Seit die Zwerge in Moria sind, langweilen Fili und ich uns zu Hause fast zu Tode. Unser Unterricht ist vorerst auf Eis gelegt und so bleibt uns nicht viel übrig als täglich dieselben Aufgaben zu erledigen. Natürlich gehen wir oft in den Wald und denken uns unsere eigenen Abenteuer aus. Meistens bekämpfen wir dann die Orks in Moria, stehen Seite an Seite mit unseren Leuten und erobern erfolgreich die alten Hallen zurück. Außerdem stehlen wir uns manchmal zwei der Ponys aus dem Stall und unternehmen lange Ausritte, fast bis ins Nachbarsdorf. Wenn wir dann am Abend zurückkommen, nach Pferd riechend, verschwitzt und voller Dreck müssen wir uns meistens die Standpauken von unseren Müttern anhören. Aber das sind wir inzwischen ja gewohnt. Aber so viel wir uns auch ausdenken, um uns bei Laune zu halten, können wir nicht immer die schlechte Stimmung ausblenden. Der Krieg, der zwar weit weg von uns herrscht, ist doch immer da. Es ist wie eine Präsenz, die nicht will, dass irgendwer glücklich ist. Jedes Mal holt es einen wieder ein. Man denkt nach, wie es den Zwergen wohl geht, ob die Schlacht schon gewonnen ist, wie lange dieser Krieg noch dauert. Und die schlimmste Frage von allen: Wie viele sind schon ums Leben gekommen? Leben meine Liebsten noch? Es nagt an Allen im Dorf, obwohl es keiner zugeben würde. Und so ist die Stimmung zwar oberflächlich sehr ausgelassen, aber das ist auch nur der Fall, weil jeder verzweifelt versucht sich abzulenken von dem Schrecken, der über uns sitzt wie dunkler Nebel.
Heute ist wieder einer dieser Tage, an denen Fili und ich ziellos durch das Dorf wandern. Wir warten auf irgendwelche spannenden Geschehnisse, doch anscheinend vergeblich. „Sieh an, sieh an. Die zwei Turteltäubchen sind wieder unterwegs." Wenn Blicke töten könnten wäre Fimbur, der lässig an einer Hausfassade lehnt, schon längst nicht mehr am Leben. Auch Fili ist nicht sehr begeistert von ihm. Trocken gibt er zurück: „Ach, hast du Algrim jetzt doch deine Liebe gestanden?" Ich pruste los und auch mein bester Freund kann sich ein siegessicheres Grinsen nicht verkneifen. Fimbur findet das allerdings alles andere als lustig. Er wirft einen kurzen Blick zu seinen beiden Schlägerfreunden und zu dritt versuchen sie uns einzuschüchtern, indem sie möglichst bedrohlich auf uns zugehen. Aber wir sind dank Thorins monatelangem Training gut vorbereitet. „Drei gegen zwei? Das ist aber ziemlich unfair. Für euch", meine ich höhnisch. Das ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die drei Zwerge stürzen sich auf uns. Algrim rast in blinder Wut direkt auf mich zu, also ist es mir ein Leichtes, mich unter seinem Schlag durchzuducken, hinter ihm wieder zum Stehen zu kommen und ihm einen Tritt in seinen Hintern zu verpassen, dass er mit dem Gesicht voran im Dreck der Straße landet. Vor Schmerz entfährt ihm ein erstickter Schrei. Jetzt wird er noch wütender und rast mit einem Tempo auf mich zu, bei dem ich keine Zeit habe auszuweichen. Seine Faust trifft mit voller Wucht meine Schläfe. Der Schlag holt mich von den Füßen, ich lande auch im Schmutz und einige Zeit tanzen schwarze Flecken in meinem Sichtfeld herum. So sehe ich Gorms Fuß, welcher sich bis jetzt im Hintergrund gehalten und auf eine Gelegenheit gewartet hat, jemand ungefährliches anzugreifen, auch nicht auf mich zukommen und dieser trifft mich in der Magengrube. Ich krümme mich vor Schmerz, aber das hätte er nicht tun sollen. Denn jetzt bin ich wütend. Richtig wütend. Was denkt der sich eigentlich? Hat zu viel Schiss vor einem fairen Kampf und wartet bis ich wehrlos am Boden liege, damit er auch was zur Prügelei beitragen kann, ohne Schaden davonzutragen. Aber da hat er sich geschnitten. Als er erneut ausholt, um mir einen weiteren Tritt zu verpassen, packe ich sein anderes Bein und reiße es ihm unter seinem Körper weg, damit er auch hinfällt. „Das ist dafür, dass du wehrlose Zwerge angreifst!", zische ich. „Und das, weil du ein Arschloch bist!" Meine Faust landet in seinem Gesicht. Ein lautes Knacken ist zu hören und Blut schießt aus seiner Nase. „Du hast mir die Nase gebrochen!", heult er los. „Du hast es nicht anders verdient, du Goblin!"
Ich sehe zu Fili. Er wird von den anderen Beiden gleichzeitig attackiert. Schnell laufe ich ihm zu Hilfe. Algrim bekommt einen Tritt, der es in sich hat, in seine Kronjuwelen und ein gezielter Schlag auf den Rücken lässt ihn zusammensinken. Ich drehe mich um und höre ein weiteres lautes Knacken. Diesmal ist es aber keine Nase die bricht, sondern Fimburs Schulter, die Fili ausgerenkt hat. Die drei halbstarken Zwerge vor uns liegen nun heulend und stöhnend im Dreck. Sie rappeln sich schwerfällig auf und ergreifen humpelnd die Flucht. „Das bekommt ihr noch zurück!", drohen sie uns kleinlaut, während sie das Weite suchen. Lachend schlagen Fili und ich ein und machen uns auf den Weg nach Hause.Rana fällt vor Entsetzen ein Stapel Teller aus der Hand, der in tausend Scherben am Boden endet, als sie uns sieht. Wir sind aber auch ein einzigartiger Anblick. Voller Dreck, blauer Flecken, ein wenig Blut und mit dem breitesten Grinsen im Gesicht. Meine Cousine seufzt resigniert. „Was habt ihr zwei heute wieder angestellt?", fragt sie und massiert sich leicht genervt die Schläfen. „Fimbur, Algrim und Grom haben es doch darauf angelegt!", versucht Fili uns zu verteidigen. „Das ist das vierte Mal! In fünf Tagen!", schimpft meine große Cousine uns. „Seht euch doch an, wie ihr wieder ausseht!" Filis rechtes Auge ist blau und angeschwollen, seine Hände sind aufgerissen. Ich sehe nicht besser aus. Meine gesamte linke Gesichtshälfte ist rot, geschwollen und an einer Stelle ist die Haut aufgerissen und ein kleines Rinnsal an Blut rinnt mein Gesicht hinunter bis zu meiner aufgeplatzten Unterlippe. „Bei Durin, diese Kinder treiben mich noch in den Wahnsinn" flucht Rana vor sich hin während sie Salben und Verbandszeug zusammensucht." Fili und ich sehen uns nur grinsend an. Das war es aber wert!
Nachdem wir verarztet sind, zwingt meine Mutter uns im Haus zu bleiben und unsere musikalischen Fähigkeiten auszubauen. Also müssen wir wieder mal unsere Musikinstrumente spielen. Und das tun wir mehr schlecht als recht. Fili spielt Fiedel, während ich versuche die richtigen Töne auf der Querflöte zu treffen. Wir sind nicht schlecht, aber gut sind wir eben auch nicht. Nach einer ganzen Stunde voller Übungen ist unsere Stimmung im Keller und wir geben auf. Rana bemerkt unsere schlechte Laune und hat offenbar ein schlechtes Gewissen deswegen. „Warum so grummelig?", fragt sie scherzhaft, um die Stimmung etwas zu heben. „Wir sind so unmusikalisch." „Wir werden nie gut spielen können", murmeln wir beleidigt vor uns hin. „Würde es euch ein wenig aufmuntern, wenn ich euch etwas vorspiele?" Sofort hellen sich unsere Gesichtsausdrücke auf. Ein begeistertes „JA!" ist die Antwort. Und so holt meine Cousine ihre Harfe und stimmt ein Lied an. Als sie dann zu singen anfängt, glaube ich, dass nur ein Engel besser singen könnte. Wir lauschen dem Lied, hören wie Ranas Stimme die Worte durch den Raum schweben lässt. Das Lied klingt traurig und verzweifelt. Und genauso singt die Zwergin vor uns auch. Die letzten Töne verklingen und eine Zeit lang sitzen wir nur still da. Jeder hängt seinen Gedanken nach. „Wann kommen unsere Leute wieder zurück?", durchbreche ich die Stille mit der Frage, die jeden beschäftigt. Rana kämpft mit sich, sucht nach den richtigen Worten um es uns zu erklären. „Ich weiß es nicht", gibt sie schließlich leise zu. „Ich weiß nicht wann sie zurückkommen, ich weiß nicht wie viele es wieder nach Hause schaffen werden und ich weiß nicht, ob wir überhaupt auch nur einen von ihnen wiedersehen."
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Ranas Lied ist oben im Anhang zu finden.
Ich hoffe euch gefällt die Geschichte bis jetzt, Leute.
Kurze Frage:
Hättet ihr Lust, irgendwann mehr über Cadrinas Cousine Rana zu erfahren? Sie ist eigentlich ein sehr interessanter Charakter und ich würde ihr in einer Mini-Story ein bisschen mehr Tiefe geben. Natürlich nur, wenn ihr wollt :)
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I belong with my love (Fili ff)
FanfictionFili und Cadrina sind seit sie kleine Zwerglinge waren unzertrennlich. Sie verbringen jede freie Minute zusammen und die verschiedensten Erlebnisse und Erfahrungen prägen sie, während sie auf der Suche nach Abenteuern die blauen Berge durchstreifen...