Epilog

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Epilog

Es ist mitten in der Nacht, als ich nach Hause komme. Meine Mutter steht in ihrem Nachthemd im Flur. Ihre Füße sind nackt und sicher eiskalt. Sie schimpft, doch ich höre es nicht, bekomme es kaum mit. Ich fühle mich unendlich leer. Ich murmele mehrere Entschuldigungen auf dem Weg die Treppe nach oben und betrete mein Zimmer. Die Dunkelheit darin erdrückt mich, zerrt an mir und lässt mich zittern. Nach einer Weile kann ich aus dem Nebenzimmer leise Musik hören. Es ist nicht meine Musik, aber sie bindet mich an die Realität. Ich möchte einfach nur schlafen und das tue ich. Traumlos. Gefühllos.

Es wird langsam hell, als ich das leise Klopfen an der Tür vernehme. Ich schweige, doch sie öffnet sich. Ich kann nicht sehen, wer es ist, denn ich liege mit dem Rücken zur Tür und starre an die Wand.

„Mark, Schatz, geht es dir gut?", fragt meine Mutter besorgt und ich höre ihre Schritte, die näher kommen. Sie setzt sich zu mir auf das Bett und ihre warme Hand legt sich an meine Schulter. Es ist eine beruhigende Wärme und ich schließe die Augen, da sich eine stille Träne einen Weg über meine Wange bahnt. Eine Welle ihres frisch aufgetragenen Parfüms erreicht mich. Ein dezenter und wohltuender Duft, der das geborgene Gefühl meiner Kindheit heraufbeschwört.

„Ja", antworte ich leise und kraftlos.

„Bist du dir sicher?", erkundigt sie sich noch immer sorgenvoll, als würde sie meinen Kummer spüren. Doch ich bin nicht gewillt, mit ihr darüber zu reden. Ein Kind, welches sich wegen Raphael bei ihr ausweint, ist eindeutig genug. Sie streichelt meinen Arm und ohne es zu sehen, weiß ich, dass sie mich ausführlich mustert.

„Tut mir leid, dass ich gestern Abend erst so spät wieder gekommen bin", flüstere ich.

„Schon, okay." Ich höre, wie sie mir etwas neben das Kopfkissen legt und dann aufsteht.

„Das hat Raphael heute Morgen für dich hier abgegeben. Er ist extra vor seinem Flug noch mal hergekommen." Kurz streicheln ihre schmalen, langen Finger durch mein Haar, dann geht sie zu Tür. Noch einmal bleibt sie stehen.

„Er meinte es ist wichtig, dass du es bekommst und dass du verstehst." Sie schließt die Tür und ich setze mich auf. Neben meinem Kissen liegt ein weißer, leicht zerknitterter Umschlag.

Ich greife danach. Als ich ihn öffne, lugt die Spitze eines Ahornblatts heraus. Es ist eines der Blätter, welche ich an seinem Schreibtisch zwischen den Fotos gesehen habe. Ein Blatt von jenen Bäumen, welche vor unserem Schulgebäude stehen. Ich ziehe es hervor, drehe den Stiel zwischen Daumen und Zeigefinger, sodass es sich langsam dreht. Danach lege ich es zur Seite. Ich neige den Umschlag und mir fällt die Kette mit dem gravierten Anhänger in den Schoss. Mein Herz stolpert. Ich nehme sie in die Hand, fühle das kühle Metall auf meine Haut und streiche über die glatte Oberfläche des silbernen Plättchens. Neben dem Tag und dem Monat steht nun auch ein Jahr.

Vier Jahre zuvor.

Es war ein besonders warmer Herbsttag. Ich schließe die Augen und sehe, wie die rotleuchtenden Blätter zu Boden segeln. Ich spüre seine Hand, die über meinen nackten Arm streicht, als er den Rucksack zurück auf meine Schultern zog. Sein warmes, aber freches Lächeln. Das wunderschöne Grün seine Augen, das so viel Wärme und Leben ausstrahlt.

Mein Herz schlägt mir heiß und wild in der Brust, genauso wie damals.

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Ich möchte mich bei den lieben, tollen Leserchen bedanken, die sich meinen kleinen Schinken angetan haben! Danke für die Kommentare und die Votes! Ihr seid super!

Als Letztes möchte ich nur noch sagen, dass es noch nicht vorbei ist!!!!

Das M-R-M-Karussell dreht sich weiter! @___@

Erwartet meine Fortsetzung, beim ersten Licht des fünften Tages. Bei Sonnenaufgang, schaut nach Doors of my Mind 2- Ihr Freund, mein Geheimnis.

Doors of my Mind - Der Freund meiner SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt