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Auf meine Vorstellung folgt Schweigen. Das Mädchen und ihre beiden Verehrer starren mich irritiert und misstrauisch an. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, streiche mein Kostüm glatt, schüttle allen dreien nacheinander die Hand und verteile weitere Visitenkarten.

„Bist du eine Stalkerin?", fragt das Mädchen schließlich und glotzt mich mit großen Augen dumm an. Damit kommt die der Wahrheit empfindlich nahe, also entscheide ich mich, nicht auf die Frage einzugehen. Stattdessen rücke ich meine Brille zurecht und räuspere mich.

„Ich nehme an", wende ich mich an den besten Freund, wobei ich das Mädchen gekonnt ignoriere, „du bist schon eine Weile mit dem Objekt der Begierde befreundet?"

Bevor er antworten kann, schiebt sich das Mädchen demonstrativ in mein Blickfeld und funkelt mich wütend an. Ich schenke ihr ein herablassendes Lächeln und sehe dann gekonnt über sie hinweg.

„Ja", antwortet der beste Freund schließlich und reibt sich nervös an der Nase. „Ich kenne sie schon mein ganzes Leben. Wir sind beste Freunde seit dem Kindergarten. Ich weiß mehr über sie als jeder andere Mensch auf der Welt und sie über mich und – "

„Danke, das reicht", unterbreche ich ihn nicht unfreundlich. „Du hast bereits verloren."

„Wie bitte?", er sieht mich verwirrt an. Der arme Kerl.

„Sie wird sich gegen dich entscheiden", erkläre ich ihm geduldig. „Das ist in einer solchen Konstellation immer so."

Das Mädchen drängt sich grob nach vorne. Ihre blauen Augen sind zu wütenden Schlitzen verzerrt.

„Ich weiß nicht, wer Sie sind oder was Sie wollen", faucht sie mich an, „aber Sie sind hier unerwünscht!"

Ein paar Spucke-Tröpfchen landen auf meiner Brille. Ich nehme sie ab und putze sie gemächlich.

„Studien belegen, dass sich das Objekt der Begierde in Situationen wie dieser letztendlich immer für den Badboy entscheidet. Ich bin hier, um diesen schmerzhaften Prozess abzukürzen", erkläre ich dem besten Freund zugewandt und setzte meine Brille wieder auf. Sein Blick wandelt sich von verwirrt zu verzweifelt. Ich unterdrücke ein Lächeln. Das Studien-Argument zieht immer. Und ich muss ja niemandem verraten, dass ich diese Studien alle selbst durchgeführt habe.

„Aber wieso?", will der beste Freund wissen und berührt das Mädchen am Arm. „Wieso er und nicht ich? Jeder vernünftige Grund würde für mich sprechen!"

Seine Stimme klingt verzweifelt. Er versucht seine Augen in denen des Mädchens zu verankern wie ein Ertrinkender, der sich verzweifelt an den Rettungsring klammert, aber sie weicht seinem Blick aus. Schließlich macht sie den Mund auf, um ihm zu antworten, aber ich komme ihr zuvor.

„Sie glaubt, sie kann ihn ändern", erkläre ich und nicke Richtung Badboy, der dem Geschehen mit einem breiten Grinsen im Gesicht folgt. „Sie ist davon überzeugt, dass sie – und nur sie allein – seinen weichen Kern zum Vorschein bringen kann."

„Aber das ist total bescheuert!", ruft der beste Freund und fährt sich so heftig durchs Haar, dass von seiner ordentlichen Frisur nicht mehr viel übrigbleibt. „Du kennst ihn kaum. Deine Eltern hassen ihn. Er ist überall dafür bekannt, nur Probleme zu machen. Du kannst dich doch nicht ernsthaft für ihn entscheiden!"

„Aber ich liebe ihn", sagt das Mädchen leise. Sie reißt bei dem Versuch, besonders traurig und mitleidserregend zu wirken ihre blauen Augen weit auf, was allerdings zur Folge hat, dass sie aussieht wie ein toter Karpfen.

„Was sie eigentlich sagen will", schalte ich mich hilfreich ein, „ist, dass er cool ist und ein Motorrad hat. Alles andere zählt für sie nicht."

„Wie kannst du es wagen", zischt mich das Mädchen an. Sie tritt einen Schritt auf mich zu und baut sich direkt vor mir auf. Ihr Blick lässt vermuten, dass sie kurz davor ist auf mich loszugehen. Ich grinse. Ich kann nicht anders. Dafür erinnert sie mich zu sehr an einen wütenden Chihuahua.

„Du weißt doch gar nichts!", faucht sie. „Du tauchst hier einfach aus dem Nichts aus und zerstörst einfach mein – "

„Liebesdreieck?", falle ich ihr ins Wort. „Ganz genau, das tue ich."

Meine Stimme ist hart.

„Macht es dir eigentlich Spaß, zwei Verehrer hinzuhalten, obwohl von Anfang an klar ist, für wen du dich entscheiden wirst?", will ich vom Mädchen wissen. Der Blick hinter meiner Brille ist eiskalt.

„Macht es dir Spaß, sie leiden zu lassen? Ihnen immer wieder kleine Häppchen zuzuwerfen? Mit dem sicheren Wissen, dass du mindestens einem von ihnen das Herz brechen wirst!"

Ich kann meine Wut nur mühsam im Zaum halten. Für Menschen wie sie habe ich ungefähr so viel Verständnis wie für Leute, die Hundewelpen ersäufen oder Ketchup mit Mayonnaise mischen.

„Ich weiß nicht, was dich das angehen würde", schreit das Mädchen und stampft mit dem Fuß an. „Hör auf dich einzumischen!"

Der beste Freund hat offenbar genug gehört. Er dreht sich um und stampft ohne ein weiteres Wort in Richtung Wald davon. Ich genehmige mir ein triumphierendes Lächeln.

„Warte", ruft das Mädchen ihm verzweifelt hinterher. „Wohin willst du?"

„Was soll ich denn noch hier?", Trauer und Resignation schwingt in seiner Stimme mit. Er dreht sich nicht um. „Du hast dich doch bereits entschieden."

„Aber das ist doch gar nicht wahr!", kreischt das Mädchen. „Ich habe doch gesagt, dass ich mehr Zeit brauche."

Der Junge zuckt mit den Schultern und setzt seinen Weg fort. Dieses Mal endgültig.

Das Liebesdreieck bricht klirrend in sich zusammen.

Die Chroniken der durchgeknallten WeltenreisendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt