Kapitel 1: Der Anruf

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Es war Sommer. Der Sommer, 7 Jahre nach der nicht erfolgten Apokalypse und Crowley war in seinem schwarzen Bentley unterwegs. Wie immer raste er viel zu schnell durch Londons Straßen und wie so oft, war er auf dem Weg zu Aziraphale. In dieser Hinsicht hatte sich nichts geändert. Es war immer noch die gleiche alte Erde. Mit all ihren wuselnden, hektischen Menschen, all den Städten, Wäldern, Wüsten und Meeren. Keine Spur von Weltuntergang. Alles wie immer. Inklusive Engel und Dämon, die auf dieser Welt wandelten. Allerdings mittlerweile exklusive Himmel und Hölle wie es schien.
Nach ihrer äußerst durchdachten Täuschung, mit der sie Beide ihrer Vernichtung entkommen waren, hatten sich ihre jeweiligen Seiten tatsächlich bis jetzt bedeckt gehalten, um nicht zu sagen, anscheinend völlig zurück gezogen. Nicht mal der Hauch eines Flügelschlagens, oder der schwache Geruch von Höllenschwefel. Keinerlei Überwachung, Vorschrift oder Maßregelung. Und somit auch keine Aufgabe mehr.
Crowley grummelte leise vor sich hin, während der gleichzeitig seinen Wagen durch den dichten Verkehr drängelte und im Fußraum der Beifahrerseite nach seiner "Best of Queen" CD fischte.

Die letzten Jahre waren recht angenehm gewesen, wenn man ihr gesamtes Dasein einmal überblickte. Er musste sich keine Gedanken mehr machen, ob er denn genug Schlechtes in diese Welt brachte, obwohl er diese Aufgabe immer mit großem Erfolg erfüllte, auch wenn nicht jeder verstand, was er tat. Ob er es gerne getan hatte, stand auf einem anderen Blatt, da war er sich selber manchmal nicht ganz sicher. Aziraphale hingegen tat seine guten Taten mit ruhiger Zufriedenheit und voller Freude. Natürlich, dachte Crowley. Es entsprach ja auch dem Wesen des Engels. Crowleys Pflichten dagegen waren eher seinem Schicksal geschuldet, als seinem Charakter. Natürlich war er listig, grob und teilweise rücksichtslos, aber eins war er nie - grausam. Seine bösen Taten manifestierten sich eher auf gesellschaftliche und alltägliche Art und Weise, er stand an keinen dunklen Ecken und buhlte um Seelen einzelner Menschen, das hatte für ihn einfach keinen Stil.

Er hatte es endlich geschafft die CD in den dafür vorgesehenen Schlitz zu friemeln und rückte jetzt seine dunkle Sonnenbrille zurecht. Vor ihm lag ein weiterer Tag, an dem er nicht so genau wusste, was eigentlich zu tun war. All die Jahrtausende hatte er sich genau das gewünscht. Ruhe und Zufriedenheit, endlich in Frieden gelassen werden von all diesen verstaubten Dämonen und Höllenfürsten. Aziraphale ging es genau so, dass wusste er. Obwohl der Engel offiziell ein Krieger war, der Hüter des östlichen Tores und Besitzer des flammenden Schwertes, passte die Rolle des biederen Buchhändlers wesentlich besser zu ihm. Und so war auch er damals geflohen. Allerdings im Gegensatz zu Crowley nicht vor seinen Aufgaben auf der Erde, sondern vor denen im Himmel. Das war wohl auch der Grund, warum sie trotz ihrer Unterschiede so gut harmonierten. Beide konnten sie sich nicht mit denen ihnen aufgezwungenen Vorgaben anfreunden.

Er schnaubte leise. Wie konnte es dann trotz allem sein, dass er sich so fühlte. Tief im Inneren wusste er ganz genau was ihm fehlte, was er brauchte. Und mit genau der gleichen Gewissheit wusste er, dass er es niemals haben konnte. Das er ihn niemals haben konnte.
Gedankenverloren überfuhr er eine rote Ampel und hing dabei seinen Gedanken nach. 6000 Jahre und es war ja nicht so, als hätte er es nicht versucht. Meine Güte, er war ein Dämon, Verführungen waren sein Job. Aber egal, was er versuchte, alles prallte mehr oder minder an dem Engel ab. Dabei hatte Crowley noch nichtmal das Gefühl, das der Blonde abgeneigt war. Nein, vielmehr war es so, dass er sich bei jedem neuen Versuch Crowleys anscheinend vor Augen führte, das der Andere ein Dämon war und er von Berufswegen quasi gezwungen war, abzulehnen, um nicht auch verdammt zu werden. Und wahrscheinlich hatte er sogar recht. Also begnügten sich Beide mit Treffen zum Lunch oder seltener auch mal einem Saufgelage. Crowley schmachtete. Aziraphale duckte sich weg. Jedes. Verdammte. Mal. Es war zum verrückt werden. Und was am schlimmsten für den Dämon war - Wenn man die Ewigkeit hatte, dann starb auch die Hoffnung niemals ganz. Immerwährende Liebe und Immerwährender Schmerz. Ginge es nach Crowley, hätte es keine Apokalypse gebraucht, denn nichts besseres hätte die Hölle sich ausdenken können, um ihn zu quälen.
Er drehte die Musik lauter, um seinen Herzschmerz zu überdecken, aber das klappte genau so gut, wie leisere Musik das einparken erleichterte. Gar nicht.
Sein Handy klingelte.
"Ja?", schrie er in den Hörer, um Freddy Mercury zu übertönen.
"Mr. Crowley? Hier ist Adam... Adam Young. Ich denke, es könnte ein Problem geben..."

Aziraphale saß in seiner Buchhandlung an seinem Sekretär und studierte das Buch, welches vor ihm lag, durch seine kleinen, runden Brillengläser. Nicht das er sie gebraucht hätte, aber er mochte sie. Sie war seine kleine, modische Verrücktheit, wenn man so wollte, und der Engel wollte. Um ihn herum tanzten Staubkörner in der sonnigen Luft, es roch nach altem Papier und etwas, das kein Mensch benennen konnte, aber ein Wohlbefinden im Bauch auslöste. Der Engel seufzte grade leise und machte sich eine weitere Notiz auf seinen Notizblock, als die Eingangstür aufflog und das goldene Glöckchen über ihr laut zum klingeln brachte. Aziraphale schreckte hoch und drehte sich im Aufstehen so schwungvoll, dass er fast mit seinem Stuhl umgefallen wäre. Als er sah, wer dort stand, atmete er erleichtert aus und legte sich eine Hand auf die Brust.
"Meine Güte Crowley, mir wäre fast das Herz stehen geblieben. Was ist denn los? Du siehst ja aus, als wäre der Teufel hinter dir her..." Er grinste ein wenig über seinen kleinen Witz, doch als er den Gesichtsausdruck des Dämons sah, sanken seine Mundwinkel schnell wieder nach unten."... Ist er doch nicht, oder?"
Crowley schob sich seine dunkle Sonnenbrille in die Stirn und warf seine Lederjacke neben den Kleiderständer auf den Boden.
"Wie man es nimmt Engel. Adam hat mich angerufen. Wir müssen reden..."

In der Not frisst der Teufel die Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt