*16. Kapitel*

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Hahaha! Voll drauf rein gefallen!, lachte Taavi in meinem Kopf.
Ich schaute verwirrt.
Wir haben so getan, als ob irgendetwas Schlimmes wäre, aber es ist gar nichts passiert, erklärte der Polarfuchs und fand sich anscheinend überaus witzig.
Ich wusste nicht, ob ich wütend oder erleichtert sein sollte.
Schnell erklärte ich Julian die ganze Situation und er verband sich in Gedanken mit Milan.
Als er mit seiner stummen Schimpftirade fertig war, wendtete er sich wieder an mich und ich hörte Taavi wieder in meinem Kopf losplaudern.
,,Wie machst du das?", fragte ich meinen Lehrer.
,,Was?"
,,Na, dass du dich auch in Gedanken mit ihm unterhalten kannst."
,,Achso! Das lernt ihr in VdS."
,,Cool", ich nickte.
,,Hattest du eine Familie. Ich meine, bevor das hier alles passiert ist?"
,,Klar. Hab ich immer noch."
,,Was? Wie machst du das?", wollte ich aufgeregt wissen.
,,Ich komme sie besuchen. In den Ferien. Ich habe ihnen das mit Milan erklärt und sie akzeptieren es", meinte Julian.
Ich schaute ihn aus großen Augen an.
,,Das ist ja vollkommen abgefahren!", quiekte ich und müsste versuchen, nicht vollkommen auszurasten.
Ich benahm mich ja sowieso schon wie ein Kindergartenkind.

Ich drückte auf das grüne Mikrofon für Sprachnachrichten, holte tief Luft und begann zu erzählen.
Ich fing bei dem Zoobesuch an und endete mit meiner praktischen Unterrichtsstunde, die gerade eben geendet hatte.
Taavi und ich konnten uns über einen Kilometer verständigen, was für Anfänger hat nicht schlecht war.
Ich beendete die Nachricht damit, dass ich sie in den Ferien besuchen kommen könne, dann schickte ich sie ab.
Noch hatte meine Mutter sie nicht bekommen.
Mit einem viel leichteren Gefühl ums Herz ließ ich mich auf meinem Bett nieder und starrte durch das Fenster über diesem nach draußen.
Es war schon wieder verregnet und die Blätter der paar Bäume, die am Rand des Dorfes standen, wo es noch nicht ganz so kalt war, verfärbten sich langsam bunt.
Der Herbst kam.
Ich mochte den Herbst.
Ich liebte diese grauen, regnerischen Tage, die bunten Bäume und den frischen Wind.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Genervt stand ich auf, lief durch den Eingangsbereich und öffnete die Tür.
Dort stand ein Mädchen meines Alters oder ein bisschen älter mit dunklen Augen und Haaren und gebräunter Haut.
Sie sah aus, als wäre sie von den Inuit.
Auf ihrer Schulter thronte eine Schneeeule.
,,Hi!", sagte sie.
,,Äh... hi?", antwortete ich.
,,Ich bin Sura und die Managerin, so etwas wie die Sprecherin, dieses Dorfes! Alle zwei Monate findet hier ein kleines Fest statt, damit sich die Neuankömmlinge besser einleben. Du bist", sie schaute auf einen Zettel, ,,Lukas, oder?"
Ich nickte.
,,Okay, hier ist deine Einladung! Da steht alles wichtige noch mal drauf, Taavi ist natürlich auch herzlich eingeladen!"
Ich nickte nur, immer noch vollkommen perplex von dieser Informationenflut.
,,Also dann, tschüss!"
Ich nickte wieder.
,,Ähm ja, tschüss", antwortete ich und schloss die Tür.
Drinnen setzte ich mich an meinen Schreibtisch und öffnete den sorgfältig verschlossenen Umschlag.
Er enthielt einen Brief, den ich auseinanderfaltete.
Dort stand in ordentlicher Handschrift:

Lieber Lukas, lieber Taavi,
Ihr seid herzlich zu der Feier des Polardorfes eingeladen.
Am Freitag Abend im 1. Stock, Klassenzimmer 115.

Eure Sura

,,Taavi!", rief ich meinen Seelenpartner und las ihm den Brief vor.
,,Was meinst du? Gehen wir hin?", fragte ich.
Warum nicht? Wird bestimmt lustig, antwortete Taavi.
Ich zuckte mit den Schultern.
,,Wenn du meinst..."

Die nächsten zwei Tage vergingen wie im Fluge und der Freitag kam schnell.
Ich stand ein paar Minuten vor meinem Schrank, dann wandte ich mich an Taavi.
,,Was soll ich anziehen?", fragte ich den Polarfuchs.
Dieser sah auf und schaute mich verwirrt an.
Ihr Menschen seid echt komisch. Ich bin froh, dass ich eurer Art nicht angehören muss.
,,Hey!", beschwerte ich mich.
Jaja, reg dich ab. Zieh einfach das an, was du auch sonst immer anziehst.
,,Sicher?", fragte ich skeptisch.
Der Polarfuchs nickte genervt und widmete sich wieder seiner Beschäftigung, meine Bettdecke von meinem Bett runter zu ziehen, damit ich sie wieder drauf heben musste.
,,Okay", meinte ich, zog mein schwarzes T- Shirt und meine Jeans aus dem Schrank und verschwand im Bad.

Als ich frisch geduscht und umgezogen wieder herauskam, klingelte mein Handy.
Schnell ging ich ran.
Es war meine Mutter.
Sie wollte mir erst nach ein paar Bildern und Videobeweisen glauben, doch sie hatte es mir letzendlich doch abgekauft.
Seitdem rief sie mich abends immer an.
,,Hallo, Lukas! Stör Ich?"
,,Naja, nicht direkt."
Ich entschied mich dafür, ihr nichts von der Party zu sagen.
,,Okay und indirekt?"
,,Äh... also...", Ich war echt schlecht im Lügen, deshalb erzählte ich ihr doch von der Feier.
Meine Mutter zig scharf die Luft ein.
,,Finger weg von Alkohol, Zigaretten und Drogen!", warnte sie mich.
Ich verdrehte die Augen.
,,Ja, Mama. Mach dir keine Sorgen", beruhigte ich sie.
,,Ich muss jetzt aber los, sonst kommen wir zu spät."
,,Wir?", fragte meine Mutter skeptisch.
,,Taavi und ich", erklärte ich.
,,Achja, dieser Polarfuchs. Okay, viel Spaß euch beiden", meinte sie.
,,Ja, tschüss, Mama!", meinte ich und legte auf.
,,Oh Mann, sogar wenn ich nicht zu Hause bin, versucht sie, mich zu kontrollieren. Als ob ich Drogen nehmen, rauchen oder trinken würde", seufzte ich genervt an Taavi gewandt.
Sie will ja nur, dass du nichts Dummes machst. Verständlich.
,,Aber du", ich zog die Augenbrauen hoch und schaute an ihm vorbei auf die Bettdecke, die nun auf dem Boden lag.
Äh, lass uns gehen, versuchte Taavi vom Thema abzulenken.
,,Okay", meinte ich und machte mich zusammen mit Taavi auf den Weg.

Als wir vor Klassenzimmer 115 standen, drang schon ein bisschen leise Musik nach draußen.
Ich drückte die Tür auf.
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, doch drinnen sah es anders aus, als ich erwartet hatte.
Die Tische waren in einer Ecke zusammengeschoben, die Rolladen heruntergelassen und eine Lampe tauchte den Raum in eisblaues Licht und es herrschte eine angenehme Kälte.
Es gab keine Discokugel, was wahrscheinlich damit zusammenhing, dass die Seelentiere und somit auch ihre Seelenpartner empfindlichere Augen hatten und das Flackern die Augen nur reizen würde.
Es gab Musik, sie kam aus Boxen, doch aus diese war leise, damit das empfindliche Gehör der Seelenpartner nicht geschädigt wurde.
Ich fand es angenehm, dass man nicht über den Lärm der Musik hinwegschreien musste um sich zu unterhalten und am Ende Halsweh hatte.
Ich war manchmal mit meiner großen Schwester auf Partys gewesen und fand sie immer schrecklich.
Diese hier war anders, aber auf eine schöne Weise.
Ich schaute mich um.
Manche Seelenpartner standen mit Getränken in Gruppen herum, andere machten etwas, was mit viel Fantasie tanzen sein könnte.
Manche saßen auch locker auf den Tischen und unterhielten sich, wieder andere standen am Buffet.
Ich hätte nie gedacht, dass das Polardorf so viele Einwohner hatte.
Dennoch sah es wahrscheinlich nach mehr aus, als es waren, denn sonst würden nicht alle in ein Klassenzimmer passen.
Auf einmal entdeckte ich Arian und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Endlich ein bekanntes Gesicht.
,,Taavi, schau mal...", wollte ich mich gerade an meinen Freund wenden, als mir auffiel, dass er gar nicht da war.
Verwirrt schaute ich mich um und entdeckte Taavi, der gerade mit einem anderen Polarfuchs sprach.
Ich seufzte kopfschüttelnd, wollte Taavi aber dennoch ein bisschen Freiheit lassen und lief auf Adrian zu.
Der 13- jährige stand allein ein wenig abseits und knabberte an einem Brötchen.
Als er mich sah, erhellte sich seine Miene und er kam auf mich zu.
,,Gefällt dir die Party?", fragte ich Arian.
Dieser wiegte den Kopf hin und her.
,,Naja, geht so. Und du?"
,,Ich finde sie ist mal was anderes. Aber auf eine gute Weise."
Arian nickte.
,,Wollen wir uns Essen holen?", fragte ich.
Arian schüttelte den Kopf und deutete auf sein Brötchen.
,,Ich hab schon."
,,Joa, Ich hol mir trotzdem was", lachte ich.
,,Klar", meinte der andere.
Ich ging zum Buffet und schaute bei den deutschen Spezialitäten.
Dort entschied ich mich für eine Brezel und eine Apfelschorle.
Dann kehrte ich zu Arian zurück.
,,Bist du aus Deutschland?", fragte er.
Ich bejahte.
,,Aus welchen Land kommst du?", fragte ich.
,,Spanien", meinte er leise, so dass ich ihn kaum verstand.
,,Ah, cool", meinte ich.
Er nickte nur und dann breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus.
Plötzlich stieß Sura zu uns.
,,Und? Wie findet ihr die Party? Das war so ein Aufwand das alles zu organisieren! Aber es hat sich gelohnt, oder?", plapperte sie wieder drauf los.
,,Die Party ist großartig", versicherte ich ihr.
,,Uff, das freut mich zu hören", lachte Sura.
,,Nur noch eine Frage: wisst ihr wo Snow ist? Meine Schneeeule. Ich habe Angst, dass sie irgendetwas anstellt..."
Ich grinste.
,,Arian hier kennt sich super damit aus, Tiere zu finden, die weglaufen", erklärte ich und schob den Jüngeren nach vorn.
Dieser protestierte, doch ich beachtete den Protest nicht und nickte aufmunternd zu.
Schließlich gab er sich geschlagen und machte sich mit Sura auf den Weg.
Ich schaute ihm lächelnd hinterher und schaute mich dann nach Taavi um.

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