Lestrade POV

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"Es würde dir das Herz brechen", sagte ich plötzlich und brach somit das Schweigen.
"Was?", fragte Mycroft irritiert.
"Sherlock zu verlieren"
Für eine winzige Sekunde erschien ein verräterischer Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. Es war bloß eine Sekunde, doch ich hatte es bemerkt.
"Sherlock lebt", stellte ich fest.
Mit seiner Reaktion hatte Mycroft soeben meine Vermutung bekräftigt, dass Sherlock seinen Tod bloß vortäuschte.
"Wie kommst du darauf?", fragte Mycroft kühl.
"Bitte streite es nicht ab", unterbrach ich ihn entschieden. "Sag mir einfach, wieso"
Mycroft zuckte gespielt ahnungslos die Schultern.
"Ich weiß nicht, wovon du redest. Sherlock ist tot"
"Nein, ist er nicht", sagte ich unbeirrbar.
Ich war mit der Zeit immer besser darin geworden, Mycroft zu durchschauen, worauf ich auch ein klitzekleines bisschen stolz war.
Seufzend gab sich Mycroft geschlagen.
"Wir haben das Ganze schon lange im Voraus geplant. Wir wussten, dass es so kommen würde. Es war nur eine Frage der Zeit"
Erschöpft fuhr er sich durch die Haare.
"Du darfst es auf keinen Fall jemandem erzählen. Sherlock kann sich erst wieder zu erkennen geben, wenn Moriartys gesamtes Netzwerk vernichtet ist. Und das wird seine Zeit dauern", erklärte er.
"Jeder, der davon weiß, ist eine Gefahr für unseren Plan. Vor allem John darf es auf keinen Fall erfahren"
Ich nickte verstehend.
"In Ordnung. Du kannst mir vertrauen"
Ein zaghaftes Lächeln erschien auf Mycrofts Gesicht.
"Ich weiß"

Ich hatte sein einigen Monaten nichts mehr von Mycroft gehört. Am liebsten hätte ich ihm geschrieben, doch ich wusste, dass er damit beschäftigt war, Sherlock zu helfen, undercover Moriartys Handlanger zu beseitigen.
John ging es immer noch grauenvoll, obwohl Sherlock's "Tod" nun bald ein Jahr her war.
Da ich sowieso nicht viel anderes zu tun hatte, beschloss ich, mich in den nächsten Tagen mal wieder mit ihm zu treffen. Ein wenig Ablenkung mit Freunden konnte sicher nicht schaden.
Gerade als ich mich auf den Weg zu Molly machen wollte, um ihr von meiner Idee, John aufzuheitern, zu erzählen, klopfte es an meiner Bürotür.
"Herein", rief ich und verschluckte mich fast an meinem Kaffee, als sich die Tür öffnete und den Blick auf meinen unangekündigten Besucher freigab.
"Hallo Greg", begrüßte mich Mycroft schmunzelnd - und sichtlich zufrieden mit meiner Reaktion auf sein Erscheinen.
"Seit wann bist du wieder in London?", fragte ich überrascht und konnte mein freudiges Grinsen nur mühsam unterdrücken.
"Seit etwa einer halben Stunde"
Mycroft räusperte sich und wirkte für einen kurzen Moment ein wenig unsicher.
"Ich schätze, ich schulde dir noch ein Date"
Ungläubig blickte ich ihn an.
Meinte er das wirklich ernst?
"Klar. Äh wann?", stammelte ich überfordert.
"Wie wäre es mit jetzt?", gab Mycroft zurück und hielt mir die Tür auf.
"Ja, warum nicht. Also ich meine... gern" Ich lächelte.

Während wir auf unsere Bestellung warteten, blickte ich mich in dem Restaurant um.
"Du gehst sonst nicht so häufig in... so welchen Restaurants essen, oder?", fragte Mycroft, der meinen Blick bemerkt hatte.
"Eher nicht", murmelte ich und fragte mich, wie teuer hier wohl ein einzelnes Glas Wein sein musste.
Dem pompösen Aussehen des Raumes und den chic gekleideten Besuchern nach zu urteilen, sehr teuer.
Ich kam mir in meinem schlichten Hemd und der Jeans ein wenig unpassend vor.
"Tut mir leid. Ich wollte nur etwas besonderes für unser Treffen wählen", erklärte Mycroft verlegen.
Ich schüttelte den Kopf.
"Schon gut. Ich gehe bloß selten in solche noblen Restaurants. Das ist alles."
Erleichtert nickte Mycroft.
Es war wirklich seltsam, ihn so unsicher zu sehen. Andererseits war es wohl nur logisch, wenn man bedachte, dass er wohl nicht so häufig Dates hatte. Schon gar nicht mit jemandem, den er wirklich beeindrucken wollte.
Ich grinste.
Ich musste ihm wohl doch ganz schön wichtig sein.
"Aber vielleicht könnten wir das nächste Mal eine etwas... gemütlichere Location wählen", fügte ich hinzu.
Mycroft hob eine Augenbraue.
"Das nächste Mal?"
Ich biss mir auf die Lippe.
"Naja, ich ähm dachte... also es gäbe ein nächstes Mal", murmelte ich beschämt und ein wenig verletzt.
"Das dachtest du?", fragte er noch einmal nach.
Ich blickte zu Boden.
Als ich den Blick wieder hob, lag ein unverschämtes Grinsen auf Mycrofts Gesicht.
"Natürlich wird es ein nächstes Mal geben" Er wurde ein wenig ernster. "Das hier ist mir ernst. Auch wenn ich wohl bald wieder außerhalb von London zu tun habe.
Aber ich verspreche dir, wenn ich wieder da bin, werden wir uns eine gemütlichere Location aussuchen", wiederholte er schmunzelnd meine Worte.
"Hauptsache ich muss nicht meine Kochkünste zur Show stellen", fügte er hinzu. "Die sind nämlich grauenvoll"
Lächelnd zuckte ich die Schultern. "Kein Problem. Ich koche gerne... und auch nicht allzu schlecht"
Tatsächlich war ich ein ziemlich guter Koch und freute mich darauf, Mycroft ebenfalls ein wenig beeidrucken zu können.

Mystrade - One Call Away (Sherlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt