Kapitel 8

56 2 0
                                    

Faith

Wir standen beide in der riesigen Turnhalle in einer fast leeren Schule.

Ich nahm mein Handy raus und tat so, als sei ich sehr beschäftigt.

Ich fühlte seinen Blick auf mir.

"Und was würdest du vorschlagen? Irgendeine Idee?"

Ich zuckte mit den Schultern und schaute mich kurz um. "Wir könnten Bänder an die Wände hängen, auf die wir dann den Namen unserer Schule mit bunten Farben draufschreiben."

Travis lachte kurz auf. "Ich finde, das wird scheiße aussehen."

Ich seufzte und steckte mein Handy in meine Hosentasche.

"Weißt du was? Deine Meinung geht mir am Arsch vorbei. Mach, was du willst. Ich mach das, was ich für richtig halte."

"Woow. Dann würde das hier nicht Turnhalle, sondern Hühnerstall heißen. Einhörner und Luftschlangen vermischt mit Schwarz und geilen Sachen halt." Travis betrachtete die Turnhalle.

"Ich mag keine Einhörner", sagte ich trocken und ging dann in einen Nebenraum, in dem die Dekorationen und so aufbewahrt wurden.

Ich nahm die weißen langen Bänder aus Stoff und ein Töpfchen mit roter Farbe.

"Hol Grün, Blau und Gelb", befahl ich Travis und setzte mich auf den Boden, um mit der Arbeit zu beginnen.

Etwa zwanzig Minuten verbrachten wir still, auf dem Boden sitzend. Er sah irgendwie voll süß aus, so beim Malen. Ich musterte seine starken Hände, die sich bei jedem Strich vorsichtig hin und her bewegten.

Doch dann vermasselte er den schönen Moment wieder.
Typisch.

"Ich fühle deinen Blick auf mir", sagte er und schaute hoch.

"Pech", antworte ich und zeigte ihm die Zunge.

Dann verging wieder eine halbe Stunde.

Travis legte sein Band beiseite. Ich schaute es verwundert an.
Scheiße. Es sah viel besser aus, als meins.

"Soll ich dir helfen?", fragte Travis lächelnd.
Er kann lächeln? Ich dachte er kann nur dieses schiefe Ego-Grinsen machen.

Aber irgendwas war an diesem zuckersüßen Lächeln fake.

Okay. Ich brauchte wirklich Hilfe, wenn ich heute noch fertig werden wollte.

Also nickte ich. (Glaubt mir, ich werde es bereuen.)

Er ging neben mir in die Hocke.

Ich spürte plötzlich seinen heißen Atem auf meinem Hals. Ich machte so, als würde ich nichts merken.

Doch dann führte er seine Lippen zu meinem Nacken und fing an, ihn zu küssen. Seine Hände wanderten vorne frech unter mein Top.

"Konzentrier dich, Sweetie", hauchte er mir leise ins Ohr und ich konnte sein Grinsen deutlich spüren.
Wie gerne hätte ich ihm jetzt meinen großen Pinsel in die Fresse gerammt!

Aber sagt das mal der Faith, die dort wie eine gefesselte auf dem Boden saß.

"Mal weiter. Ich helf dir doch", fuhr er fort. Seine Hand wanderte höher und legte sich auf eine empfindliche Stelle. Es löste in mir ein Kribbeln auf.

"Travis ...lass es", zischte ich gezwungen durch die Zähne.

"Was soll ich lassen?", fragte er leise.

Ich atmete tief ein und erhob mich.

"Okey. Jetzt ist mir wirklich schlecht. Mach das zu ende und räum alles weg", sagte ich immer noch mit einer zitternden Stimme und verließ schnell den Raum, bevor ich noch etwas falsches anstellen konnte.

Ich hatte gelogen. Ich fühlte mich überhaupt nicht schlecht. Aber er brauchte es nicht zu wissen.
Idiot! Wie konnte er nur so etwas tun? Jetzt lacht er mich bestimmt aus!

Ich trat in die Sommerluft und ging nach Hause.

Dort wartete eine kleine Überraschung auf mich.

Eher gesagt eine große Überraschung.

Mum, die eigentlich erst viel später hätte hier sein sollen, saß mit verschmierter Wimperntusche im Wohnzimmer.

Ich blickte sie verwirrt an. "Mum?"

Ich ahnte nichts gutes.

"Faith. Er ...er ist umgekommen", stotterte sie und wischte sich die nächsten Tränen weg.

Ich mir stieg ein schlechtes Gefühl auf. "Wer?"

"Dein Vater."

...

Nein!

Ich kniete mich langsam hin und ließ mich kraftlos auf dem Boden nieder.

"Wie ist das passiert?" Ich erkannte diese ausdruckslose Stimme nicht mehr.

"Er war auf der Heimfahrt. Er ...hatte einen schlimmen Autounfall und ist mit dem Auto von einer Brücke gestürzt."

Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Ich stand auf und ging zu meiner Mutter, um sie zu umarmen. So verbrachten wir eine lange Zeit. In einer Umarmung. Es dauerte lange, bis unser Tränenvorrat leer war.

Sie ließ mich langsam los. "Wenn du mich suchst, ich bin in meinem Zimmer. Ich werde versuchen, noch ein bisschen zu schlafen."

Ich nickte. Ich wusste, dass es letzte Zeit nicht besonders gut zwischen ihnen gelaufen war. Aber seinen Tod hatte sie sich sicher nicht gewünscht.

Ich wischte die Tränen weg und stellte mich unter eine kalte Dusche. Danach trug ich Make-Up auf, schlüpfte in eine schwarze hautenge Jeans, in weiße Schuhe und ein weißes fast durchsichtiges langes Trägertop. Darunter konnte man meinen korallenfarbenen BH sehen. Am Eingang strich ich mit nochmal über die offenen und vom Föhnen voluminös gewordenen Haare und verließ das Haus.

Ich konnte hier nicht mehr bleiben.

Nicht an dem Ort, an dem ich gerade die schlimmste Nachricht in meinem ganzen Leben erfahren hatte.

Also ging ich zum Strand.

Langsam wanderte ich neben dem blauen Meer entlang und dachte an gar nichts.

Ich weiß nicht wie genau, aber es ging irgendwie. Ich fühlte mich betäubt.

Und genau deshalb bemerkte ich auch nicht, dass ich auf die gefährliche Seite des Strandes wechselte. (Warum sie gefährlich ist? Wartet mal ab.)

Ich merkte es erst, als ich Stimmen hörte. Ich schaute hoch und entdeckte einige Teenager etwa in meinem Alter.

Die meisten sahen nicht gerade freundlich aus.
Okay. Ich war am Arsch.

"Wen haben wir denn da? Faith Sweetie", sagte ein schwarzhaariger gut aussehender (aber gefährlich wirkender) Junge.
Woher kennt er meinen Namen und wieso ändert er meinen gehassten Nachnamen auch noch ab?

Die anderen stimmten in sein Lachen ein.

"Nehnt euch die später vor. Noch gehört sie mir." Ich kannte diese Stimme!

Badboys allergicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt