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Seine Schulter schmerzte, also rückte er sich den Träger seiner Laptop-Tasche ohne Erfolg zurecht. Wenn er tatsächlich nur seinen Laptop transportieren würde wäre das Gewicht wohl kein Problem, aber mit den drei Büchern, die er sich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, sah die Sache schon ganz anders aus. Seine beiden Hände waren leider auch belegt, in der einen Hand hielt er einen Kaffeebecher, der nur zur Tarnung diente, denn es befand sich tatsächlich irgendein Mixgetränk aus Sambucca und Cola darin, in der anderen hielt er Kaminaris durchnässte Klamotten. Kaminari war tragischerweise sein Mitbewohner und hatte gerade seine Prüfung bestanden - nur Gott wusste, wie der Idiot das geschafft hatte - und feierte nun natürlich gebührend. Der stechende Geruch des Alkohols, der von Kaminaris Klamotten ausging, kroch in Bakugous Nase und er rümpfte sie angewidert. Man hatte ihm das triefende Hemd plus Becher in die Hand gedrückt, als er die Tür geöffnet hatte. Dazu hatte er die Anweisung erhalten, den Stoff schnellstmöglich zur Waschmaschine zu bringen. Normalerweise würde er solche Befehle nicht ausführen, doch an Kaminaris Zustand ließ sich erkennen, dass er es nicht selbst schaffen würde und, falls Bakugou die Arbeit nicht selbst erledigte, das Hemd nur in irgendeiner Ecke enden würde. Außerdem hatten sie sowieso noch Wäsche unten.

Bakugou nahm sich einen Stuhl zu der Waschmaschine, die gerade lief, und nahm darauf Platz. Er warf einen Blick auf das ominöse Getränk und nahm die Kappe des Bechers herunter. Sein Geruchssinn hatte ihn nicht getäuscht, es handelte sich um Sambucca und Cola. