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Aussprechende Seelen

Als Severus am nächsten Tag in den Krankenflügel kam sah er einen jungen Helden mit vor das Gesicht geschlagenen Händen. Nagini stupste ihn immer wieder an und zischelte auf ihn ein. Sonst war im Moment aber niemand im Raum.
„Stimmt etwas nicht?" Wollte der Lehrer wissen.
Wie gestochen sprang der junge Mann auf.
„Professor, bitte, Sie hätten mich fast zu Tode erschreckt." Keuchte Harry.
„Ach was, so schnell sterben Sie nicht, das brachte noch nicht mal ein Basilisk fertig."
Nagini zischte dem Tränkemeister etwas zu, und so wie Harry die Schlange ansah, war das sicher kein Kompliment.
„Will ich wissen was sie gesagt hat?"
Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, ich glaube nicht."
Severus nickte und setzte sich auf einen Besuchersessel.
„Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Stimmt etwas nicht?"
„So kann man es sagen. Meine Erinnerungen sind wieder voll da und auch meine Gefühle haben sich mittlerweile eingependelt."
„Und warum sehen Sie dann aus so fertig aus?" Wollte der Lehrer wissen.

-Kein Einfühlungsvermögen der Kerl-, zischelte Nagini wütend.
-Doch, es ist mittlerweile viel besser. Früher hätte er mir Punkte abgezogen.- Erklärte Harry der Schlange.
-Wofür?-
Nun lachte der junge Held humorlos auf.
-Dafür brauchte er nie einen Grund. Meine Existenz reichte schon.-
-Trottel-, war der unversöhnliche Kommentar der Schlangendame.
-Aber dennoch liebe ich ihn.-
-Dann bist du der gleiche Trottel. Wenn auch wesentlich netter.-
Harry brach in schallendes Gelächter aus. So konnte man es natürlich auch ausdrücken.

Severus hatte die Unterhaltung der beiden wie immer fasziniert verfolgt. Ihm gefiel das Parsel seines Schülers um Längen besser als das von Tom. Auch wenn sich der Mann gebessert hatte, so ruhig sprach er nie mit seiner Vertrauten. Es hörte sich immer noch bedrohlich an. Bei Harry klang es einfach nur sanft.
„Was war so witzig?" Wollte er dann aber doch wissen.
„Ach, die gute Nagini hat nur gerade klar gestellt, dass sie uns beide für Trottel hält." Übersetzte Harry freimütig.
„Wie nett." Severus blickte die Schlange böse an, die schien das aber nicht sonderlich zu stören.
„Um endlich Ihre Frage zu beantworten. Ich sehe deswegen so fertig aus, weil ich mich leider auch daran erinnere wie ich mich die letzten Tage benommen hatte. Gott, ich war das reinste Kleinkind. So viel geschmollt habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht."
Severus blickte den jungen Mann prüfend an. Er sah aber nur Ehrlichkeit in dessen Zügen. Außerdem waren ihm die Vorkommnisse sichtlich peinlich.
„Dafür können Sie nichts, Ihre Seele musste sich wieder richtig einstellen."
„Klingt als wäre ich eine Uhr", gab der Held trocken zurück.
„Das sicher nicht, aber mir ist kein besseres Wort dafür eingefallen. Sie sind so ziemlich der Erste der das alles durchgemacht hatte."
Harry deutete vielsagend auf Nagini.
„Na gut, aber die Schlange war immer an Voldemorts Seite. Sie hatte diese Erfahrungen aus erster Hand gemacht."
-Ich habe keine Hände, du gefühlloser Tölpel.-
Harry hielt der Schlange schnell das Maul zu, auch wenn er wusste, dass sein Lehrer nichts verstanden hatte.
„Was?" Fragte der auch schon scharf nach.
„Ähm, sie findet es nur nicht nett, dass Sie das Wort ‚Hände' mit ihr in Zusammenhang gebracht hatten."
Severus verdrehte die Augen.
„Das ist doch nur eine Redewendung."
Das wusste Nagini, dennoch zischelte sie denn Mann noch mal böse an.

„Professor, ich wollte Sie sicher nicht in Verlegenheit bringen."
Aus dem Konzept gebracht blickte Severus wieder zu seinem Schüler.
„Wovon reden Sie jetzt schon wieder?"
„Naja, ich habe ja sehr unverblümt über meine Gefühle Ihnen gegenüber geredet. Mir ist es zwar nicht peinlich, immerhin entspricht alles was ich sagte der Wahrheit. Aber Ihnen war es sicher nicht recht, dass ich das vor so vielen Menschen, und Schlangen, ansprach."
Severus rieb sich die Nasenwurzel. Er wusste wirklich nicht, was er mit diesem Jungen machen sollte. Wie konnte der Kleine nur so auf die Gefühle eines Menschen bedacht sein, der ihn jahrelang gequält hatte? Das alles ergab für den Lehrer keinen Sinn.
„Mr. Potter, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie waren ehrlich und Sie konnten nichts für Ihr Verhalten. Ich kann es Ihnen also nicht zum Vorwurf machen."
„Und warum nennen Sie mich dann wieder Mr. Potter?" Flüsterte Harry in Naginis Schuppen.
Nun richtete sich auch die anwesende Dame wieder auf und blickte zu dem düsteren Mann.
Severus selber war völlig überrumpelt.
„Wollen Sie denn, dass ich Sie wieder beim Vornamen nenne?" Wollte er sicherheitshalber wissen.
Harry lächelte ihn scheu an.
„Ja, das war schön. Es wirkte so als würden Sie mich dadurch weniger hassen."
Nun fing das schlechte Gewissen an, an dem Tränkemeister zu nagen. Um ehrlich zu sein, dieses Ding hatte die letzten Tage nicht viel anderes getan. Das war schon eher ein ausgiebiges Kauen und nicht mehr nur ein Nagen.
„Harry, ich hasse dich nicht. Wenn überhaupt, dann hasse ich mich selbst."
„Warum?" Wollte nun Harry verwirrt wissen.
„Das fragst du noch? Du kennst doch meine Vergangenheit, der Direktor war ja so freundlich dich darüber aufzuklären."
„Ich habe ihn nicht gefragt. Er wollte, dass ich mir mehr Mühe mit der Vernichtung Voldemorts gebe."
„Ach, und er dachte, dass er auf diese Weise zum Ziel kommt?" Warf Severus sarkastisch ein.
„Um ganz ehrlich zu sein, er hatte sich erhofft, dass ich ihm nicht glauben würde, dass Sie auf unserer Seite stehen. Laut Plan hätte ich wohl alles daran setzen sollen um das Gegenteil zu beweisen. Und dann hätte ich auch sicher mehr Interesse daran gezeigt einen Mord zu begehen." Erklärte der junge Held.
„Ja, an mir." Der Slytherin konnte nicht anders, er war sauer. Auch wenn er selber so eine schlechte Meinung von sich hatte, der Alte hatte kein Recht sein Versprechen zu brechen.
„Nein, es ging immer nur um Voldemort. Aber ich verstehe Ihre Wut. Ein Versprechen sollte man niemals geben wenn man nicht daran denkt es auch einzuhalten."
„Sie sind wirklich schrecklich erwachsen." Stellte Severus fest.
Harry zuckte die Schultern.
„Sonst hätte ich nicht überlebt. Aber um auf unser Thema zurückzukommen. Ja, ich kenne Ihre Vergangenheit, und nein, ich verstehe nicht warum Sie sich deswegen hassen. Jeder macht doch mal Fehler, einige sind klein andere zerfressen einen fast. Aber man sollte niemals anfangen sich selber zu hassen."
„Du redest so als hättest du Erfahrung darin?" Severus bemühte sich ausnahmsweise um einen sanften Ton. Dieser junge Mann hatte durch seine bissige Art schon genug gelitten.
Harry nickte.
„Meine Eltern, Cedric, Sirius, Moody, ich könnte diese Liste noch weiter führen. Aber das sind die Menschen die direkt vor meinen Augen getötet wurden. Alle von Voldemort oder dessen Todessern. Und alle, weil sie in meiner Nähe waren. Meine Eltern, weil sie mich beschützen wollten. Cedric, weil er, laut Voldemort, überflüssig war. Sirius, weil ich auf eine falsche Vision hereingefallen bin. Und Moody, weil er versucht hatte, mich in den Sommerferien in Sicherheit zu bringen. Alles Gründe für die ich mich verabscheute."

Nur im Krieg erwachsenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt