Kapitel 10 - *Klick*

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Ihre Stimme war so leise, dass ich mich anstrengen musste auch wirklich jedes ihrer Worte zu verstehen, die mir sofort einen kalten Schauer über den Körper jagten.
Was mussten das nur für “Männer“ gewesen sein?
„Ich.. Und am Anfang.. Also.. Er war eigentlich immer nett.. Nur als wir dann..“
Sie konnte nicht mehr.
Das würde wohl jeder merken, der hier gemeinsam mit ihr stand, so wie sie sich schon über diese wenigen Worte quälen musste.
„Entschuldige..“, murmelte sie als nächstes und im ersten Moment dachte ich, mich eben verhört zu haben. Wofür genau sie sich nun entschuldigen könnte war mir tatsächlich ein Rätsel, und genau so sah ich sie daraufhin wohl auch an.
Bis mich gleich darauf ihr unsicherer Blick traf – sie meinte das also wirklich ernst.
„Du.. Du musst dich dafür doch nicht entschuldigen..“, brachte ich gerade noch hervor, in Gedanken noch immer bei dem was Emilia mir vor wenigen Sekunden erzählt hatte.
Bei einer solchen Vergangenheit wunderte mich tatsächlich nichts mehr, am allerwenigsten ihr Misstrauen.
Wenn diese Kerle ihr immer nur die netten Typen vorgespielt hatten und erst nach einer Weile ihre Maske fallen ließen..
Wie schwer musste es nach derartigen Erfahrungen sein, überhaupt jemandem zu vertrauen?
Und dennoch, trotz all dieser schrecklichen Geschehnisse, die ihr nie im Leben hätten widerfahren sollen, stand sie nun hier bei mir auf meinem Boot.
„Emilia.. Das tut mir alles so leid..“, meinte ich nach einer Weile Stille zu ihr, und vernahm daraufhin bloß ein leises Schniefen von neben mir.
„Hey.. Wenn du mehr erzählen möchtest, dann mach das. Ich höre dir zu.“
„Ach ich weiß doch auch nicht.. Ich habe einfach immer das Gefühl, dass ich niemandem vertrauen kann. Am allerwenigsten mir selbst. Ich kann Menschen wohl einfach nicht einschätzen. Das macht mir Angst.“
Sie konnte sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie sehr ich ihre Worte verstehen konnte.
Nicht bloß akustisch, sondern ich wusste tatsächlich wovon sie sprach.
Wenn auch nicht in einem solchen Ausmaß, hatte ich mich selbst im Laufe der Jahre ebenfalls in so einigen Menschen getäuscht und mich danach gefragt, wie das bloß hatte passieren können.
Manchmal verlor auch ich mich derart in Gedanken oder Wunschvorstellungen, dass die Realität davon beinahe völlig verdrängt wurde.
Umso härter war jedes Mal wieder der Aufprall auf dem Boden eben dieser, wenn einem – auf welche Weise auch immer – die Augen geöffnet wurden.
Man konnte es wohl nicht wirklich vergleichen, aber die Geschichte mit Sohvi war nur ein weiteres Beispiel für genau eine solche Täuschung.
„Ich verstehe.. Und die Therapie hilft dir dabei?“
„Sollte sie, ja. Es ist auch schon besser geworden. Immerhin spreche ich wieder mit anderen Leuten. Wobei das auch dein Verdienst ist.“, kam dann überraschenderweise als Antwort.
„Meiner?“, stellte ich sofort die wenig sinnvolle, aber erste Frage die mir dazu in den Sinn kam.
„Wieso das denn?“
Obwohl sie bis vor kurzem noch geweint hatte und dementsprechend ihre Augen noch leicht gerötet waren, huschte nun doch ein kleines Schmunzeln über ihre Lippen.
„Naja.. So wie du mich immer wieder überfallen hast.“
Auch ich musste lächeln.
Ja, man konnte wohl nicht leugnen, dass ich was sie anging eine gewisse Hartnäckigkeit besaß.
Schon vom ersten Tag an, und eigentlich hatte sich daran auch nichts geändert- die ganze Zeit wollte ich schon mehr über sie wissen und ihr helfen, jetzt, nachdem ich erfahren hatte woher ihr Verhalten kam, wurde dieser Wunsch nur noch größer.
„Manchmal ist es gar nicht so schlecht, nicht locker zu lassen.“, antwortete ich ihr nach einer kurzen Pause und dieser Satz beförderte mich, kaum hatte ich ihn ausgesprochen, wieder in die Vergangenheit zurück.
Jene Vergangenheit, in der ich gerade angefangen hatte, mit meinen Freunden Musik zu machen und wir versuchten, bei einer Plattenfirma einen Vertrag zu bekommen.
Wie oft wir Absagen, gemeinsam mit diversen Beleidigungen bekommen hatten, wäre es beinahe nicht mehr wert gewesen, sie zu zählen.
Ich wusste nicht einmal, dass es überhaupt so viele Firmen gab, bis wir sie gefühlt alle abgeklappert hatten.
Ohne locker zu lassen.
Dieses Gefühl, als wir damals tatsächlich nicht sofort aus dem Raum geworfen wurden und nach einem kurzen Gespräch die entscheidende Zusage bekamen, war ganz plötzlich wieder so präsent als wäre es erst ein paar Wochen her.
Anstatt viele Jahre und Ereignisse.
Ich hatte keine Ahnung, wann ich mich bei dem Gedanken an unsere Musik das letzte Mal so gefühlt hatte wie gerade eben, in diesem Augenblick.
In letzter Zeit schienen es immer nur Erinnerungen an den anfänglichen Enthusiasmus und die Frage, wo eben dieser wohl im Laufe der Jahre hin verschwunden war, doch diesmal war es wirklich da.

In this Heartbreak CenturyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt