Kapitel 11 Ein schöner Tag Teil 1

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Der Verführerische Duft von Kaffee und Rührei weckte Emilia am nächsten Tag aus einen tiefen, traumlosen Schlaf. Sie brauchte einige Zeit bis sie ganz wach war. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Das sanfte Rauschen des Meeres und das Kreischen der Möwen drang durch das offene Fenster zu sie hinein und entspannte sie sofort. Sie konnte förmlich die salzige Luft schmecken. Kein Wunder, dass sie hier so gut schlief. Schließlich macht Meeresluft doch müde oder?Frisch und erholt hüpfte sie voller Elan aus dem Bett und räkelte sich genüsslich in allen Richtungen. Dabei gähnte sie ganz laut und herzhaft, während die Sonnenstrahlen, die durch die Spalten ihren Rollos drangen und einen wunderbaren warmen Tag versprachen, ihr auf der Nase tanzten. Wie von selbst bewegten sich ihre Beine Richtung Treppe, um den herrlichen Geruch zu folgen, der ihr das Wasser in den Mund trieb. Mhmm herrlich. Sie streckte ihre Nase den aromatischen Duft entgegen und schloss die Augen.Momentchen mal,meldete sich ihr Gehirn, du bist doch im Strandhaus. Alleine. Wer kochte denn da unten? Ein Einbrecher konnte es wohl nicht sein. Die bereiteten für gewöhnlich kein Frühstück vor und überhaupt, hätte jemand vorher erstmal einkaufen gehen müssen, denn in ihrem Kühlschrank herrschte gähnende Leere. Mit einem Stirnrunzeln zog sich ihren Morgenmantel über und ging auf Zehenspitzen die Treppe runter. In ihrem Kopf klangen noch die Worte von Keno nach, der sogar die Schlüssel unter der Matte verstecke, weil Myr so sicher sei. Gab es vielleicht ein weiteres Versteck, von dem sie nicht wußte und jemand anderes hatte dieses entdeckt und sich entschlossen hier zu wohnen? Im Fernsehen hatte Emilia schon mal von solchen Fällen gehört, wo Leute sich in die Ferienhäuser anderer einquartierten, sobald diese außer Reichweite waren. Schon alleine der Gedanke trieb ihr einen Schauer über den Rücken.Vorsichtig spähte Emilia um die Ecke und sah einen großen Mann mit blonden langen Haare fröhlich Rühreier in der Pfanne wenden, während er unwahrscheinlich komische Tanzeinlagen hinlegte. Das durfte doch nicht wahr sein!„Keno!", rief sie schockiert und versuchte sich ein Lachen zu verkneifen.Er ignorierte es und konzentrierte sich lieber auf das Wesentliche.„Guten Morgen Sonnenschein. Setz dich doch.", mit einem Grinsen rückte er ihr einen Stuhl auf der Terrasse ganz Gentlemanlike zurecht, der an einen reichlich gedeckten Tisch stand und wackelte neckisch mit den Augenbrauen.„Was machst du denn hier? Hast du... hast du etwa einen Schlüssel?"Er zuckte unschuldig mit den Achseln, „Ich habe stundenlang geklingelt und niemand hat mich gehört. Also, habe ich nach den Rechten geschaut. Nicht, dass du in der Badewanne ausgerutscht bist oder sowas.. naja, ich dachte, du könntest ein gutes Frühstück gebrauchen oder besser gesagt Mittagessen. Es ist nämlich schon 14 Uhr. Wir haben viel vor heute"Völlig perplex sah sie ihn an und setzte sich dann artig auf den Stuhl, auf den er ein weiteres mal ihr bedeutete sich hinzusetzen. Sie rieb sich die Augen. Das musste ein Traum sein. Vermutlich schlief sie noch oben in ihren gemütlich Bett tief und fest und würde jede Sekunde aufwachen. Sie schloss die Augen und kniff sich in die Hand. Doch nichts dergleichen passierte. Stattdessen sah sie einen schwungvoll pfeifenden Keno, der mit der Kaffeekanne fröhlich vor sie herum wedelte."Möchtest du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?"„Hast du Hafermilch?"Er zog eine Augenbraue hoch, „Sowas gibt es hier nicht."„Dann nur Zucker, bitte.", antworte Emilia und beobachtete, wie er ihr einschenkte.Sie griff zu der flauschigen Decke und kuschelte sich auf den gemütlichen Ratanstuhl ein. Trotz der wärmenden Sonne, die ihren Lichtkegel auf die Terrasse warf, fröstelte sie im frischen Wind, der von dem Meer zu ihnen wehte. Es war ungewohnt von einem Mann oder von überhaupt irgendwen bekocht zu werden, weshalb sie nicht so recht wußte, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Schließlich wollte sie nicht noch mehr in seiner Schuld liegen, als sie es ohnehin nicht schon tat, ihn aber andererseits auch nicht enttäuschen, indem sie es ablehnte. Also, machte sie erstmal nichts und blieb abwartend in ihrem gemütlichen Ratanstuhl sitzen. Sie linste durch die offene Terrassentür in die offene Küche, um einen weiteren Blick auf ihn beim Tanzen zu erhaschen und musste augenblicklich schmunzeln. Ihm störte es so gar nicht, dass sie draußen saß und ihn bei seiner Küchenperformance sehen konnte. Unbeschwert summte er zu einem Song im Radio, den sie nicht richtig hören konnte und richtete alles an bis er nach und nach Brötchen, etwas Fisch vom Hafen und Rührei nach draußen brachte. „Und hier dein Kaffee", servierte er strahlend ihr Lebenselixier. „Danke, das sieht wirklich toll aus. Ich wußte gar nicht den Zimmerservice gebucht habe."„Nur das beste für unsere VIP Gäste.", grinste er schelmisch. „Übrigens, ich hab uns Fahrräder von meinen Eltern geliehen und dachte, wir machen eine Tour um die Insel, was hältst du davon?", er schaute sie erwartungsvoll an. Es schien als hätte er sich lange über den Plan Gedanken gemacht und es rührte sie, dass er sie von ihren Kummer ablenken wollte. Wie konnte sie nur „nein" sagen, wenn er sie mit Frühstück und exklusiven Kaffee weckte? „Ja, sehr gerne!", stimmte sie dankbar zu und begann herzhaft in das Brötchen zu beißen, dass sie sich gerade belegt hatte.„Super!", strahlte er zufrieden.„Aber nur unter einer Bedienung.", ergänzte sie geheimnisvoll und ihm fiel fast alles auf dem Gesicht, als befürchtete er schon das schlimmste, „Das Abendessen geht auf mich. Hausmannskost richtig?"„Richtig!", feierlich streckte er die Hand aus, als hätten sie so eben ein großes Geschäft abgeschlossen und Emilia schlug ein.Die Sonne strahlte ihnen liebevoll wärmend ins Gesicht und dennoch war es durch einen frischen Luftzug nicht zu heiß. Perfekt also für eine Radtour. Sie fuhren die Dünen entlang bis zum Leuchtturm, wo sie für ein kurzes Picknick stoppten und Keno ihr in der Ferne auf einen Hügel das Haus seiner Eltern deutete. Es verschlug Emilia fast die Sprache, als sie das wunderschöne und herrschaftlich wirkende Haus entdeckte, dass auf der Erhöhung im Licht der Sonne aussah, wie ein Star auf der Bühne. „Wow, ....", murmelte sie so leise, dass Keno sie fast nicht gehört hätte, "...das muss großartig sein dort aufzuwachsen."Was für ein magischer Ort. Emilia ertappte sich wie eine nie dagewesene Sehnsucht in ihr aufstieg und in diesem Augenblick, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie auch hier hätte aufwachsen dürfen, in einer intakten Familie und nicht als drittes Rad am Wagen einer Familie, die keine Lust hatte mit ihr Zeit zu verbringen.„Eher abenteuerlich.", unterbrach er ihren trübseligen Gedanken.„Abenteuerlich?", Emilia hob nachdenklich eine Augenbraue hoch, „Ward ihr etwa den ganzen Tag auf euren Piratenschiff unterwegs auf Schatzsuche? Oder habt in eurem Baumhaus übernachtet?"Das brachte Keno so laut zum Lachen, dass Emilia leicht erschrak, „Hey, was ist denn so lustig daran. Das macht man doch als Kind oder etwa nicht?"„Das haben wir bestimmt auch gemacht, aber ein Piratenschiff hatten wir nicht und ein Baumhaus auch eher Fehlanzeige. Ich meinte mit drei Geschwistern aufzuwachsen, ist abenteuerlich."„Du hast drei Geschwister?", jetzt staunte Emilia Bauklötze. „Japp, zwei Brüder, einen davon kennst du ja schon, Lijan, und eine Schwester, die übrigens heute wieder zurück auf der Insel ist, um hier als Lehrerin zu unterrichten."„Ach, der von der Rezeption ist dein Bruder! Ihr seht euch irgendwie so gar nicht ähnlich."Jetzt war es an Keno skeptisch zu schauen.„Das meinst du doch hoffentlich als Kompliment oder?"Emilia prustete los, „Das hat doch nichts damit zu tun.", versuchte sie ihn zu beschwichtigen, „Ihr seid einfach nur vom Typ her Grund verschieden."„Ja, da hast du recht. Mein kleiner Bruder mutiert zu Prince Charming persönlich und um ganz ehrlich zu sein, diese aalglatte, schleimige Art gefällt mir überhaupt nicht. Tja, anscheinend ist es wohl normal, wenn man Betriebswirtschaftslehre studiert. Zumindest erfüllt er jetzt das Klischee und die Frauen stehen obendrein auch noch drauf."„Ach, das ist bestimmt nur so eine Phase."„Ich hoffe du behältst recht."„Und dein anderer Bruder?"„Jaron lebt mit seiner Frau in New York und arbeitet als Anwalt in seiner eigenen Kanzlei. Das letzte mal haben wir die zwei zu Weihnachten gesehen."„Wie aufregend!"„Nicht so aufregend wie auf einer Insel zu leben.", zwinkerte Keno ihr zu.„Zumindest eine, die so schön ist, wie diese hier."„Warte mal ab bis du den Rest gesehen hast!"Weiter südlich erwartete sie ein schier unendlich lang wirkender Sandstrand, auf denen eine Handvoll Leute den schönen Tag genossen. Im Wasser waren bis auf ein paar wenig Mutige keine. Zu kalt war das Wasser, trotz strahlenden Sonnenschein, was wohl typisch für die Ostsee war und wohl auch der Grund, warum die meisten Sommerurlauber doch lieber in den Süden verreisten. Doch Emilia fand das unberührte und glitzernde Mehr umzingelt von lachenden Kindern, die mit ihren Eltern Sandburgen bauten und den farbenfrohen Strandkörben in blau, grün, rot, einfach nur perfekt, während sie auf ihren Fahrrädern einen Radweg inmitten der Dünen entlang radelten, der gerade so viel Platz bot, dass sie beide nebeneinander fahren konnten.Als sie auf der Hälfte der Insel angekommen waren, fuhren sie in das Inselinnere um einen See herum, der sich nicht recht entschieden konnte, ob er zum Meer oder zur Insel gehören wollte. Auf dem saftigen Gras um den See herum bis auf dem Berg bis zum höchsten Punkt der Insel, tummelten sich Heidschnucken mit ihren Lämmern, die sich von ein paar Touristen wenig beeindruckt zeigten. Auf der Aussichtsplattform wurden sie von dutzende brütende Tölpel mit lautem Gekreische erwartet. Sie waren direkt hinter dem metallischen Zaun und somit nur wenige Zentimeter von ihnen entfernt.„Sieh mal da!", zeigte Emilia auf ein Nest und quietschte begeistert auf, als gerade eine Tölpel-Dame dabei war, ihre Position zu wechseln, „Hast du das Ei gesehen?"„Japp.", schmunzelte Keno und ließ sich von ihrer kindlichen Begeisterung anstecken. „Ich wußte gar nicht, dass Myr so ein Tierparadies ist", plapperte sie heiter.Sie blieben eine Weile an der Metallbrüstung angelehnt stehen und beobachteten das rege Treiben der Vögel. Während sie die Aussicht genossen, deutete Keno auf Teile der Insel und was sich dort getan hatte. Er untermalte seine Erklärungen mit Geschichten aus der Vergangenheit. Fasziniert hörte Emilia zu. Sie hatte schon immer gute Geschichten geliebt und diese jetzt live und in Farbe zu erleben, beflügelte ihre Fantasie. „Bist du bereit für den Höhepunkt des heutigen Tages?", klatschte Keno ein wenig zu überschwänglich in die Hände.„Meinst du, du kannst das da", sie deutete auf die Aussicht, „übertreffen?"„Ich werde es versuchen.", sagte er mit fester Stimme, die ihm selber überzeugen sollte, wie ernst er es meinte. Eine hochgezogene Augenbraue von Emilia verriet ihm jedoch, dass sie nicht ganz überzeugt war. Diese Frau bemerkte wirklich alles, auch wenn er nicht wußte, wie sie es anstellte. Kenos Gefühlswelt, so schien es, lag wie ein offenes Buch vor ihr ausgebreitet, aber statt dass es ihn Angst machte, fühlte es sich vertrauter denn je an. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, was da genau auf sie zukäme, steuerte Keno zielstrebig auf die Fahrräder zu.

Ein SommertraumWhere stories live. Discover now