20. Liebe?

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Ich saß seit einer Stunde mit Daria in der Bücherei und las mir Informationen zusammen. 
Sie hingegen machte schon seit einer halben Stunde nicht mehr mit, sondern kritzelte auf meinem Block herum. 

Plötzlich schlangen sich zwei Arme von hinten um mich. Blitzschnell drehte ich mich um und schubste ihn weg, dann bemerkte ich, dass es Theo war. "Entschuldigung, ich bin leider ziemlich schreckhaft was Berührungen angeht, die ich nicht kommen sehen", sagte ich mit klopfendem Herzen. 
"Nein, mir tut es leid, dass ich dich so erschreckt habe, Süßer. Das nächste Mal kündige ich es vorher an."
Verlegen sah ich auf den Boden. Theo struppelte mir durch die Haare. 
"Du bist echt zum Anbeißen niedlich!"
Mit hochrotem Kopf sah ich auf den Boden. Theo lachte amüsiert. Dann legte er einen Arm um meine Schulter. 
"Kommst du mit in die Mensa? Heute gibt es Lachsfilet." Ich verzog das Gesicht.
Großküchenfraß.
"Ich komme mit, aber davon werde ich bestimmt nichts essen."
"Ist auch okay, ich würde ja auch lieber daheim essen, aber meine Mutter arbeitet."

"Mir ist langweilig. Gehen wir irgendwo essen?" Sie lag auf ihrem Arm und starrte mich an.
"Essen?" 
"Ja. Aber nicht in die Mensa, da gibt es heute Fisch. Ekelhaft!" 
Ich klappte das Buch zu und räumte auf. "Wohin dann?" 
"Ich kenn einen guten Laden. Komm!" 

Ich saß neben Theo in der Mensa und sah ihm beim Essen zu. 
"Oh, möchtest du vielleicht auch mal probieren?"
Ich schüttelte den Kopf, aber da hielt er mir auch schon seine Gabel vor den Mund.
Ich probierte. "Nicht schlecht, aber zu wenig Gewürz!", diagnostizierte ich. 
Theo lachte. "Also ich finde es gut so." 
"Ich koche lieber selbst, da kann ich würzen, wie es mir schmeckt. Da ist zu wenig Salz und Dill dran." Er lachte wieder. 
"Mein kleiner Gourmetkoch, bekomme ich dann mal Essen von dir?"
"Wenn du mal zu mir kommst, bestimmt."

Das Essen schmeckte gut und ich lud Daria nach etwas Protest wegen ihres Freundes ein. 
Das ganze ging aber irgendwie in die falsche Richtung, denn plötzlich begann sie mir von all ihren Beziehungsproblemen zu erzählen. Ich wollte nicht unhöflich sein und hörte mir alles an. 

"In zwei Wochen? Da hätten wir morgens gleichzeitig Vorlesungen."
"Du hast meinen Plan auswendig gelernt?"
"Ja, damit ich immer weiß, wann ich dich vor der Tür abholen muss", meinte er grinsend.
Mein Gesicht wurde rot und ich starrte nach unten. 
"Dir ist immer so schnell alles peinlich", sagte Theo grinsend. "Dabei muss es dass doch gar nicht, du bist so schon niedlich genug."
Ich wurde noch röter. Er struppelte mir durch die Haare. 

Nachdem Daria sich fertig ausgeheult hatte meinte sie zurück in Bibliothek zu müssen. Schließlich hatte sie nichts gelesen, sondern gemalt. "Ich mach mich auf den Weg nach Hause", verabschiedete ich mich. 

"Du bist so knuffig, am liebsten würde ich dich einfach mit nach Hause nehmen und behalten, aber da hat dein Bruder bestimmt was dagegen und ich muss jetzt auch wieder los, boxen", meinte er grinsend und stand auf. "Darf ich dich zum Abschied umarmen?"
Ich nickte und stand ebenfalls auf. Seine Arme legten sich um mich und es war fast so angenehm wie bei Gideons, nur das da keine Schmetterlinge umher flatterten. 
Dann ging er und ich machte mich auch auf den Weg nach Hause. 
"Ich glaube, ich bin verliebt!"

Ich hatte gerade meine Sportsachen ausgeräumt und betätigte die Waschmaschine. 
Arthur kam herein. "Na? Was hast du gemacht? Ich dachte, du wärst schon hier." 

"Nein, ich war mit Theo in der Mensa."

"Ach so!" 

"Wie fühlt es sich an verliebt zu sein?" 

"Woher soll ich das denn wissen?" 

"Ich dachte, du wärst vielleicht schon mal verliebt gewesen."

Na ja, nein. Anu war es, glaube ich, in mich, aber ich nicht in sie.”

"Ich hätte gerade einen Rat gebraucht, aber naja, sie kann ich ja schlecht fragen", meinte ich traurig und ließ den Kopf hängen.

Ja, geht nicht mehr. Aber wieso willst du das wissen? Hast du ein komisches Gefühl, wenn du jemand bestimmten siehst?”

"Ich glaube, ich bin in Theo verliebt. Aber ich weiß es nicht genau, weil ich nicht weiß, wie sich verliebt sein anfühlt."

In den?”

"Ich weiß es doch nicht, es ist einfach anders, wenn er da ist."

Wie anders? Sagt man nicht, dass man dann Schmetterlinge im Bauch hat? So?”

"Ja, ich glaube schon. Es ist einfach heller und freundlicher."

Aha. Also wenn du mich fragst, solltest du da nicht zu schnell handeln.”

"Wie soll ich denn zu schnell handeln, wenn ich sofort zusammenzucke, wenn er versucht mich zu berühren?", fragte ich traurig.

Ich meinte im Allgemeinen, nicht nur die Berührungen. Er wartete andauernd auf dich, das ist fast wie auflauern. Er will sich mit dir treffen, etwas unternehmen.”

"Das haben Thomas und die Zwillinge doch auch gemacht."

Aber das ist doch was anderes.”

"Ist es das?"

Irgendwie schon.”

"Mmh, ich habe keine Ahnung. Ich hatte nie wirklich viele Freunde und erst recht keine Beziehung."

Ich doch auch nicht.”

Eine Hand legte sich mir auf zu Schulter. Erschrocken zuckte ich weg. 
"Wieso bist du nur so schreckhaft?", fragte Theo und zog die Hand weg.
"Schlechte Erfahrungen mit Berührungen."
"Aber auf Gideon reagierst du doch auch nicht so!"
"Den kenne ich aber auch schon seit neun Jahren. Und da weiß ich, dass er mir niemals etwas tun würde."
"Ich würde dir auch niemals etwas tun", schmollte Theo. 
"Ich weiß, aber ich bin da eher vorsichtig", meinte ich und zog meinen Ärmel ein Stück hoch, sodass man einen Teil der Narben sehen konnte. 
Theo strich über meinen Arm. "Wer war das?", fragte er wütend.
"Der Freund meiner Mutter. Keine Sorge, der kommt nie wieder aus dem Gefängnis."
"Hast du nicht gesagt, dein Vater wäre reich?"
"Ist er auch, aber meine Mutter war nur eine kurze Affäre und ich wusste nicht mal, wer mein Vater ist, bis ich zwölf war. Der Freund meiner Mutter war nicht allzu begeistert von der Affäre", sagte ich und schob den Ärmel wieder runter. "Naja, deshalb bin ich sehr schreckhaft was Körperkontakt angeht."
"Ist ja nicht schlimm. Danke, dass du es mir erzählt hast, ich kann mir vorstellen, wie schwer das für dich ist", meinte er leicht besorgt. 
Ich lächelte schwach. "Ich vertraue dir, du bist immerhin mein Freund, früher oder später hättest du die Narben eh gesehen."
"Freund wie Freund oder Freund wie in Beziehung?"
"Erstmal Freund wie in Freund", meinte ich und wurde schon wieder rot. "Ich hatte noch nie eine Beziehung, ich würde das ganze gerne langsam angehen lassen."
Er grinste. "Das heißt, ich habe eine Chance."
"Ja", nuschelte ich und sah auf den Boden. Das war mit gerade total unangenehm. Jetzt wusste er, dass ich ihn mochte, vielleicht sogar liebte.
"Ich würde dich gerade total gern knuddeln."
"Mach doch!"
Er zog mich in seine Arme. 
"Wie kann man nur so unglaublich süß und unschuldig sein?", murmelte er in meine Haare.
Ich lehnte mich an ihn. Jetzt war ich wirklich glücklich. Er stieß mich nicht weg, weil ich ihm meine Gefühle gestanden hatte.

Todessee -Teil 2 : TodesstadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt