Kapitel 19 - Die Insel

189 4 1
                                    

Bereits eine halbe Stunde nach dem Frühstück stand ich am nächsten Tag vor Emilias Zimmer, bewaffnet mit einem Rucksack voller Verpflegung, einem Plan für den heutigen Tag und jeder Menge Motivation.
Es galt schließlich, irgendwie mit den gestrigen Erlebnissen mitzuhalten und dafür musste heute auch wieder alles perfekt funktionieren. Wobei ich sicher war, dass alleine Emilias Anwesenheit mir auch heute wieder genügen würde.
Als ich ihr vorhin allerdings geraten hatte, Badesachen mitzunehmen schien ihre Vorfreude ein wenig getrübt, doch zu meinem Glück sagte sie trotzdem nach kurzem Zögern zu.
Man musste ja nicht zwingend schwimmen gehen, aber auf einer Insel wäre es doch beinahe unmöglich, nicht zumindest für den Fall ausgerüstet zu sein.
“Emi, ich bin’s!”, rief ich freudig und klopfte gleichzeitig einer Melodie ähnelnd an die Türe. Ein paar Sekunden lang herrschte Stille und kurz machte ich mir Sorgen, es könnte wieder etwas passiert sein.
Wenn sie nun doch keine Lust mehr hatte, oder sich nur mit meiner Gegenwart nicht sicher genug fühlte?
Meine Bedenken verschwanden allerdings sofort als ich ihre Stimme von drinnen vernahm.
“Gleich!”, hörte ich noch, gefolgt von einem ziemlich lauten Poltern - bestimmt nicht gesund für was auch immer gerade heruntergefallen war.
“Alles ok?”, wollte ich dann doch wissen und als Antwort ging auch schon die Türe auf und vor mir stand eine mal wieder zu warm angezogene Emilia.
“Bestens. Musste nur kurz prüfen, ob der Boden wirklich was aushält. Selbstexperiment.”, erklärte sie mir in aller Ruhe und fischte ihren eigenen Rucksack von der kleinen Kommode beim Eingang.
“Du bist gerade..”
“Hingefallen, ja! Können wir jetzt gehen?”, bestätige sie und stand im nächsten Moment auch schon neben mir auf dem Gang.
Ich konnte leider nicht anders, als zu lachen.
Vielleicht nicht gerade einer meiner charmantesten Züge, doch schadenfroh war ich leider nun mal und das konnte man wirklich nur sehr schwer ändern. Außerdem war ihre Art, mir von dem Sturz zu berichten überraschend lustig.
In der Erwartung, sie eher wenig begeistert von meinem Lachen zu sehen, wagte ich doch einen kurzen Blick zu ihr und sah sie dann ebenfalls schmunzeln.
Wie süß das wieder aussah..
“Entschuldige. Hast du dir weh getan?”, fragte ich dann nachdem ich mich von der Vorstellung, wie sie hinfiel wieder erholt hatte.
“Ein bisschen. Aber es geht schon, gibt schlimmeres.”
“Na gut. Aber wenn es doch nicht geht, sagst du es. Ja?”
Sie nickte.
"Dann können wir ja los."
Zum zweiten Mal seit gestern machten wir uns also nun auf den Weg zum Hafen. Diesmal allerdings nicht zu diesen Touristen-Ausflugsbooten, sondern zu einem kleineren Bootsverleih etwas weiter abseits.
Tatsächlich hatte ich gestern noch herausfinden können, welche der vielen kleinen Inseln heute nicht von Touristen überflutet sein würde und mit ein wenig Zuschlag in Form von Dollarscheinen ließ sich auch die beste Route zu einer davon planen.
Die Erlaubnis, heute dort sein zu dürfen war ebenfalls überraschend schnell und problemlos besorgt - vermutlich war ich nicht der Erste, der eine der Inseln gerne mal für eine Weile ungestört zur Verfügung hätte.
Auch hier war es durchaus hilfreich, nicht lange über den Preis nachdenken zu müssen.
Als wir schließlich bei besagtem Bootsverleih ankamen, schien der Besitzer schon auf uns zu warten, so wie er mich sofort fragend ansah.
“Wir haben telefoniert.”, erklärte ich ihm nach einer kurzen Begrüßung und sofort nickte er.
“Alles klar, dann gehen wir mal zu ihrer schwimmenden Untertasse.”, antwortete er gut gelaunt und war auch schon zielstrebig unterwegs. Emilia neben mir musste kurz schmunzeln.
“Schwimmende Untertasse? Ich kenn die nur fliegend."
