Kapitel 4

38 6 0
                                    

Der Speisesaal befand sich im Stamm des Baumes und war somit auf Bodenhöhe. Eindrucksvolle Buntglasfenster tauchten den gesamten Raum in alle Farben des Regenbogens, was eine friedvolle und gemütliche Atmosphäre erzeugte. Die runden Tische standen kreuz und quer herum, entweder auf dem Boden oder auf kleinen Anhöhen.

Über der großen Eingangstür gab es einen großen Balkon mit einem weiteren, für uns offenbar unzugänglichen, Platz. Dieser war sehr viel höher gelegen als all die anderen, was mich doch etwas wunderte.

Als ich ihn entdeckte, tippte Octavian an und zeigte mit dem Kopf nach oben.

„Da sitzen die Erhabenen", meinte er kurz angebunden. Er war gerade am Kauen. Es gab einen grünen Kartoffel-Kohlauflauf, der in der Tat sogar erstaunlich lecker schmeckte.

„Sind das die Wächter, Lehrer und so?", hakte ich nach.

„Nein, die da oben sind mächtiger."

Das verstand ich nicht ganz. „Wie soll das gehen? Sind sie dann etwa Leute aus der Regierung?"

Octavian schüttelte den Kopf, aber bevor ich weitere Fragen stellen konnte, trat eine kräftige Frau an das Balkongeländer. Sie schaute interessiert auf die Schüler im Saal herab. Wie eine Königin, schoss es mir durch den Kopf. Doch was am beeindruckendsten war, war ihre Kleidung: Aufwändig, elegant und in sowohl schwarzen als auch orangenen Tönen gehalten. Sehr auffällig.

Außer mir schien sich hier unten allerdings niemand um ihre Anwesenheit zu kümmern. So sah auch nur ich, wie sie ihren Blick auf einen rothaarigen Jungen fixierte, der sich nicht weit von uns im Saal, bei einigen anderen, niedergelassen hatte. Er trug Blau und lachte gerade mit seinen Freunden über irgendeinen Witz. Doch bei genauerem Hinschauen, fiel mir auf, dass er seine Hände unter dem Tisch hielt. Sie zitterten.

Dann ging alles ganz schnell. Die Frau wendete den Kopf ab und sagte etwas zu irgendeiner Person hinter sich. Kurz darauf stürmten zwei Wachen in den Saal. Als der Junge sie kommen sah, konnte ich bloße Angst aus seinen Augen ablesen. Er war wie zu Stein erstarrt und wehrte sich nicht als die Wachen ihm einen kräftigen Schlag verpassten, ihn grob packten und davonschleiften.

Ich war geschockt. Noch nie hatte ich eine Situation wie diese erlebt. Niemand, nicht einmal die scheinbaren Freunde des Jungen oder irgendwelche anderen Schüler, hatten eingegriffen oder auf den Vorfall reagiert. Im Gegenteil, kaum waren die Wachen wieder draußen plauderten sie weiter als wäre nichts geschehen. Keine Aufregung. Nichts.

In meinem Kopf drehte sich alles. Was war hier gerade passiert?

Die GebundenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt