SEHR INTERESSANT!
Ich hasste zwar Krankenhäuser aber mich interessierten die Krankheiten und wie man sie heilen konnte, die ganzen Symptome und wie sich der Körper dagegen währte und es einem bewusst machte was man hatte und die menschliche Anatomie trotzdem.
Ach einfach alles in Biologie interessierte mich! Lag wohl an dem neuen Lehrer.
Ich wusste nicht für was oder wen ich mich gerade rechtfertigte, doch ich hatte das Gefühl es tun zu müssen.
Warum auch immer.
Themenwechsel.
Mathe war, so nebenbei, heute mal beschissen und Spanisch war langweilig. Es war eben meine Muttersprache und daher auch super easy.
Easy...
Seit wann genau benutzte ich diese Art von Wörtern?
Ich schüttelte den Kopf und konzentriere mich auf das vor mir.
Die Küche.
In diesem Augenblick, stand ich hier in der Küche und überlegte was wir noch zu Essen brauchten.
Ich hatte schon seit drei Stunden Schluss und hatte direkt nachdem ich zu Hause ankam, angefangen die Villa zu putzen.
Ich hatte mich von oben nach unten vorgearbeitet, war nun am Kühlschrank angelangt und schrieb die Einkaufsliste zu Ende.
Das wäre auch getan!
So damit wäre alles erledigt. Jetzt musste ich erstmal einkaufen und dann arbeiten. Damit ich mein Essen auch weiterhin zahlen konnte.
Ich würde wieder extra viel Essen einkaufen, wie immer. Von meinem eigenen Geld, wie immer. Angewohnheiten.
Die zum kotzen waren.
Schon möglich.
Ich hatte da so einige komische Angewohnheiten...
Die meisten hatte ich mir aber eher selbst vererbt oder eher, abgeguckt da meine Geschwister ja teils tot, teils abgehauen waren.
Meine Mutter gehörte auch zu den Toten, mein Onkel Alano zu den sehr sehr Dummen, mein einziger engstehender Cousin zu den sturen Eseln, also genau wie ich, Mein Onkel Chino zu den Abtauchern—mal da, mal verschwunden und mein Vater? Ja, was genau war mit ihm?
Ein Nichts konnte man wohl nicht sagen sonst hätte ich jetzt keine gebrochenen Rippen oder andere Verletzungen. Geschweige denn ein Leben.
Er schenkte mir das Leben, so schnell konnte er es mir allerdings auch wieder nehmen.
Was bedeutete es überhaupt zu leben?
Scheiße was dachte ich heute nur für einen Mist?! Hatte Papá mir gestern das Hirn rausgeschlagen?! Oder mein Herz oder ach was!
Das existierte längst nicht mehr! Diese dumme Teil!
Das waren übrigens meine Gedanken während des Einkaufens.
So schräg wie sich die Gedanken anhörten, so wurde ich auch angesehen weil ich mich wie die letzte Perra benommen habe.
Als ich wieder zurück Zuhause war, packte ich den Einkauf aus und stürmte danach schnell nach oben um mich in eine unbequeme Jeans zu quetschen.
Denn es war leider immer noch meine Arbeit und so gütig mein Boss bisher auch war, ich ging nicht davon aus das er oder seine Kunden es begrüßen würden wenn ich dort in Jogginghose aufkreuzen und so kellnern beziehungsweise eben arbeiten würde. Meine Anzugshose von heute morgen war nämlich schmutzig geworden.
Also schnell noch meine Sachen und dann konnte ich auch schon los.
Ich ging Richtung Eingangshalle, zog die Tür auf und schloss sie wieder hinter mir.
Eilig joggte ich über den Platz und stieg in den Wagen.
Gleich darauf fuhr ich los.

Ich arbeitete nun schon seit geschlagenen drei Stunden und es war verdammt voll hier.
»Hey Sam! Du bist meine Rettung!«, sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Ja. Äh- Lucía...«, stotterte er.
Ein dunkles Gefühl erschlich sich den Weg zu mir. Och nö! Bitte nicht!
»Nein. Sag es nicht. Ich mach das schon«, sagte ich trocken und innerlich ziemlich frustriert.
»Danke! Danke! Danke!«, sagte er und umarmte mich viel zu fest so dass ich schmerzerfüllt aufschrie.
Nicht mal überrascht sondern tatsächlich voller Schmerzen.
Wobei, es klang eher nach dem Fiepen einer Maus.
Aber verdammt! DIE RIPPEN!
Nicht nur Sam beäugte mich kritisch und überrascht, es flogen mehrere Blicke auf mich.
Seiner mit darunter. Wieso musste ich ihn aber auch jeden Tag sehen? ¡Mierda!
Er schaute mich verwirrt an.
Ich brach den Augenkontakt ab und lächelte Sam ins Gesicht.
»Ich... Es ist alles gut, ich war nur sehr...überrascht«, log ich.
Kacke verdammte!
Mir wurde ein skeptischer Blick von Sam zugeworfen.
»Sicher?«, fragte er misstrauisch.
Ich nickte nur und schickte ihn dann fort damit er was auch immer machen konnte.
Mein Blick fiel auf die Uhr.
19:56 Uhr.
Er würde bald nach Hause kommen...
Ich merkte wie mir heiß und kalt zugleich wurde.
Ich fing an kalten Schweiß auszustoßen und mich überkam eine Gänsehaut.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und ich schreckte hoch.
Dann drehte ich mich mit einem heftigen Ruck um und geriet durch den heftigen Schwung etwas ins Straucheln.
»Ruhig Königin Elsa. Ist alles in Ordnung du bist so blass?«, fragte Austin. Wieso sollte ihn das interessieren? Wieso wollte er sowas ständig wissen? Was war in letzter Zeit bloß los mit ihm?!
Er macht sich Sorgen!
Ja genau! Wieso war ich da nicht gleich drauf gekommen? Tz.
Wohl kaum. Wir konnten uns nicht einmal leiden!
Und zum Teufel mit diesem Wort Elsa oder Prinzessin oder was auch immer, was haben nur alle damit?! Ich war alles andere als eine Prinzessin!
»Wieso sollte es dich interessieren? Und Dios mio ich bin keine Königin oder Prinzessin oder sonst sowas!«, fauchte ich etwas gereizt. Etwas...
Was konnte ich denn dafür dass er mich immer in meinen schlechtesten Momenten zu fassen bekam?!
»Weil-«
»Lucía! Tisch sieben und zwölf warten! Du wirst nicht umsonst bezahlt, geh bitte an deine Arbeit!«, rief mein Chef und damit hatte er vollkommen recht.
»Ich muss arbeiten«, sagte ich ohne ihm nochmal in die Augen zu blicken und ging an ihm vorbei, an die Arbeit.

fading awayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt