Kapitel 27 - Flag

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Ja, wir kannten alle seine Art und sein Denken.. Aber diese Aussage überraschte nun sogar mich.
“Erstens ging das alles nicht von ihr aus. Zweitens hatte ich das zweifelhafte Vergnügen einem ihrer Exfreunde zu begegnen.”
Dass ich, drittens mit eigenen Augen gesehen hatte was ihr widerfahren war ließ ich weg.
Das wäre dann wirklich zu viel des Guten gewesen.
“Und drittens, mein Freund! Ist sie nicht so. Ich weiß das ganz genau und wenn ihr sie alle ein bisschen kennenlernt, dann merkt ihr das auch ganz schnell. An das was du hier gerade andeutest habe ich nämlich nicht mal eine halbe Sekunde lang gedacht, verstehst du? Der Gedanke kommt einem einfach nicht, wenn man Zeit mit ihr verbringt.”
“Deswegen muss es ja auch jemand erwähnen”, antwortete er nur ziemlich trocken und anscheinend noch nicht wirklich von meiner Erklärung überzeugt.
Bevor ich mich allerdings noch weiter aufregte, denn dazu würde es ohne jeden Zweifel sehr bald kommen, spürte ich schließlich jetzt schon Hitze in meinem Körper aufsteigen, beende ich dieses Gespräch lieber.
"Solange du nett bist ist mir erstmal egal, was du denkst. Und ich gehe jetzt auch wieder zurück.”
“Du bist schon wieder beratungsresistent.”
Er schien völlig unbeeindruckt von allem was ich gerade gesagt hatte.
“Weil es nicht das gleiche ist!”, waren meine letzten Worte bevor ich den Raum verließ und kopfschüttelnd wieder zu den anderen ging.
Unfassbar.
Ich vertraute ihm um einiges mehr an als ich wahrscheinlich sollte und ihn interessierte es überhaupt nicht.
Es war ja schön und gut wenn er sich um mein Wohl sorgte aber Emilia derartiges vorzuwerfen musste doch nicht sein. Etwas mehr Mitgefühl würde ihm gut tun.
Zugegeben, er lag richtig damit, dass ich mir von ihm nicht einreden ließ, dass sie etwas im schilde führen könnte.
Aber alleine diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen war schon lächerlich.
Emilia und Sohvi waren doch so grundverschieden wie Feuer und Wasser.
Mindestens!
Die paar Meter bis zu den Jungs konnte ich also gut gebrauchen um mich wieder etwas zu beruhigen und mich weiter davon zu überzeugen, dass es unsinnig war darüber auch nur eine Sekunde nachzudenken. 
“Da ist er ja wieder! Hast du Mikko am Leben gelassen?”, wollte Sami wissen, kaum hatte er mich wieder entdeckt.
“Gerade so”, murmelte ich bevor ich abrupt stehen blieb.
Emilia war auch wieder hier und es schien ihr besser zu gehen als vorhin.
Kaum erblickte ich sie, machte sich das schlechte Gewissen in mir breit.
Ich hätte mit ihr besprechen sollen was und wie viel ich erzählte, anstatt diese Entscheidung einfach so zu treffen wie es mir richtig erschien.
"Alles in Ordnung?", fragte sie auch schon als ich mich noch immer nicht gerührt hatte.
Nein, eigentlich war nicht alles in Ordnung doch ich nickte trotzdem und lächelte.
Wenn auch gezwungen aber diese Art von Lächeln hatte ich in den letzten Jahren schließlich oft genug geübt und irgendwann auch perfektioniert.
Ihrem Blick nach zu urteilen aber nicht so sehr wie ich eigentlich dachte.
“Also Haber. Du hast gesagt, du hast einen Song?”
Ein Glück wechselten wir das Thema, denn so konnte ich das schlechte Gewissen wenigstens für den Moment verdrängen und mich auf anderes konzentrieren.
Zum Beispiel darauf den Song zu spielen, der mir vor ein paar Tagen erst eingefallen war.
Klar, von all meinen Ideen war er noch am wenigsten ausgereift aber ich wusste einfach, dass er passte.
Er passte auf mich, die Band und Emilia.
Für jeden zwar auf seine eigene Art doch das war schließlich das Wesen eines guten Songs.
Derjenige der ihn hörte sollte sich selbst damit irgendwie in Verbindung bringen können oder zumindest etwas dabei fühlen.
Das tat ich bei diesem auf jeden Fall.
“Habe ich. Mehrere sogar. Aber mit einem muss ich ja anfangen”, lächelte ich, nun wieder ehrlicher als ich meine Gitarre auspackte.
“Mehrere? Heißt das das, was wir gerade alle hoffen?”, wollte Riku leicht aufgeregt wissen.
“Genau das heißt es.”
Ich setzte mich und wollte gerade anfangen als mir ein anderer Gedanke kam.
Vielleicht wäre es angebracht, nicht einfach so aus heiterem Himmel anzufangen sondern vorher noch ein paar Worte zu sagen.
Ein Song - an sich ja keine weltbewegende Sache..
Doch in meinem, besser gesagt unserem Fall könnte das ein sehr bedeutender Moment werden. 
Ich räusperte mich also und überlegte noch kurz was passend wäre.
Vermutlich hatten wir gar nicht ausreichend Zeit um alles zu erwähnen und zu sagen doch ich konnte versuchen, es auf das wichtigste zu reduzieren.
“Jungs..”
“Spann uns doch nicht weiter auf die Folter!”, wurde Raul inzwischen auch ungeduldig.
Und das wollte etwas heißen, denn sein Geduldsfaden war von uns allen wohl der längste.
Aber es musste sein.
Mikko war inzwischen auch wieder zu uns gestoßen, wir waren also vollzählig und er sollte auch hören was ich mitzuteilen hatte.
Selbst wenn wir gerade alles andere als einer Meinung waren, ging es ebenso an ihn, wie an die anderen.
“Ich wollte euch nämlich noch sagen, dass es mir leid tut. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit nicht gerade einfach war. In keinster Weise und egal worum es ging. Ideen und Lust an dem ganzen hier habe ich auch nicht mehr mitgebracht wenn wir geübt haben.. Nicht einmal mehr auf Tour. Dafür muss ich mich jetzt mal offiziell bei euch entschuldigen. Ich habe selbst nicht mal mehr daran geglaubt, dass es wieder besser werden könnte und mir irgendwann wieder Ideen kommen könnten. Aber.. Genau das ist passiert. Ich hoffe, es geht so weiter und iht wollt überhaupt noch gemeinsam mit mir Musik machen. Und natürlich, dass euch die Songs überhaupt ein bisschen gefallen. Sie sind nämlich ein bisschen anders als gewohnt. Abersie fühlen sich irgendwie gut an - zumindest für mich.”
Lange dauerte es nicht bis der erste der Jungs auf meine Worte reagierte.
“Spinnt der?”, fragte Sami sichtlich erstaunt in die Runde bevor er sich direkt an mich wandte.
“Natürlich! Hast du überhaupt eine Ahnung wie sehr wir uns freuen?! Erstens darüber, dass es dir ganz offensichtlich wieder viel besser geht.. Denn das ist uns allen schon aufgefallen, kaum hast du den Raum betreten!”
“Und zweitens, dass du weiter machen willst.. Nicht weil du das Gefühl hast du musst, sondern weil es wieder Spaß macht?”
“Dir sei verziehen. Aber jetzt fang bitte endlich an zu spielen! Sonst platzen wir alle noch!”
Ich war ziemlich erleichtert, das musste ich zugeben.
Sie hätten genauso gut ablehnen können mir noch eine Chance zu geben, das alles hier zu retten.
Das war es zumindest, was ich gerade versuchte und zum ersten Mal seit einem halben Jahr auch wieder ernsthaft daran glaubte, dass es funktionieren konnte.
Nach einem letzten Seufzen und einem kurzen Blick zu Emilia, der hoffentlich mindestens so viel sagte wie meine Worte, fing ich an zu spielen. 

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