“Untertassen sind wohl sehr talentiert.” Gemeinsam folgten wir ihm und nach einigen Metern blieb er auch schon wieder stehen.
Natürlich musste mein Führerschein noch geprüft werden und er nahm genauestens meine Daten auf.
Wir sahen zwar meiner Meinung nach nicht nach Boot-Dieben aus, aber er wusste ja nicht, was wir gerade auf finnisch besprachen.
Vielleicht waren es ganz böse Pläne.
Bei dem Gedanke daran, dass er wirklich keinen Ton verstand musste ich doch in mich hinein grinsen - man konnte alles mögliche von sich geben und er würde vermutlich nichtmal mit der Wimper zucken, weil er gar nicht bemerkte, dass man ihn ansprach.
“Man, der ist vielleicht blöd. Hast du das Heroin?”, fragte ich Emilia gut hörbar und genau wie ich es mir gedacht hatte, kümmerte es den Mann überhaupt nicht.
Sie hingegen sah mich an, als wäre ich von einem anderen Planeten.
“Was redest du denn da?”, fragte sie mich völlig entgeistert und nun konnte ich gar nicht mehr anders, als zu lachen.
Die Reaktionen der beiden waren doch einfach zu lustig.
“Bist du verrückt geworden?”
“Bin ich nicht. Aber der versteht doch eh nichts. Wir können alles sagen was wir wollen.”, lachte ich noch immer, als besagter Herr auch schon mit schreiben fertig war und freundlich lächelnd auf das Boot vor uns zeigte.
“Bis heute Abend um acht sind Sie bitte wieder hier.”, meinte er und reichte mir nun endlich den Schlüssel.
“Danke! Bis später.”
“Und viel Spaß”, schob er dann noch mit einem vielsagenden Grinsen hinterher, welches ich einfach ignorierte.
Was er in diesem Moment dachte war ja wohl klar. 
“Komm.”
“Ich weiß nicht. Du bist sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist?”, zögerte Emilia und sah mich skeptisch an.
“Sicher. Du kannst nachher gerne meine Tasche durchsuchen, da sind wirklich keine Drogen drinnen.”
“Na dann..”, stieg sie schließlich doch ein und ein paar Minuten später waren wir auch schon unterwegs.
Zum Glück hatte ich darum gebeten, die passende Route auf dem eingebauten Navi bereits eingestellt zu haben, denn so war es für mich überhaupt kein Problem uns durch das Meer zu fahren.
Ein kurzer Blick nach hinten zu Emilia zeigte mir, dass sie gerade nicht in meinem Rucksack wühlte, sondern stattdessen einfach nur die Fahrt genoss. Genau so hatte ich mir das vorgestellt.
“Sag’ mal.. Wohin fährst du mich jetzt eigentlich?”, fragte sie nach einer Weile, als wir bereits aus dem Hafen und all dem Getümmel drum herum draußen waren und kam vorsichtig zu mir nach vorne.
“Dahin.”, deutete ich auf den kleinen Navi-Bildschirm und den noch kleineren Punkt, der unser Ziel markierte.
“Darunter kann ich mir jetzt was vorstellen.”
“Eine kleine Insel ist das. Heute kommt dort kein Touristenboot hin. Ich dachte mir, da wir schon vorgestern den Ausflug nicht gemacht haben, können wir ihn ja heute nachholen. Aber eben alleine.”, erklärte ich ihr also und hoffte, sie würde sich freuen. Immerhin konnte ich mir wirklich vorstellen, dass es ihr schwer fiel sich zu entspannen, wenn wir nur zu zweit waren - trotz all der Fortschritte war ich doch noch immer ein Mann und ihre schlechten Erfahrungen ließen sich auch nicht von heute auf morgen einfach löschen.
Das war hier schließlich kein Videospiel, wo man einfach mal auf's speichern vergaß und alles war wieder weg.
“Was hälst du davon?”, fragte ich nach, als von ihr kein Ton kam und sah ein wenig besorgt in ihre Richtung.
“Ich.. Also das.. Das ist toll!”, antwortete sie dann endlich und ließ mich damit erleichtert aufatmen.
Gut so.
Dann konnte ich ja nun auch etwas mehr Gas geben, denn immerhin wollte ich heute noch ankommen.
Eine gute Viertelstunde später war auch endlich die Insel samt winzig kleiner Anlegestelle in Sicht. 

In this Heartbreak CenturyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt