*29. Kapitel*

65 11 2
                                    

Die Sonne stieg immer höher und das helle Licht der Sonne und des Schnees, der dieses reflektierte blendete.
Wir waren die ganze Zeit an der Eiswand entlang gelaufen, doch es gab kein einziges Anzeichen von einem noch so kleinen Riss, beziehungsweise einem Loch in dieser.
Kurz vor Mittag hatten wir alle weder Lust noch Motivation, weiter zu laufen.
Wir beschlossen, eine Pause zu machen und ließen uns vor der Wand nieder, bevor wir begannen etwas Kleines zu essen.
Während die anderen noch aßen, war ich fertig und wollte gerade die Box in der die Brote waren, wieder zurück in den Rucksack stecken, als mir diese aus der Hand rutschte.
Ich fluchte kurz, dann lief ich immer weiter der durch den Schnee schlitternden Dose hinterher und versuchte möglichst nicht auf dem teilweise vereisten Schnee auszurutschen.
Plötzlich verschwand die Box über einen kleinen Schneehügel vor der Eiswand. Triumphierend sah ich auf den Hügel. Die Dose war nun bestimmt zwischen der Wand und dem Schnee gefangen!
Ich machte schnell einen Schritt über den Hügel und klappte den Mund auf. ,,Taavi! Arian! Jabari!", rief ich so laut ich konnte, in der Hoffnung, dass meine Freunde das hören würden.
Das taten sie offensichtlich auch, denn nur kurze Zeit standen sie neben mir und bestaunten den Anblick, der sich uns bot.
Unter der Eiswand war ein Schlitz, gerade groß genug für einen Fuchs und dahinter war hellblaues, glattes Eis.
Eine Art Pfad war das Eis gehauen worden und ich schaute erwartungsvoll zu meinen Freunden.
,,Und? Was meint ihr? Gehen wir rein?"
,,Da fragst du noch?", grinste Arian und setzte sich auf den Boden, sodass er einfacher in den Spalt krabbeln konnte.
,,Ich gehe vor. Ich bin schließlich auch der Älteste!", beschloss ich und kniete mich neben Arian.
,,Nein, ich will vor gehen! Du gerätst doch bestimmt nur wieder in Schwierigkeiten", widersprach Arian.
,,Dann rettest du mich eben wieder", antwortete ich trocken, dann lächelte ich noch mal in die Runde und ließ mich auf dem Bauch in den Spalt unter der Wand gleiten.
Das Eis war glatt und kalt und erinnerte auf seltsame Weise an eine Wasserrutsche. Ich beschleunigte immer weiter und versuchte, mich an den Wänden abzubremsen, was nur bedingt gelang.
Kurz bekam ich Panik, als ich plötzlich eine Stimme in meinem Kopf hörte. Lukas, Arian ist dir einfach gefolgt! Und Jabari jetzt auch! Warte, dann komm ich auch!
Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Wieso konnten die drei nicht einfach warten, bis ich Entwarnung gegeben hatte?
Doch jetzt war es ja sowieso zu spät, sie waren schon auf dem Weg zu mir. Auf einmal drang ein entferntes Rauschen an meine Ohren.
Ich bekam langsam wieder Panik und versuchte wieder mich festzuhalten, an die Wand zu stemmen oder zu bremsen, doch die Wand war unnachgiebig und glatt, ich fand nirgendwo Halt.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen...
Urplötzlich tauchte das Ende der Eisrutsche vor mir auf. Es war noch etwa fünfzig Meter von mir entfernt, doch ich raste mit einer riskanten Geschwindigkeit auf die Klippe zu, unter der das Rauschen zu hören war.
Ein Schrei drang aus meiner Kehle und ich benutzte nun meine komplette Körperkraft, um mich gegen die Rutsche zu stemmen, um nicht den Abgrund hinunter zu fallen.
Leider half das immer noch nicht, der Abgrund rückte bedrohlich und unaufhaltsam immer näher.
Als ich das Ende der Rutsche erreicht hatte, drehte ich mich um und versuchte, mich noch irgendwo am Rand der Klippe festzuhalten, was mir tatsächlich gelang.
Meine Finger fanden Halt in einer schmalen Rille über dem Klippenrand, meine Beine baumelten allerdings hilflos in der Luft herum.
Ich holte zittrig Luft und wagte einen Blick nach unten, wodurch sich mein Verlangen, mich nach oben zu ziehen stieg.
Unter mir floss in gut hundert Metern Höhe ein riesiger, wilder Fluss, Schaumkronen bildeten sich auf den Wellen und das Wasser klatschte gegen die Wände, als würde es ein wild gewordenes im Käfig sein, das versuchte auszubrechen und sich seinen Weg notfalls mit Gewalt erkämpfen wollen und in dessen Klauen ich unter keinen Umständen geraten wollte.
Meine Arme schienen da leider anderer Meinung zu sein, denn sie wurden langsam schwer und ein unangenehmes Ziehen machte sich in ihnen breit, doch ich bohrte meine Finger weiter in die Rille und biss meine Zähne zusammen.
Plötzlich hörte ich etwas über die Rutsche schlittern. ,,Arian! Stopp!", brüllte ich und hörte dann etwas, das wie Kratzen und Gummisohlen auf dem Eis klang.
Doch Arian schaffte es nicht rechtzeitig abzubremsen und so rutschte er über meine Finger, weshalb ich kurz aufschrie und dann los ließ.
Die Schreie von Taavi, Jabari- die ebenfalls über die Klippe gerutscht waren-, Arian und mir vermischten sich mit den Tosen der Wellen unter uns, dann umfing mich Wasser und alle Geräusche wurden gedämmt.
Wasser umspülte mich und ich versuchte panisch, wieder an die Wasseroberfläche zu kommen. Leichter gesagt als getan, ich hatte absolut keine Ahnung, wo oben und unten war, außerdem wirbelten mich die Wellen herum, sodass ich nicht mal den Hauch einer Chance hätte an die Oberfläche zu kommen, wenn ich gewusst hätte wo sie war.
Ich ließ mich also von den Wellen herumwirbeln und hoffte einfach, gegen keine Wand geschleudert werden, als mir plötzlich eine Idee kam.
Taavi, wo bist du, geht es dir gut?
Klar geht es mir gut, ich bin gerade nur so nebenbei am Ertrinken!, kam die sarkastische Antwort von Taavi zurück und ich schloss erleichtert die Augen. Du lebst!
Ja, aber nicht mehr lange, wenn ich hier nicht bald raus komme!
Keine Sorge, wir schaffen das! Sind Jabari und Arian bei dir?
Jabari anscheinend schon,denn er hat sich in meinen Schwanz verbissen, Arian weiß ich nicht...
Mist!, fluchte ich, als ich plötzlich an die Wasseroberfläche geschleudert wurde und nach Luft schnappen konnte.
Ich versuchte, den Moment auszunutzen und sah mich schnell nach etwas um, an dem ich mich festhalten konnte.
Das fand ich auch und zwar in Form von einem groben Stück Schnee, das über mir aus der Wand ragte. Schnell griff ich danach und zog mich mit aller Kraft, die ich aufwenden konnte nach oben.
Meine Füße fanden Halt auf einem kleinen Vorsprung, der auch aus festem Schnee war, dann ließ ich meinen Blick schnell über die Wassermassen gleiten und entdeckte ein weißes Fellbündel ein paar Meter vor mir auf mich zutreibend.
Taavi! Ich sehe euch!, rief ich aufgeregt und schaute mich nach etwas um, womit ich die beiden aus dem Wasser ziehen konnte, als ich plötzlich ein paar Meter weiter ein Stück Schnee entdeckte, das aussah wie ein Ufer, an dem wir sicher sein könnten.
Ich prägte mir den Weg genau an, dann sprang ich in dem Moment, in dem die beiden Tiere unter mir waren von der Wand ab und landete auf den beiden.
Lukas?, hörte ich Taavis erstaunte Stimme in meinem Kopf.
Ja, steuere auf diese Richtung da zu!, wies ich ihn an und deutete in die Richtung der Insel.
Taavi nickte und ließ sich von den Wellen auf die Insel zu treiben, dann zog er sich und damit auch Jabari und mich auf die Insel, wo wir drei erst einmal zusammen brachen und nach Luft schnappten.
Plötzlich richtete sich Jabari auf und schaute Taavi an, ich war mir ziemlich sicher, dass er ihn etwas auf Gedankensprache fragte.
Taavi wandte sich mir zu. Er will wissen, wo Arian ist, erklärte der Polarfuchs.
Ich nickte und sah mich um. Da entdeckte ich Arian. Und erstarrte.

SeelentiereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt