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Schweigend tränktest du das Wattebäuschchen mit Antiseptika und begannst vorsichtig Ace´s aufgeplatzte Unterlippe abzutupfen. Schmerzhaft zog dein Patient die Luft ein und zuckte zurück. „Nun hab dich nicht so!“, knurrtest du und gabst ihm einen prüfenden Blick.
„Aber das tut weh!“, wimmerte die Feuerfaust und drehte wie ein bockiges Kind den Kopf zur Seite. Er hatte vor deinem Zelt auf einer leeren Kiste platz genommen, lies locker seine Beine daran herunterbaumeln und schien die Ruhe, die nach dem ganzen Trubel eingekehrt war zu genießen. Die Crew hatte sich in ihre Zelte verzogen, genauso wie Whitebeard. Keinem war nach so einem Tag noch nach feiern zumute. Du warst dir nicht sicher, ob du ihnen so schnell verzeihen konntest, doch sie waren deine Familie… die einzige die du hattest. Auch wenn das ganze eskaliert war, so warst du über den glimpflichen Ausgang froh. Heute hattest du viel aufgegeben, aber auch viel gewonnen und das Wichtigste, deine größte Belohnung, saß gerade schmollend vor dir.

Ace.

Sanft nahmst du sein Gesicht in deine Hand und zwangst ihn still zu halten. Kaum das du seine Unterlippe mit dem Bausch erneut berührt hattest, quieke die Feuerfaust abermals auf. Zuvor hattest du Ace den Bruch gerichtet und die Platzwunde mit ein paar Stichen zugenäht. Das alles hatte der junge Mann ohne einen Mucks über sich ergehen lassen und nun? Was für eine verdrehte Welt!
Entnervt ließt du die Watte sinken: „Das ist doch unglaublich! Vor nicht mal einer Stunde lagst du noch halb tot im Sand und nun flennst du bei dem bisschen Brennen!“
„Ich bin sensibel!“, schniefte Ace, konnte es sich aber nicht entgehen lassen seine Arme um deine Hüften zu legen, „Möchtest du vielleicht mit mir ausgehen?“
„Hä?“, fuhrst du auf. Dieser Mann konnte einem wirklich den letzten Nerv rauben! Du legtest deine Stirn in Falten und verschränktest die Arme vor der Brust, „Wie kannst du nur nach so einem Tag an so etwas Eigenartiges denken?“
„Sag einfach ja.“
„Äh, na also.. Ja!“, stammeltest du und spürtest wie dir das Blut in die Wangen schoss. Es war deine erste Verabredung überhaupt. Wie wohl die Mädchen am Festland ihre Rendezvous bekamen? Sicherlich nicht, nachdem sich ihr Angebeteter beinahe hatte totschlagen lassen. Aber dein Leben mit dem eines Normalsterblichen zu vergleichen wäre so, als wollte man aus Eiern Melonen machen. Lächelnd zog Ace dich an sich und küsste dich innig. Du schmecktest das Blut, welches ihm dabei aus der Unterlippe schmierte, doch es machte dir nichts aus. Ace war da und am Leben. Das war alles was zählte. Vielleicht war es ja gar nicht mal so verkehrt unnormal zu sein…

Marco und Teach waren einige der Wenigen, die noch wach waren. Sie hatten es sich um das warme Lagerfeuer gemütlich gemacht. Kein Wort, kein Vorwurf kam über Blackbeards Lippen. Er wollte dem Kommandant einfach einen Gefallen tun und etwa Zeit mit ihm verbringen.
Mit starrem Blick fixierte dieser das Feuer, sah durch die Flammen hindurch auf euch zwei, wie ihr einen leidenschaftlichen Kuss teiltet. Der erste Kommandant hatte sich immer an die Regeln gehalten, sich nie etwas zu schulden kommen lassen und dabei seine eigenen Wünsche stets in den Hintergrund gestellt. Es tat ihm nicht weh dich mit der Feuerfaust zu sehen, doch eine merkwürdige Schwere hatte von ihm Besitz ergriffen.
„Eifersüchtig, was?“, merkte Blackbeard trocken und mischte die Karten in seiner Hand. Er hatte den Blondschopf zu einer unverfänglichen Runde eingeladen und sich fest vorgenommen nicht zu betrügen. Vielleicht würde er den jungen Kommandant, der so wehleidig durch das Feuer zu euch beiden sah, gewinnen lassen, um ihn ein wenig aufzubauen.
„Blackbeard?“
„Hm?“
„Bin ich ein schlechter Mensch?“, fragte Marco und hob den Stapel ab. Sein Gegenüber zuckte mit der Augenbraue. Es war selten, dass ihn der Blondschopf ansprach ohne irgendeinen neckenden Unterton in der Stimme zu haben und noch seltener fragte er Teach nach seiner Meinung. Kopfschüttelnd nahm Blackbeard den abgehobenen Stapel und mischte ihn erneut: „Tja, weißt du, Marco!“, seufzte er und begann die Karten aufzuteilen, „Du bist bisweilen etwas ungehalten, aber deswegen kein schlechter Mensch.“
„Ich wollte sie doch nur beschützen, eh.“
„Vor was oder wem wolltest du sie denn schützen?“, gluckste Blackbeard und griff nach dem Bierkrug neben sich im Sand. Es war ihm vollkommen klar, was Marco fühlte und Herr Gott, wäre Teach noch mal in seinem Alter gewesen, wäre es ihm wahrscheinlich nicht anders gegangen.
„Vielleicht vor mir selbst. Ich weiß das nicht so genau.“, zuckte Marco mit den breiten Schultern und nahm die Karten in die Hand, blickte auf ein äußerst schlechtes Blatt und schnaufte verärgert durch die schmale Nase. Dieser Teach hatte beim Mischen auch nur Scheiße an den Händen!
„Das Blatt ist Schrott, Fury!“, knurrte Marco und knallte die Karten auf die Holzkiste, „Wie sieht es bei dir aus?“
„Nah, nur Müll! Noch mal Mischen?“
„Ich bitte darum.“, nickte der Blondschopf und sah Teach abwartend zu. Er wusste es zu schätzen, dass Blackbeard ihm Gesellschaft leistete und versuchte ihn etwas aufzumuntern. Marco sah das nicht als selbstverständlich an und wäre er an Teach´s Stelle gewesen, so hätte er einen großen Bogen um sich selbst gemacht.
Mit einem leisen Geräusch flatterten die Karten über die Holzkiste, waren neben dem müden Knistern des Feuers und dem Rauschen der Wellen der einzige Laut am Strand, der idyllisch unter dem sternenklaren Nachthimmel lag.
„Ist schon ne tolle Frau, unsere Missy, was?“, grinste Blackbeard und sah amüsiert, wie Marco verschreckt zusammenzuckte und knallrot anlief. Brummelnd nahm dieser die Karten in die Hand und vergrub sein Gesicht dahinter. Endlich war das Blatt besser.
„Danke, Teach.“, lächelte Marco und spielte den ersten Zug. Zufrieden nickte Blackbeard und war sich sicher, dass Marco bald wieder ganz der Alte sein würde. Nie hatte es ihm mehr Spaß gemacht ein Spiel zu verlieren wie an diesem Abend…

Leuchtkäferlicht  Verbotene Liebe  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt