Kapitel 8: Versuchskaninchen

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Sie schnellten herum und sahen grade noch, wie Newton aus der Haustür stürmte, Anathema zog er ruppig an der Hand hinter sich her.
"Verflucht noch mal!", rief Crowley und war fast versucht, mit dem Fuß aufzustampfen. Gönnte man ihm denn nicht mal diesen kleinen Moment Frieden?
"Schnell Crowley!", rief Aziraphale und hetzte den Beiden hinterher. "Sie sind schon fast am Baum!". Der Dämon knirschte mit den Zähnen und machte dann mit seinen Armen eine ausschweifende Bewegung. Aus dem kleinen Fenster heraus sah er, wie die beiden Flüchtenden in der Bewegung erstarrten. Dann trat er zu dem Engel.
"Zufrieden?", brummte er. Der Blonde hob die Brauen, dann lächelte er sanft.
"Schau nicht so grimmig mein Lieber, wir haben später noch Zeit für uns."
"Ich schaue, wie ich will. Was sollen wir denn jetzt machen? Ich kann die Zeit nicht ewig anhalten.". Er ging ein paar Schritte in den Garten und piekste dem Hexenjäger in den Rücken. Dessen Augen zeigten erstarrte Glückseligkeit, seine Hand war nur Zentimeter von einem der viel zu perfekten Äpfel entfernt. "Am liebsten würde ich Beide in eine verschlossene Kiste wundern.". Aziraphale legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Vielleicht sollten wir sie gewähren lassen. Wir können ja nicht die ganze Zeit auf sie aufpassen. Zumindest nicht, wenn wir dieses Desaster aufhalten wollen." Crowley sah ihn über die Schulter an.
"Du willst tatsächlich zulassen, dass diesen Beiden ihre Liebe genommen wird? Und das von Dir?"
Der Engel errötete.
"Von Wollen kann keine Rede sein. Aber vielleicht könnten wir dann an den Beiden... Nunja, probieren, wie eine mögliche Heilung aussehen könnte. Zumindest an dem Hexenjäger."
Sie wussten Beide, dass weder Anathema, noch Adam Mensch genug waren, um ein Aushängeschild für die Wirkung der Äpfel zu sein. Crowley zuckte mit den Schultern.
"Na, von mir aus, wie du meinst. Ich hoffe, das Ganze geht so gut aus wie letztes Mal."
Er wiederholte die Armbewegung, betätigte die unsichtbare Kurbel und die Zeit lief wieder.
Aus Newtons Mund kam plötzlich ein undefinierbarer Laut und dann war der Apfel in seiner Hand. In unübersehbarer Gier, ließ er Anathemas Hand los und biss ein großes Stück ab. Der Saft lief ihm noch übers Kinn, als sein Gesicht ausdruckslos wurde. Die Okkultistin stand neben ihm und hatte sich ebenfalls einen Apfel genommen, von dem sie grade abbiss.

Als es vorbei war, sahen Crowley und Aziraphale zu, wie das Pärchen ohne sich noch einmal anzusehen in verschiedene Richtungen davon ging. Die Dunkelhaarige in das kleine Cottage, Newton aus dem Garten hinaus zu seinem Auto.
"Na dann, hinterher..." sagte der Dämon leise und machte eine bittende Handbewegung, der der Engel mit zusammen gekniffenen Lippen folgte.
"Dürfen wir dich begleiten?" fragte er den dunkelhaarigen Mann und erntete einen mürrischen Gesichtsausdruck, den man zuvor noch nie an dem Hexenjäger gesehen hatte.
"Warum nehmt ihr nicht euren Wagen? Der ist doch wesentlich bequemer."
"Ja Aziraphale." zischte Crowley und deutete wehement auf seinen Bentley, der nur ein kleines Stück weiter stand. "Warum nehmen wir nicht meinen Wagen?"
Der freundliche Gesichtsausdruck des Engel flackerte kurz, dann lächelte er wieder.
"Nun gut, Mr. Läuterer. Würden Sie uns begleiten? Wir fahren Sie gerne, wohin Sie wollen."
Newton zuckte daraufhin die Schultern und ließ die Autotür los, die er schon in der Hand gehabt hatte. Anscheinend galt die verlorene Liebe auch für seinen kleinen, blauen Wagen.
"Von mir aus."

Als sie eingestiegen waren, schaute Crowley fragend zu Newton auf die Rückbank.
"Also, wo solls hin gehen?"
Der Dunkelhaarige zuckte wieder die Schultern.
"Ist mir eigentlich egal. Vielleicht erstmal in eine richtige Stadt, ich brauche eine neue Wohnung."
"Warum bleiben Sie nicht bei Miss Apparat?" fragte der Engel vorsichtig.
"Wieso sollte ich? Ich habe mich nach diesem Vorfall vor sieben Jahren eher aus Bequemlichkeit zum zusammen leben überreden lassen. Wir haben ja nicht sonderlich viel gemeinsam."
"Außer das sie sich lieben."
"Das wir was?" Der junge Mann wirkte weder schockiert, noch wütend. Einfach so, als wüsste er wirklich gar nicht, wovon Aziraphale da sprach, und als wäre es ihm auch egal.
"Ach, nicht so wichtig.", beschwichtigte der Engel schnell und sah dann mit sorgenvollem Gesicht zu dem Dämon hinüber. Der knipste kurzerhand die Musikanlage an und trat das Gaspedal durch.
Sie fuhren eine Weile schweigend durch die leeren Straßen. Als wäre das Dorf nicht seit jeher schon ruhig gewesen, schien es jetzt so, als würde hier überhaupt niemand mehr leben. Vor Adams Haus hielt der Dämon an.
"Kurzer Zwischenstopp!" rief er über die Schulter und flüsterte dem Blonden noch kurz ein "Du bleibst hier und passt auf..." zu, dann stieg er mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Auto.
Keine fünf Minuten später war er zurück und setzte sich mit ausdruckslosem Gesicht wieder auf den Fahrersitz.
"Und?" fragte Aziraphale. Der Rothaarige schob seine dunkle Brille in die Stirn und sah ihn aus seinen gelben Augen ernst an.
"Es ist gruselig da drin. Und glaub mir, wenn ich das sage, dann heißt das was. Alle sitzen stumpf vor dem Fernseher und reden nicht miteinander. Die Wohnung sah total verwüstet aus, so als hätten sie sich gestritten und hinterher hat es niemanden mehr interessiert."
"Naja. Ohne Liebe mehr Streit, aber keinen Grund sich hinterher zu versöhnen oder sich deswegen schlecht zu fühlen." antwortete der Blonde und massierte sich Nasenwurzel. Newton beugte sich ein Stück zwischen den Vordersitzen vor.
"Können wir dann jetzt weiter fahren? Ich hab heute noch was vor."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, fuhren sie aus Tadfield hinaus und eine Weile über baumgesäumte Straßen und schlammige Wege, bis sie schließlich in Oxford ankamen. Es war bereits spät in der Nacht und die Straßen waren leerer als sonst, so dass Crowley ohne Probleme am Straßenrand anhalten konnte, als er plötzlich einen lauten Fluch ausstieß und die Reifen des Bentleys quitschend zum Stillstand kamen.
"Fuck!"
Aziraphale, der sich grade nach dem plötzlichen Bremsmanöver wieder in eine aufrechte Position brachte, sah ihn aus großen Augen an.
"Herrgott Crowley, was ist denn?"
Newton auf der Rückbank stöhnte nur genervt.
"Mach die Augen auf, Engel. Es ist schon schlimmer als gedacht." Er griff nach dem suchenden Gesicht des Engels und drehte dessen Kopf nach rechts, damit er ebenfalls aus dem Fenster sehen konnte.
Angrenzend an den Bürgersteig, an dem sie gehalten hatten, war ein kleiner Elektrofachmarkt. Dieser hatte natürlich auch Fernseher im Angebot und genau so einer stand im Schaufenster des Ladens und zeigte grade ein Bild, das dem Engel auf der Stelle einen trockenen Mund bescherte.
Unter der reisserischen Überschrift 'Baumplage und Drogenfrüchte' liefen Bilder des höllischen Apfelbaums an verschiedenen Orten in einer Schleife. Einer der beiden Bäume in Tadfield war nicht dabei. Der Engel raufte sich die blonden Locken.
"Aber wie konnte es sich so schnell ausbreiten?"
"Das ist doch ganz einfach Engel. Denk doch nur mal an Adam und den Apfel. Es braucht doch nur einen Pendler, der nicht in Tadfield arbeitet und einen dieser unsäglichen Früchte ausgeschleppt hat. Verdammt!" Wütend schlug er mit beiden Fäusten auf das Lenkrad und Aziraphale war das erste Mal froh, dass der Bentley zu alt war, um Airbags zu besitzen. Zu allem Überfluss bemerkte er zusätzlich etwas, als er inmitten einer weiteren Schimpftirade Crowleys in den Rückspiegel sah.
"Newton ist weg!" unterbrach er den Rothaarigen und griff nach dessen Arm. Der Dämon sah ihn kurz mit offenem Mund an, dann drehte er sich ruckartig nach hinten. Es stimmte. Die Autotür hinten stand offen, der Hexenjäger war anscheinend ausgestiegen, als sich die Beiden den Fernsehbericht angesehen hatten. Sie sprangen aus dem Wagen und sahen sich hektisch um.
"Da!" rief der Blonde und auch Crowley konnte grade noch erkennen, wie der Dunkelhaarige hinter einer Hausecke verschwand.

In der Not frisst der Teufel die Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt