Kapitel XIX

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Ein Hund?
»Hey, na Großer!«
Ich kraulte dem nassen Hund vor mir das Ohr. Wie hatte er es überhaupt geschafft auf unser Anwesen zu kommen?
Immerhin waren die Tore geschlossen.
Es machte mich nervös, dass die Tür der Villa noch immer weit offen stand.
Also erhob ich mich und schloss sie, mit dem Beschluss den armen Hund nicht fort ins Unwetter zu schicken, wie ich die drei Männer vorhin fortschickte.
»Komm Großer! Du hast bestimmt Hunger«, säuselte ich und tatsächlich folgte er mir in die Küche.
Hmm. Ich durchsuchte sämtliche Schränke.
Was aßen Hunde denn für gewöhnlich?
Hundefutter. Schon klar. Aber ich hatte nun mal, logischerweise, keins da.
Es machte mich nervös, die ganze Zeit von einer nassen Pfote am Oberschenkel, angetippt zu werden.
Also sah ich in den Kühlschrank und fand eine halbe Zitrone, Tomaten, Ketchup und Senf und äh etwas dass aussieht wie ja keine Ahnung und aha! Hackfleisch.
Aus purem Rind und da ich ja sowieso selten Fleisch aß und mein Vater weg war, gab es dafür sowieso keine bessere Verwendung.
Was also hieß, das Dickerchen vor mir würde es essen können.
»Na wie heißt du denn Großer?«, fragte ich und er winselte.
»Hmm...«
Ich grübelte eine Zeit lang vor mich hin bis mir, buchstäblich, ein Gedankenblitz kam.
»Flash! Du bist schnell wie der Blitz wie du vorhin deutlich klar gemacht hast und bist zu mir gekommen während es blitzt. Und es sieht ganz danach aus als wärst du ein Streuner, fast wie ich...Also, gefällt dir der Name Flash?«, fragte ich den Hund, der aussah wie ein...äh Golden Retriever, wenn das die Rasse war die es nun mal zu sein schien.
Ich war echt durchgeknallt.
Er bellte.
Ich deutete das mal als »Ja«.
Ich stellte ihm sein Essen hin, welches er sofort schmatzend verzehrte.
Das Hack war ziemlich schnell weg.
»Komm gehen wir dich baden! Du müffelst wie eine verdammte Müllhalde.«
Flash kam. Ich machte Faxen in dem ich mir die Nase zuhielt, einfach um seinen Gestank zu verdeutlichen. 
So ein süßer Kerl.
Wer Austin oder Flash?
Beid- ach halt deine Klappe!
Von diesem Mistkerl war bis eben nicht Rede verdammt!
Darf ich dich daran erinnern dass er vollkommen freiwillig bei der Hilfe nach Lucas geholfen hat?
Nein darfst du nicht!
Als ich oben im Bad ankam, musste ich Flash erstmal in die Badewanne bekommen, da er anscheinend kein guter Freund des Wassers war. Oder er konnte baden einfach nicht leiden.
Meine pitschnassen Klamotten stimmten dem jedenfalls zu.
Aber zum Ende hin, als ich ihn einseifte, gefiel es ihm sogar.
Glaubte ich, woran erkannte man das denn?
»Das machst du großartig, Flash. Jetzt müssen wir dich trocknen also hop hop«, befahl ich freundlich und er hopste aus der Wanne.
Nachdem er sich herzhaft schüttelte, und damit alles im Bad—inklusive mir—erneut nass spritzte, ließ er sich von mir trocken rubbeln.
»Wir sollten schlafen gehen, was meinst du?«
Er bellte wieder und ich nahm es wieder als »Ja«.
Danach gingen wir in mein Zimmer.
Dort pflanzte er sich direkt auf mein Bett.
»Wirklich jetzt?«
Flash bellte.
»Gut, von mir aus«, murmelte ich. Kaum zu glauben dass mich ein Hund so weichkochen konnte.
Ich zog mich um, legte mich zu Flash und fiel wenig später in einen traumlosen Schlaf.
  
