Kapitel 18 - Mehr als ein Fisch im Wasser

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Meinetwegen könnte sie es ständig tun, denn nicht nur interessierte mich jedes ihrer Worte, sondern auch ihrer Stimme könnte ich ewig zuhören.
Während sie sprach, begann Emilia leicht unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen und das Gesagte mit Gesten zu unterstreichen - eine kleine Eigenart, welche ich an ihr auch noch nicht kannte, die mir allerdings auch an mir selbst schon aufgefallen war. Beziehungsweise allen anderen auffiel und mir dann von einer gewissen Person erklärt wurde, ich sollte doch mal stillhalten.
Schon wieder war ich bei diesem Thema.
Nein, zurück zu Emilia!
Diese war inzwischen wieder stehen geblieben.
“Ich bin ja immerhin jetzt hier, mit dir. Am anderen Ende der Welt und so weit weg von daheim wie noch nie! Und dieser Urlaub war bis jetzt der schönste, den ich je erleben durfte. Dank dir. Ja, ich hatte Angst. Aber.. Jeder kann mal Fehler machen, das weiß ich. Ich habe vielleicht auch ein bisschen heftig reagiert, also.. Es tut mir leid.”
Einmal mehr fragte ich mich, wie ein einzelner Mensch eigentlich so bezaubernd sein konnte.
Denn genau das war sie in diesem Moment, wie sie mich tatsächlich bittend ansah, als könnte ich ihr ernsthaft böse sein und als hätte sie überhaupt irgendetwas falsch gemacht.
“Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Du hast alles richtig gemacht."
Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, bevor sie wieder ernst wurde.
"Hab ich.. Hab ich jetzt zu viel geredet?"
"Gott, nein! Ich will doch, dass du ehrlich zu mir bist. Egal wie viele Worte du dafür brauchst! Und falls es dir entgangen sein sollte.. Ich rede selbst sehr gerne."
Auf einmal fühlte sich die ganze Situation hier wesentlich weniger angespannt an und als ich sie leise kichern hörte, wusste ich sofort warum.
Wie schön es doch klang, wenn sie lachte. Und ich Idiot hatte ihr dieses Lachen heute einen ganzen Tag lang geraubt.
Bis jetzt jedenfalls.
"Doch, das ist mir schon hin und wieder aufgefallen.", meinte sie dann und ließ schließlich auch mich grinsen.
"Gute Detektivarbeit."
"Danke, Watson."

Tatsächlich verbrachten wir den Rest des angebrochenen Abends noch gemeinsam, bis ich mich schließlich verabschiedete, ehe wir beide an Ort und Stelle einschliefen.
Das war vielleicht ein anstrengender Tag gewesen.. Und doch, kaum lag ich in meinem Bett, schwirrten wieder alle möglichen Gedanken durch meinen Kopf.
Emilias Narben hatten wir danach überhaupt nicht mehr angesprochen und ich war mir nicht einmal sicher ob sie meine Bemerkung darüber überhaupt so richtig wahrgenommen hatte.
Früher oder später würde ich es ihr auf jeden Fall klar machen, so lange bis sie es selbst glaubte.
Selbst wenn das noch ewig dauern würde, aber Emilia musste einfach irgendwann verstehen wie schön sie war, genau so und nicht anders.
Wieder formten sich neue Sätze, fügten sich zusammen und eine weitere Nacht verbrachte ich mehr mit meiner Gitarre als mit Schlaf.
Da konnte ich noch so müde sein, wenn mir eine Idee kam war ich wieder munter, ganz egal zu welcher Uhrzeit.
Seit wir zu zweit auf diesem Urlaub waren, kamen mir plötzlich mehr Einfälle als die ganzen letzten zwei Jahre zusammen. Es war beinahe nicht zu glauben und ich hätte es auch nie erwartet.
Ja, der Urlaub sollte der Entspannung dienen.. Doch die Hoffnung, wieder Songs schreiben zu können und dies sogar ehrlich zu wollen, hatte ich gar nicht zu haben gewagt.
Natürlich war nicht jeder einzelne ein Meisterwerk, doch alleine schon die Tatsache, langsam wieder Spaß an dem ganzen Prozess zu finden genügte mir schon.
Bei dem Song, der gestern Nacht geboren war hatte ich allerdings schon jetzt ein wirklich gutes Gefühl.. Vielleicht spielte ich ihn Emilia irgendwann sogar vor - schließlich wäre er ohne sie bestimmt nicht zustande gekommen.
Heute allerdings würden wir dafür wohl kaum Zeit finden, denn es stand der Tauchkurs beim Riff auf dem Plan und schon in einer Stunde sollten wir beim Boot sein.
Das Boot, welches uns hinaus auf's Meer bringen würde und abends hoffentlich auch unbeschadet wieder hierher zurück. 

Ich konnte mich allerding bereits während unseres gemeinsamen Frühstücks nicht mehr zurückhalten und berichtete Emilia von meinen nächtlichen Erfolgen.
“Das ist doch toll! Vor allem weil du ja selbst gar nicht mehr daran geglaubt hast, dass es dir wieder Spaß machen könnte!”, meinte sie daraufhin und war dabei beinahe so aufgeregt wie ich selbst.
Ich konnte es nur immer wieder wiederholen - sie war einfach bezaubernd.
“Stimmt. Und nach der Sache mit Sohvi.. Hätte ich es auch wirklich nicht mehr erwartet. Ich habe mich immer gefühlt, als würde jede Hoffnung nur durch sie überhaupt bestehen. Aber da habe ich mich ganz offensichtlich geirrt.”
Worüber ich mehr als nur froh war, denn anscheinend gab es da noch etwas anders, was mich trotz allem zur Musik trieb.
Mein Verdacht, dass es vielleicht wirklich an dieser Frau, die mir gegenüber saß und gerade lächelnd in ein Marmeladebrot biss, liegen könnte, verstärkte sich langsam aber sicher immer weiter.
Es konnte schließlich kein Zufall sein, wie mir plötzlich die Ideen nur so zugeflogen kamen und die von gestern erst recht nicht. Das war immerhin in ein Song, der sozusagen für sie entstanden war.
“Scheint so.. Aber lass dir Zeit. Du musst das alles ja noch niemandem zeigen oder erzählen bevor du dir nicht ganz sicher bist.”, meinte sie dann.
Sohvi hätte mich schon bei dem ersten Anzeichen einer möglichen Idee eigenhändig in’s Studio gezerrt, das wusste ich ganz genau und mittlerweile war mir auch klar geworden weshalb.
Wie sah es schon aus, wenn der eigentlich berühmte Freund nichts mehr auf die Reihe bekam und kein neues Geld mehr mit heim brachte.. Es war mir im Nachhinein immernoch unbegreiflich, wie ich mich derart auf sie hatte stützen können.
“Nein, bestimmt nicht. Aber es ist einfach schön, endlich mal wieder etwas zu tun. Einfälle zu haben, die mir gefallen und die einfach wie von selbst kommen.”
“Das glaube ich dir. Noch was.. Danke. Für gestern Abend. Ich glaube, mir hat das alles wirklich gut getan.”, wechselte sie das Thema und sah dann, ohne mir überhaupt eine Gelegenheit zu antworten zu geben auf ihre Uhr.
“Ähm.. Und ich glaube, wir sind spät dran.”
Natürlich waren wir das.. Wie konnte es mit mir auch anders sein?
So sehr ich Unpünktlichkeit bei anderen nicht leiden konnte, war ich doch selbst unverbesserlich was das anging.
Ich konnte nicht einmal etwas dagegen tun, es passierte einfach immer wieder. 

In this Heartbreak CenturyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt