15. Glück und Trauer

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Der glücklichste Moment im Leben. 

Bestimmt haben viele ihn schon mal erlebt. Vielleicht beim ersten Kuss, beim ersten gemeinsamen Mal, bei der ersten Fahrt im eigenen Auto, bei dem Einzug in die erste, eigene Wohnung, bei der Hochzeit, oder bei der Geburt des eigenen Kindes. Oder, wenn man sich seinen Lebenstraum erfüllt, wie beispielsweise die Reise in bestimmtes Land, oder seinen eigenen Oldtimer besitzen.

Den glücklichsten Moment in meinem Leben, hatte ich im Alter von siebzehn Jahren. Vorneweg schon mal gesagt; Es war weder mein erster Kuss, noch mein erstes Mal. (Wahrscheinlich werdet ihr, wenn ich euch das gleich erzähle, denken, dass es ja eigentlich kein Moment ist, der irgendwie.... Besonders war)

Damals verbrachte ich endlich wieder Zeit mit Jane. Es war am ersten Abend, an dem wir schließlich, nach sehr langer Zeit, wieder zusammen waren. Wir lagen, wie immer in ihrem Bett und genossen unsere Zweisamkeit. Sie lag zu meiner linken, meine Brust fungierte als Kissen für ihren Kopf. Mit meiner linken Hand strich ich ihr behutsam über den Rücken.   

Und dann fingen wir uns an zu küssen. Leidenschaftlich. Wild. In den kurzen Atempausen, die wir zwischendurch einlegten, damit wir uns nicht gegenseitig erstickten, lächelten wir und schauten uns tief in die Augen. ( Ich würde an dieser Stelle ja am liebsten schon wieder von ihren perfekten braunen Augen schwärmen, aber ich glaube, ihr habt schon geschnallt, wie toll ich ihre Augen finde)

Man kann sagen, wir hatten ein nächtliches Ritual. Und dieses Ritual bestand eigentlich nur daraus, dass wir uns unsere Oberteile auszogen. Jede Nacht, die wir zusammen verbrachten. (Außer, es war Winter und viel zu kalt dafür!)

Und an jenem Abend führten wir, so wie immer, dieses Ritual durch. Ich lag also in ihrem Bett, meine Liebste hatte sich mittlerweile auf meine Oberschenkel gesetzt und war dabei, ihr T-Shirt, welches sie immer zum Schlafen anhatte, auszuziehen.^Sie lies es kurz darauf zu Boden fallen und ich begutachtete ihren Körper. 

Und in dem Moment. In diesem Moment, in dem ich mit meinen Händen über ihren perfekten, wunderschönen Körper fuhr, über ihre Narben, die ich so sehr liebe. Wie ich ihr Lächeln sah, ihr übergroßes Lächeln, in ihre Augen schaute, welche wieder dieses Strahlen in sich trugen. In diesem Moment, war ich der mit Abstand glücklichste Teenager auf dem gesamten Planeten Erde. Dies war der glücklichste Moment in meinem Leben. 

Endlich war ich wieder bei ihr. Endlich konnten sich meine Sinne wieder voll und ganz auf Jane fixieren. Endlich konnten meine Hände sie wieder anfassen, ihr durch's Haar streichen, über ihren Körper. Endlich konnte meine Nase ihren süchtig-machenden Duft wieder einatmen. Endlich konnten meine Augen ihre Schönheit bewundern. Endlich gehörte sie wieder mir! Obwohl... Das konnte ich in diesem Moment gar nicht richtig begreifen, dass ich mit so einem tollen, netten, hübschen, witzigen, charmanten, kurz gesagt; perfekten Menschen zusammen war. (Ja okay, ich weiß, das klang jetzt so dermaßen kitschig, aber ich wollte es einfach noch ein Mal verdeutlichen, damit versteht, warum gerade dieser Moment für mich so glücklich war)

Ich war voller Glück. Hätte man mich zu dem Zeitpunkt in ein Ganzkörper-MRT geschickt, dann hatte man gesehen, dass ich in diesen wenigen Augenblicken, nur noch aus Kleeblättern, Schweinen, Schornsteinfegern, Marienkäfern, Scherben und was weiß ich noch allem, bestand. Ich war so voller Glück, dass es sogar, in Form von Tränen, aus mir heraus quoll. 

Jane bemerkte dies natürlich und fragte, was denn los sei. Und als ich ihr erklärte, dass es Freudentränen war, war sie so gerührt, dass sie auch weinen musste. Ob es auch ihr glücklichster Moment gewesen war, weiß ich nicht. Jedenfalls verbrachten wir den restlichen Abend mit kuscheln, dem Genuss der Nähe des anderen und tauchten vereinzelt ein paar Küsse und Liebkosungen aus, bis wir letztendlich, irgendwann einschliefen. 


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Je schöner die Zeit war, die Jane und ich zusammen verbrachten, desto schlimmer war es, wenn wir wieder getrennt waren. Und genau diese Zeit war es, in der der Großteil unserer Beziehung stattfand; Getrennt voneinander. Getrennt von ihrer Nähe, ihren Berührungen, ihrem Duft und ihrer Zärtlichkeit.

Wochen, teilweise sogar Monate vergingen manchmal, bevor wir uns das nächste Mal sahen. Unsere gängigste Art der Kommunikation war das Schreiben via Smartphone, gefolgt von Videoanrufen. Hin und wieder telefonierten wir auch, aber meistens nur Nachts, wenn wir schon im Bett lagen und fast eingeschlafen waren, aber trotzdem noch die Stimme des Anderen hören wollten. 

Vielleicht wissen ja die Einen oder Anderen von euch, wie beschissen es ist, jemanden zu lieben, aber nicht bei ihm/ihr sein zu können. Tagsüber waren wir beide ja durch Schule oder sonstigen Aktivitäten abgelenkt, aber Nachts. Nachts war es besonders schlimm. Zu der Uhrzeit, an dem wir, wenn wir zusammen waren, am meisten unsere Nähe ausnutzten. Dieses Gefühl, wenn jeder von uns alleine in seinem Bett lag und sich nur vorstellen konnte, dass der andere da wäre - Schmerz. Sehnsucht. Leere. Verzweiflung. Sucht euch eins aus, aber für mich war es alles zusammen. 



Trotzdem glaubte ich fest daran, dass unsere Liebe stärker als die Distanz sei...

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