Was zum Teufel?!
Ich schreckte hoch. Wer schlabberte da gerade mein Gesicht ab?!
»Flash! Du Kobold erschreck mich doch nicht so!«
Flash winselte gespielt traurig und verdeckte mit seiner Pfote sein süßes Hundegesicht.
Die Geste brachte mich irgendwie zum Lachen.
»Flash! Ich muss zur Schule und arbeiten und wir müssen dir doch noch Hundekram besorgen!«
Es war 06:57 Uhr.
Ich ging duschen, zog mich an und packte meine Tasche.
Gleich darauf, gingen Flash und ich zusammen raus.
»Ich bitte dich lieb zu sein, Großer. Und bitte lass mein Auto heil ok?«
Er bellte.
Die Fahrt über lauschten Flash und ich dem Radio.
Als ich das Fenster auf seiner Seite runterließ, bellte er und streckte seinen Kopf hechelnd aus dem Fenster.
Ein Freigeist.
 
Es war mittlerweile 07:34 Uhr und wir begaben uns in eine Tierhandlung.
Ich grummelte. Das würde teuer werden...
Ich hielt nach üblichen Dingen Ausschau, denn der Praktikant der hier arbeitete schien anders beschäftigt zu sein und starrte nur Löcher in die Luft. Der war sowas von high.
Ich warf das schwarze Halsband aus Leder mit der passenden Leine in den Korb. Nach Einverständnis von Flash.
Daraufhin folgten vier verschiedene Spielzeuge, welche Flash sich auch persönlich ausgesucht hat.
Auch die darauffolgenden Dinge wie, zwei Decken, drei Paletten Nassfutter, ein Sack Trockenfutter und außerdem Hundeshampoo und Leckerlies zum mitnehmen, wurden von Flash persönlich ausgesucht.
Ich schmiss noch Hundetüten dazu und klemmte mir ein XXL Körbchen unter den Arm.
Und ich fragte mich, wie ich das alles auf einmal tragen konnte...
»Flash du bist wirklich teuer«, sagte ich unter zusammengepresstem Kiefer.
Er verdeckte wieder sein Gesicht mit seiner Pfote und ich lachte.
Ach Näpfe!
Jetzt musste ich nur noch schnell zu Blanco fahren, damit er auf Flash aufpassen konnte und ich hoffte wirklich dass er das tun konnte.
»302 Euro und 93 Cent macht das dann«, rissmich die Stimme des Praktikanten aus meinen Gedanken.
Moment wie viel? Um Gottes Willen.
Dann halt weniger Essen und mehr Schichten für mich.
 
Mittlerweile saß ich im Unterricht, in der fünften Stunde.
Noch eine Stunde und dann konnte ich zu Flash. Er hatte mir irgendwie einen neuen Sinn zum Leben gegeben. Das hörte sich ziemlich deprimierend an aber der kleine Racker war mir einfach total ans Herz gewachsen. Er war mein Hoffnungsschimmer. Auf Gutes.
Und die Unterrichtsstunde war gleich auch geschafft.

Als das vertraute Läuten endlich ertönte, stöhnte ich auf vor Erleichterung.
Endlich Erlösung!
Oder auch Pausenklingel.
Ich marschierte raus und dort stand Flash schon und wartete auf mich.
Mein Hoffnungsschimmer.
»Flash!«, rief ich.
Der süße Golden Retriever kam auf mich zu gerannt und schlabberte mich ab, ich kicherte.
»Hey Großer! Wo ist dein verdammter Onkel? Ich werde ihn köpfen, dafür dass er dich hier so allein rumlaufen lässt!«, rief ich.
»H-hier!«, ertönte die Stimme meines Cousins atemlos.
»Blanco Alejandro Rodriguez! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, bevor ich dich erdrosseln werde!«, feuerte ich los und fuchtelte wild mit meinen Händen rum.
»Lu ich weiß jetzt weshalb du ihn Flash genannt hast, ich hab geparkt und machte ihm die Tür auf und weg war er ich musste ihm erstmal hinter her kommen«, stammelte er.
Ich brummte und kraulte Flash dann wieder hinterm Ohr. Dort hatte er es gern.
»Guter Junge! Hör bloß niemals auf deinen Onkel«, sagte ich und tätschelte Flash den Kopf.
»Ist das deiner?«, erklang eine Stimme direkt hinter mir. Und wirklich nah. Zu nah!
Ich ging einige Schritte vorwärts bevor ich mich umdrehte.
»Äh ja...also er ist mir gestern Nacht zugelaufen...«, murmelte ich etwas nervös. Wieso verflucht stammelte ich wieder so rum? Das nervte mich langsam aufs Extreme.
Du bist verknallt, amor.
¡Silencio! Maldita mierda, callate.
Verdammte innere Stimme!
»¡Hola! Lucía!«
Jemand schnipste vor meinem Gesicht herum und ich fuhr schreckhaft zusammen.
Oh verdammt was war das denn für ein undefinierbarer Laut?
Und wieso lachten sie?
»W-was?«, fragte ich.
Jetzt war ich nur noch verwirrter.
»Ach nichts.« Beide liefen lachend weiter.
»Hey wartet!«, rief ich und rannte ihnen hinterher.
»Seid ihr jetzt sowas wie beste Freunde oder was?«
»Äh...algo?«, sagte Blanco, allerdings klang es eher nach einer Frage, als einer Aussage.
Aha. Soso.
Austin lachte. Na warte.
Ich legte meinen Arm um Austin, er sah mich verwirrt an und ich sah für einen kurzen Moment sowas wie keine Ahnung. Seine Augen blitzten einfach auf.
Ich wusste nicht genau was es war.
»Tja Austin, das macht uns dann ja zu sowas wie Geschwistern«, sagte anzüglich und lachte, Blanco stieg mit ein. Sogar Flash bellte als würde es ihn amüsieren aber Austin nicht.
Sein Lächeln verschwand und er verzog angeekelt sein Gesicht. Argh!Woran dachte er nur?
Manchmal da war dieser Typ wirklich schmierig, Wah!
»Das ist aber schade, Lucía«, flüsterte er mir ins Ohr und war mir dabei so nah, dass ich für einen kleinen Augenblick alles vergaß.
Alles um mich herum, meine Probleme, alles.
Sein Atem streifte meine Haut und ließ mich erschaudern.
Dann wurde sein Blick verschmitzt.
Und ich kam wieder zu Besinnung.
»Igitt Austin! Du bist eklig!«, schimpfte ich, schupste ihn zur Seite, von mir weg und ging zu meinem Auto, gefolgt von Flash.
 
Flash und ich waren gerade bei meiner Arbeit und Gott sei Dank hatte mein Chef mir erlaubt ihn dort zu behalten solange er artig und ruhig war.
Im Moment war ich dabei zu kellnern und ab und zu, wenn es gerade ruhig war, gesellte ich mich kurz Flash.
Auch der restliche Tag verlief entspannt bis auf das ich die ganze Zeit über darüber nachdachte was mit Flash passieren würde wenn Papá zurück kam.
Ich kannte Flash inzwischen ziemlich gut und ich kannte Dad. Jede Seite von ihm...
Es würde jemand verletzt werden wenn Flash merkte was mein Vater mir antat oder wenn mein Vater merkte, dass ich einen Gast bei ihm Zuhause hatte.
Eigentlich war ich ja selbst nur ein Gast.
Da war ich mir sehr sicher...
Aber Flash konnte und durfte nicht für mich oder Papá büssen...
Was sollte ich bloß tun?
Ich war mal wieder völlig planlos.

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