Kapitel 6 - Und nun?

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Ich konnte mich nicht bewegen.
Ich konnte gar nichts tun, außer zuzusehen, wie meine Welt zerbrach. Wie ein riesengroßer Hammer direkt auf mein Herz einschlug, welches sofort in tausende Einzelteile zersprang. Und genau diese Splitter bohrten sich von innen in meine Brust.
Mir wurde schlecht. Nein. Das konnte nicht wahr sein. Doch auch nachdem ich kurz die Augen schloss und sie wieder öffnete bot sich mir das gleiche Szenario.
"Was...", brachte ich mit erstickter Stimme gerade so hervor und spürte wie sich meine Kehle zuschnürte.
Fassungslos und bemüht auf den Beinen zu bleiben, die mir gerade am liebsten ihren Dienst versagt hätten konnte ich meinen Blick einfach nicht abwenden. Auch wenn ich nichts lieber getan hätte und jede Sekunde in der ich es mit ansehen musste mich ein Stück mehr zerriss.
Ich konnte spüren, wie sich diese Bilder in meinen Kopf brannten, der sich dröhnend dagegen wehren wollte und doch machtlos war.
Nur verschwommen bekam ich mit, wie Sohvi sich über die Schulter in meine Richtung drehte und sofort aufhörte.
"Samu!", rief sie und sprang eilig von diesem mir vollkommen fremden Mann, der bis vor einer Sekunde noch seine Hände auf ihrer nackten Haut abgelegt hatte.
Sie starrte mich erschrocken an, während sie sich schnell die Decke bis über die Brust zog. Ich suchte verzweifelt Halt an der Wand hinter mir und knickte im nächsten Moment doch ein Stück ein.
"Fuck.", hörte ich sie sagen, als sich nun endlich die ersten Tränen aus meinen Augen lösten. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte einfach nicht!
Und doch wusste ich, dass dieser Schmerz, der meinen gesamten Körper in Besitz genommen hatte keine Einbildung war. Er war real.
"Samu, ich..", begann sie noch, brach aber ab. Sie schien zu wissen, dass es für das was ich hier gesehen hatte weder eine Erklärung, noch eine Entschuldigung gab.
All die schönen vergangenen Jahre, alles was mir die letzte schwere Zeit über immer wieder den Halt gegeben hatte, den ich so dringend brauchte war plötzlich verschwunden.
Der Boden auf dem ich gestanden war, wenn auch noch so wackelig wurde mir unter meinen Füßen weg gerissen. Und das ausgerechnet von Sohvi, der Frau, an die ich mich immer wieder geklammert hatte um nicht zu fallen.
Jetzt fiel ich. 

Meine Beine wurden schwächer und noch immer wünschte ich mir so sehr, dass ich gleich aufwachen würde. Aber das tat ich nicht.
Ich schluckte schwer, während mir unaufhörlich heiße Tränen über die Wangen liefen.
Mein Kopf lehnte an der kalten Wand hinter mir, die gerade das einzig stabile zu sein schien und ließ die die letzten Jahre vor meinem geistigen Auge vorbei ziehen. Wie konnte Sohvi mir das nur antun? Nach allem was wir immer wieder füreinander getan und miteinander durchgestanden hatten? Nach den vielen glücklichen Momenten, die wir gemeinsam erleben durften.
"Samu, das war nicht.." Ich wollte es nicht hören. Was sie auch sagen wollte, es interessierte mich nicht mehr. Nie, niemals in meinem Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass sie sich so verändern könnte. Mich so verletzen.
"Sei still.", brachte ich gerade so heraus und sah nochmal kurz zu ihr hinüber. Erschrocken und besorgt war ihr Blick.
Ha. Als ob ich ihr das auch nur eine Sekunde lang abkaufen würde.
Alles was meine Kraft noch hergab legte ich in das nächste Wort, das über meine Lippen kam und von dem ich nicht gedacht hätte, es jemals zu ihr sagen zu müssen.
"Verschwinde."
Leider klang es nicht annähernd so energisch wie ich es wollte - am liebsten hätte ich meine Enttäuschung hinausgeschrien.
"Zieh dich an. Und dann raus.", sagte ich matt und wandte mich anschließen an den fremden Mann in meinem Bett, auch wenn es mich eine unglaubliche Überwindung kostete und mein Magen sich bei dem Gedanke daran, was er mit meiner Freundin gemacht hatte umdrehte.
"Das gleiche gilt für dich."
Danach drehte ich mich um und verließ wie ferngesteuert das Schlafzimmer. Lautstark ließ ich die Türe hinter mir zuknallen und widerstand dem Drang einfach in's Bad zu laufen und mich zu übergeben, der plötzlich immer stärker wurde.
Stattdessen öffnete ich das große Fenster vor mir und versuchte mit frischer Luft gegen das erdrückende Gefühl anzukämpfen, das sich immer enger um meinen Brustkorb zusammenzog.
Gerne hätte ich tief durchgeatmet, doch stattdessen ballten sich meine Hände zu Fäusten und mein Atem ging flach. Ich schloss die Augen, bis nach wenigen Minuten die Schlafzimmertüre wieder geöffnet wurde und ich Schritte vernahm. In der Hoffnung, die beiden würden einfach verschwinden und mich in Ruhe lassen blieb ich stehen und wartete. Doch nicht einmal dieser Wunsch wurde mir erfüllt.
Ich spürte plötzlich eine sanfte Berührung an meinem Arm und zuckte sofort heftig darunter zusammen.
Dann war da Sohvis Stimme.
"Samu, ich.. Es tut mir leid. Können wir nicht.."
"Nein!", rief ich und auf einmal schien meine Stimme wieder kräftiger.
"Du verschwindest jetzt aus meiner Wohnung. Sofort. Und für immer."
"Aber.."
Das war doch nicht zu glauben. Hatte sie nicht schon genug angerichtet, mich genug gequält?
"Los jetzt!"
Ich sah sie nicht mehr an, hörte nur noch ihre Schritte und wie sie irgendwas zu dem Mann sagte, der ihr dabei geholfen hatte mich zu zerstören.
Die Türe schloss sich.
Dann erfüllte schmerzhafte Stille die Wohnung. 

In this Heartbreak CenturyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt