Kapitel 6: Der Beginn Einer Seuche

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Seine Hand wurde augenblicklich schlaff und sein Gesicht versteinerte.
"Adam!" Auch Aziraphale war bei ihm angekommen und schüttelte ihn sanft am Arm, doch seine Miene blieb ausdruckslos und er umklammerte den Apfel, als würde sein Leben davon abhängen.
"Nichts zu machen..." sagte der Engel unglücklich und Crowley knurrte laut. Es war ein sehr unmenschliches, unwilliges Geräusch, das man nur in seltenen Momenten von ihm zu hören bekam, die letzten Male im 14ten Jahrhundert und im 19ten, bevor er sich für ein sehr langes Nickerchen hin legte.
"Das ist dieses Summen, verdammt. Es lockt sie..."
"Was meinst du damit?"
"Was schon Engel. Es ist die Anziehung, die Verlockung, das leise Flüstern der Versuchung... Es ist das, was ich damals für Eva war. Eine Stimme in ihrem Ohr, der sie nicht widerstehen können. Los, pack ihn ein und dann nichts wie weg hier, wer weiß, welche Wirkung es auf uns hat, wenn wir noch länger hier stehen bleiben."

Sie hatten Adam so schnell wie möglich in Crowleys Bentley verfrachtet. Nun saß er mit starrem Blick auf der Rückbank des Autos, sein Kopf ruckte bei jeder scharfen Kurve von links nach rechts und wieder zurück.
"Wir sollten mit Anathema reden, meinst du nicht auch?" fragte Aziraphale grade. Crowley nickte mit verkniffenem Gesichtsausdruck.
"Ja, da hast du wohl recht. Vielleicht hat diese Hexe ja noch ein Ass im Ärmel."
"Fraglich, nachdem Newton und sie ja alle weiteren Prophezeiungen verbrannt haben."
"Eine beschissene Schnapsidee war das wenn du mich fragst. Immer diese Menschen, die denken, sie wüssten es besser. Das Einzige worin sie besser sind als jeder Andere, ist Leid über sich zu bringen."

Den Rest der Fahrt schwiegen sie, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Crowley überlegte, ob sich die ganzen Jahrtausende einer mehr oder minder freizeitreichen Zeit gelohnt hatten im Vergleich zum Stress der letzten Jahre und Aziraphale dachte darüber nach, ob Adams Zustand wohl durch das ständige Anstoßen an Crowleys Autofenster behoben werden könnte und wenn nicht, was das für die Zukunft bedeuten würde. Letztendlich kamen sie nachdenklich, aber heil in Tadfield an und hielten direkt vor Anathemas kleinem Cottage, das auch Newton inzwischen bewohnte. Es dämmerte mittlerweile und so schoben sie Adam so leise wie möglich vor sich her durch den kleinen Garten. Als sie klopften dauerte es nur einen kleinen Augenblick, bis der ehemalige Hexenjäger Newton Läuterer die Tür von innen aufriss. Mit angstgeweiteten Augen, ein massiges Gewehr in den zitternden Händen haltend, deutete er einen Moment auf die Besucher, dann atmete er laut aus.
"Oh... Sie sind es."
"Newt?" hörten sie Anathema von drinnen rufen. "Sind sie da?"
"Ja Liebes. Kommen sie doch... bitte herein. Wir haben Sie erwartet. Naja... Anathema hat sie erwartet." Er lächelte unsicher und trat zur Seite, um die drei Neuankömmlinge herein zu lassen. Crowley hob eine dunkle Augenbraue, stöhnte leicht genervt und schob den immer noch reglosen Adam vor sich her. Niemand hatte bemerkt, dass der Apfel in seiner Hand mittlerweile fehlte.

Die nächsten Stunde verbrachten sie auf einem kleinen Sofa im Wohnzimmer des ungleichen Paares. Aziraphale und Crowley erzählten abwechselnd was passiert war, wobei der Dämon es sich nicht nehmen ließ zu erwähnen, wie furchtbar unbequem das Bett im Gasthaus gewesen war. Das Aziraphale daraufhin nur meinte, er übertreibe und so schlimm sei es schließlich gar nicht gewesen, brachte ihnen einen verwirrten Blick von Newton, und einen wissenden von Anathema ein, aber aufgrund des Ernstes der Lage, blieben weitere Fragen diesbezüglich aus.
Als sie schließlich auf Adam und den Apfel zu sprechen kamen, war es schon dunkel draußen.
"Und ihr meint wirklich, das dieser eine Baum solch eine Gefahr birgt?" fragte die Okkultistin grade. Crowley massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
"Sieht das da..." Er deutete mit einem schlanken Finger auf Adam. "... vielleicht harmlos aus? Wenn schon Satans Sohn so auf diese Dinger reagiert, will ich nicht wissen wie es mit Euch aussieht. Er..."
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment kehrte das Leben in Adam zurück. Er krümmte sich urplötzlich zusammen, beide Hände an den Kopf gepresst und ein Keuchen drang aus seiner Kehle. Dann bäumte er sich auf und schrie, aus seinem offenen Mund drang etwas,  das aussah wie ein kleines, blaues Licht. Es stieg ein Stück empor, dann sank es und verschwand im Boden.
Als es vorbei war, richtete sich der junge Mann langsam auf.
"Was... Was war das?"
Aziraphale legte Adam vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
"Der Apfelbaum, weißt du noch? Du hast in den Apfel gebissen und dann...". Er sah auf Adams Hand und wurde kalkweiß.
"Achja... Habs wohl kurz vergessen." Die Stimme des Antichristen klang zum ersten Mal seit sieben Jahren emotionslos. Nur noch das rote Glühen in seinem Augen trennte ihn von der kalten Bestie, die er damals kurzzeitig gewesen war. Nur das es diesmal keine Liebe mehr in seinem Herzen gab, die ihn rettete. "Naja, jetzt weiß ich es ja wieder. Ich geh dann mal." Er stand auf und war wohl drauf und dran zu gehen, da hielt Newton ihn am Ärmel feste.
"Wo willst du hin? Willst du uns nicht helfen?". Adam warf ihm kurz einen abschätzigen Blick zu. "Nein ich denke nicht. Wüsste nicht warum. Hab zu tun...". Dann schüttelte er die Hand des Älteren ab und spazierte aus der Tür hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Die blauen Augen in dem freundlichen Gesicht weiteten sich verunsichert.
"Was... Was war das denn?"
Aziraphale stöhnte leise.
Das war ein Mensch ohne Liebe im Herzen. Und da ist noch etwas..." Er zögerte kurz, doch Crowley packte ihn grob am Kragen.
"Keine Zeit für Theatralik Engel. Spucks aus!". Der Blonde schluckte hart. "Der Apfel in seiner Hand. Er ist weg."
"Was?!" Crowley ließ ihn los, rannte zur Tür und riss sie auf. "Ich denke das solltet ihr Euch ansehen."

Alle vier standen in der Tür und wussten im ersten Moment nichts zu sagen. In Anathemas kleinem Garten stand nun ebenfalls ein Apfelbaum. Er war längst nicht so groß und angsteinflössend wie der auf dem Airbase Gelände, aber auch von ihm ging das ominöse Surren aus, das in den Ohren schmerzte. Die Starre hielt allerdings nicht lange an, denn Newton und Anathema bekamen auf einmal glasige Augen und wollten auf den Baum zulaufen. Crowley bekam sie grade noch am Kragen zu packen und zog sie zurück in das Häuschen, während Aziraphale die Tür hinter ihnen zu schlug.
Nachdem sie die Beiden ein paar Mal kräftig geschüttelt und eventuell auch geohrfeigt hatten, kehrte das Leben in die Okkultistin zurück, Newt hingegen starrte immer noch auf die Tür, schien aber etwas ruhiger. Die Dunkelhaarige schüttelte den Kopf.
"Was? Ach du meine Güte... Mein Kopf". Sie griff sich an die Stirn und Aziraphale wurde rot.
"Ja, es tut mir leid, so feste wollte ich eigentlich gar nicht...", doch sie unterbrach ihn.
"Nein... Nein das ist es nicht. Dieses Geräusch..."
"Du hörst es auch?" fragte der Engel erstaunt. Sie nickte und ihr schönes Gesicht verzog sich wie im Schmerz.
"Ja, aber... Es ruft mich auch... Ihr müsst gehen..."
Crowley hob eine dunkle Braue. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, dort stand 'jetzt ist sie komplett durch geknallt'. Sagen tat er allerdings "Ich denke, gehen wäre jetzt nicht die beste Wahl."
"Nein..." Wieder schüttelte Anathema den Kopf. "... Nicht fort gehen... An meinen Küchentisch... Agnes letzte Prophezeiung... Schnell!". Ihre Augen weiteten sich und wurden dann wieder glasig. Sie wollte Newton folgen, der auf dem erneuten Weg zur Tür von Aziraphale aufgehalten wurde und scheiterte an Crowley, der sie an ihrer Strickjacke fest hielt. Engel und Dämon sahen sich fragend an, bis der Blonde sprach.
"Ich denke wir sollten sie erst einmal einschließen. So ein... Unglück."

In der Not frisst der Teufel die Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt