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Donnernd rauschte der schwere Anker der Moby Dick in das flache Wasser und ließ es wild aufspritzen, als das Schiff vor einer kleinen Sommerinsel in der neuen Welt einen kurzen Zwischenstopp einlegte. An Deck herrschte reges Treiben, als die ersten Beiboote zu Wasser gelassen und mit Proviant, vor allem aber Alkohol beladen wurden.
Der Kapitän des Schiffes, Edward Newgate, allen jedoch als Whitebeard bekannt, hatte vor ein paar Tagen dem langen Bitten des Schiffsarztes nachgegeben. Zuletzt stand es nicht gut um den alten Herren mit dem auffälligen, halbmondförmigen Weißbart, der ihm seinen Beinnamen eingebracht hatte. Zwar war Whitebeard ein sehr großer und starker Mann, doch hatte die Zeit auch an solch einer Persönlichkeit kräftig genagt. Um seine Gesundheit stand es nicht gut und die Spannen, an denen der Kapitän an irgendwelchen Infusionen und Messgeräten hing wurden über die letzten Jahre immer länger. Zuletzt beutelte ihn eine Grippe, die sich aber in eine Lungenentzündung wandelte. Zu stolz war Whitebeard gewesen, als das er eine Woche lang das Bett gehütet hätte.
Auch wenn die Lungenentzündung weg war, so brauchte der alte Mann etwas Erholung und meinte sie auf dieser unscheinbaren Insel zu finden.
Selbstverständlich waren alle froh, dass sich euer Kapitän so entschieden hatte. Auch wenn dies vornehmlich seiner Gesundheit diente, so konnte man sich die Vorfreude auf festen Boden unter den Füßen nicht verkneifen. Dir ging es da nicht anders. Seit Tagen warst du deswegen wie aus dem Häuschen und hattest dir im Kopf bereits eine Liste zusammengestellt, welche du an Land abarbeiten wolltest. Diese bestand zwar nur aus Essen, Schlafen, sich sonnen und betrunken sein, aber immerhin gingst du mit einem Vorsatz an Land!
 
Da standst du nun in deiner kleinen Kajüte und wühltest wild in der Kleidertruhe neben deinem Bett. Seit einer Stunde überlegtest du, was du für Kleidung mitnehmen solltest und dein kleiner Seesack war noch immer nicht voll. Natürlich hatte das keiner aus der Crew so richtig verstanden. Wie sollten sie auch? Männer waren eben immer mit leichterem Gepäck unterwegs, doch du wolltest, trotz deines Piratendaseins nicht auf die schöne Kleidung, Schmuck und Schminke verzichten. So viel Normalität gönntest du dir gerne, zumal dein Leben auf dem Schiff sowieso unbeschreiblich sonderbar war. Du warst umgeben von lärmenden Muskelprotzen und Teufelsfruchtnutzern, die mit den irrsinnigsten Fähigkeiten aufwarteten. Aber sie waren deine Familie und du liebtest jeden Einzelnen für seine Stärken, als auch für seine Schwächen.
Skeptisch drehtest du dich halbnackt vor dem mannshohen Standspiegel und hielst dir einige luftige Röckchen vor die Hüfte. Blau? Rot? Oder doch eher das roséfarbene mit den süßen, grauen Blümchen?
„Jo, Kleine!“, blubberte es plötzlich als er wieder mal die Tür ungefragt aufriss und in deine Kajüte polterte. Es war Ace, ein junger Mann von zwanzig Jahren mit nachtschwarzem Haar und feinen, wie auch leicht spitzbübischen Gesichtszügen. Er war seit ungefähr zwei Jahren an Bord und lief bei dir unter der Kategorie 'nervige Knalltüte´. Manchmal auch unter 'Fresssack´ oder 'Schlafmütze´, doch meist nanntest du ihn 'Freund´.
 
Und was für ein Freund er war!
 
Portgas D. Ace war schlank, athletisch gebaut und stark. Seine Stärke gründete nicht zuletzt auf der Tatsache, dass er einst von der Feuerfrucht, einer sehr seltenen Teufelsfrucht, gegessen hatte und nun eben jenes Element beherrschte und nach seinem Willen manipulieren konnte. Alles in allem war er ausgesprochen attraktiv. Du müsstest lügen, wolltest du das Gegenteil behaupten. Allerdings gab es eine Sache, die dich jedes Mal zur Weißglut trieb. Die Selbstverständlichkeit, mit der er dich hinnahm.
„Du Arschloch!“, kreischtest du panisch und wirbeltest herum, in der Hoffnung irgendetwas zu fassen zu bekommen, mit dem du deine Blößen bedecken konntest. Während du also panisch nach der Decke deiner Koje grabschtest, blieb der junge Mann wie angewurzelt stehen und ein tiefes Rot stieg in seinem Gesicht nach oben. Da war es auf einmal… dieses Starren! Dieses verdammte Starren!
Seit jeher hattest du es wie die Pest gehasst, wenn Leute dich ungeniert anstarrten und das taten sie oft, denn du warst wohl das, was man als hübsch bezeichnen würde, auch wenn du dich, wie jede Frau, nicht unbedingt selbst so sahst. Die Crew war dich gewöhnt und gaffte dich nicht an, auch wenn sie nur aus Männern bestand. Sicher fiel bisweilen der ein oder andere zweideutige Kommentar, aber damit kamst du gut zurecht. Doch nun hatte es das erste Mal einer aus deiner Familie gewagt dich in so einem persönlichen Moment zu überraschen und dich anzugaffen… und nein, es war dir nicht recht!
 
„Du Trampel, kannst du nicht anklopfen, wie jeder andere auch?!“, zischtest du, als du dir nach zwei gescheiterten Versuchen das Laken endlich um den Körper gewickelt hattest. Wie ein geschlagenes Tier verkrochst du dich hinter dem Standspiegel und warfst Ace die giftigsten Blicke zu, die du in solcher Situation zustande bringen konntest. Dein Gegenüber stand noch immer wie zur Salzsäule erstarrt vor dir und sein Kopf hatte ein leuchtendes Rot angenommen. Seine Augen waren weit aufgerissen, als er versuchte die Fassung wiederzuerlangen. Noch bevor der junge Mann auch nur ansatzweise eine Entschuldigung zustande stammeln konnte, warfst du ihm dein Kopfkissen gegen die Brust: „Verpiss dich, du Perverser!“, fauchtest du und warst schon im Begriff nach deiner Haarbürste zu greifen, um auch diese gegen Ace zu werfen, als dieser sich steif umdrehte und aus der Kajüte verschwand.

Leuchtkäferlicht  Verbotene Liebe  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt