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„Sie hat WAS?!“, fuhr der alte Mann nach oben und ließ die Flasche mit dem Sake fallen. Entsetzt war Marco zurück gewichen und hielt sich die Ohren zu. Whitebeards Schrei war so durchdringend gewesen, dass es ihm in den Ohren pfiff. Im Zelteingang wurden die Köpfe von Jozu, Thatch und Teach sichtbar. Sie hatten vor dem Zelt auf Marco gewartet, um nachher eine Runde Karten mit ihm zu spielen.
„Hat sie?“, fragte Teach und tippte Jozu auf die Schulter. Dieser nickte still und sein Gesicht war eine Wolke aus finsterem Ernst. Die beiden hatten Blackbeard und Thatch nichts auf dem Rückweg von ihrer Entdeckung erzählt. Zu sehr saß ihnen der Schrecken in den Gliedern und hatte ihre Münder mit entsetzen Unglauben verschweißt.
„Das is´ ja ein Ding!“, sprudelte es aus Teach heraus. Ein kaum sichtbares, schelmisches Lächeln kullerte über seine Lippen. Hingegen seines manchmal nicht ganz so wachen Verstandes, war ihm nicht entgangen, dass sein Kommandant schon immer eine auffällige Schwäche für dich gehegt hatte. Insgeheim freute er sich sogar für den kleinen Bock und wenn er ehrlich war, verstand er nicht so recht, was Jozu, Marco und vor allem Whitebeard für einen Aufstand darum machten.
„Wenn ich mich einmischen darf?“, warf Thatch ein und schlenderte zu Marco, der immer noch in Habacht Stellung vor seinem Kapitän lungerte, „Es steht mir ja nicht zu hier etwas zu sagen, da ich nicht Zeuge dieser Sache wurde, aber meint Ihr nicht auch, Vater, dass es… nun ja, dass man es einfach darauf belassen sollte?“
„Was redest du da, du Depp, eh?!“, begann Marco zu fauchen und schubste Thatch grob an den Schultern herum. Der erste Kommandant war außer sich und konnte nur mit Mühe von Jozu abgehalten werden Thatch anzuspringen. „Ace hat…!“
„Wieso Ace? Wenn ich es richtig verstanden habe, war Missy wohl alles andere als dagegen, oder?“, fuchtelte der Kommandant der vierten Division mit den Armen, als er versuchte das Gleichgewicht zu halten. Wie auch seinem Freund Teach war ihm die Tatsache, dass du eine junge, bildhübsche Frau geworden warst nicht verborgen geblieben. Sicher, er hatte diese Regel verstanden als du noch jünger warst, denn Piraten konnten bisweilen sehr aufdringlich sein, aber mittlerweile hielt er sie für überflüssig. In seinen Augen war das, was da geschehen war, völlig normal und das machte er allen Anwesenden verständlich. Thatch war es so egal, ob Ace der Sohn von Gol D. Roger war oder nicht. Er gönnte euch beiden neidlos das junge Glück. Basta!  

Seufzend ließ sich Whitebeard in seinen Sessel, den man vom Schiff mit auf das Land verfrachtet hatte, fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Sein kleines Mädchen!

Wie für jeden Vater, war es auch für ihn eine Belastung sich vorzustellen, wie du dich mit der Feuerfaust über die Laken suhltest. War das etwas Rogers letzter, großer Scherz gewesen?! Oh, er konnte den Piratenkönig aus dem Grab förmlich lachen hören.
„Meine Tochter…“, raunte Whitebeard ungläubig. Dabei hatte er es sich doch selbst zuzuschreiben. Immerhin war er es gewesen, der Rogers Sohn mit an Bord genommen hatte. Er hatte Ace wieder erkannt, zumal der damalige Kapitän der Spade Piratenbande, seinem Vater beinahe wie aus dem Gesicht geschnitten war. Ace war aufgeweckt und hatte Schneid, wie sein alter Herr. Was wäre es nur für eine Schande gewesen, wenn die Marine den jungen Hitzkopf zu fassen bekommen hätte? Alleine aus dem Wunsch heraus etwas von der guten, alten Zeit, in der Whitebeard so gerne schwelgte, zu bewahren, Rogers Erbe zu erhalten, hatte er den Jungen unter seine Fittiche genommen. So viel Talent durfte nicht verschwendet werden. Aber DAS hätte er sich nicht träumen lassen. Selbst über den Tod hinaus hatte Gold Roger wieder einmal triumphiert. Verdammter Kerl!
„Was sollen wir tun, Vater?“, hob Jozu an, der Marco immer noch zurückhalten musste. Whitebeard schwieg, dachte nach. Du warst das Licht in seinem Leben, das einzig Gute, was ihm jemals widerfahren war. Nach dem Dahinscheiden seiner geliebten Frau warst du die Hoffnung an die er sich klammerte, andernfalls hätte er vor Trauer den Verstand verloren. Bis heute machte er sich für den Tod deiner Mutter verantwortlich. Er hatte sie geliebt und doch hatte er sie zerbrochen. Das war die härteste Lektion gewesen, die er jemals lernen musste. Liebe ging Hand in Hand mit Schmerz, Verlust und Trauer. Ein blutiges Schafott erbaut auf gebrochenen Herzen. Der Alte sah auf. Ein durchdringender Blick spießte seine drei Kommandeure geradezu auf, jagte ihnen kalte Schauer über den Rücken: „Haltet euch an den Kodex, meine Kinder.“, flüsterte er. Wenn es denn sein musste, würde er Rogers Sohn töten lassen. Niemand, absolut Niemand würde dich ihm entreißen, dich wohlmöglich in das gleiche Schicksal treiben wie deine Mutter.
Jozu und Marco nickten stumm, verließen das Zelt. Schweigend folgte Thatch und knuffte Teach, der sich das ganze mit Erstaunen und Entsetzen angehört hatte, in die Seite. Er war derjenige, der am Wenigsten zu sagen hatte und doch konnte er es sich nicht verkneifen. Vorsichtig trat er vor seinen Kapitän, der ihn kalt und schweigend musterte.
„Vater, ich will mich nicht einmischen, aber Ace ist ein aufrichtiger Kerl und wird sicherlich ein guter Kommandant.“, stotterte er. Blackbeard war kein Redner und es fiel ihm schwer gewisse Dinge in die richtigen Worte zu packen. Oftmals erschien er dadurch etwas ungelenk und wurde häufig missverstanden: „Ich denke, dass er Eure Tochter sehr mag und er würde ihr nie wehtun. Ich bitte Euch das ganze nochmals zu überdenken… alleine um Missy´s Willen.“, artig verbeugte er sich und hampelte unbeholfen aus dem Zelt. Nachdenklich sah ihm Whitebeard hinterher…

Als der Abend einsetzte, saß der Alte, entgegen seines eigentlichen Planes die Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, stumm in seinem Zelt. Vieles war ihm die letzten Stunden durch den Kopf gegangen.
Mit verklärtem Blick griff er sich in die Brusttasche seines Kapitänmantels. Seit Jahren hatte er dort ein aufklappbares Amulett mit dem Bild seiner Frau darin. Er hütete es wie seinen Augapfel, denn es war das einzige, was ihm von der kostbaren Erinnerung ihrer Reize geblieben war. Milde lächelte sie ihn von dem kleinen Bildchen an. Wie sehr wünschte er sich jetzt den Rat deiner Mutter…

„Ace! ACE!“, deine verzweifelten Rufe hämmerten gegen das Zelt, trieben einen Dolch in Whitebeards Herz. Der Strand, der vorher in abwartender Ruhe gelegen hatte, war erfüllt von Schreien und Rufen. Es hatte also begonnen…

Während draußen ein Inferno aus Gefühlen losbrach, sah Whitebeard weiterhin unentschlossen auf das Bild deiner Mutter, strich sanft darüber, als würde es mit ihm sprechen. Dieser Blick! Was hatte Ace verbrochen? Er war derselben Schönheit erlegen wie einst Whitebeard. Er verstand ihn und doch brachte er es nicht über sich dem ganzen Einhalt zu gebieten. Warum konnte er dich nicht einfach hergeben?
„Bitte, sag mir was ich tun soll!“, flehte er das stumme Bild an und presste es an seine Brust. Tränen brannten in seinen Augen, rollen seine Wangen entlang und perlten leise von seinem markanten Kinn auf seinen Schoß.

Rogers Sohn und Whitebeards Tochter… was für eine pikante Angelegenheit!

„Was meinst du, Roger?“, wisperte der Alte in die Dunkelheit des Zeltes, „Wäre das in deinem Sinne?“

Der Schuss der Pistole krachte in die Stille seiner Gedanken, zwang ihn sich endlich zu erheben. Grob riss er den Vorhang beiseite und trat in das Dämmerlicht des jungen Abends. Mit einem Lächeln verwahre er das Amulett wieder in seiner linken Brusttasche und  presste seine Hand dagegen, fühlte das Pochen seines Herzens. Er hatte entschieden…

Leuchtkäferlicht  Verbotene Liebe  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt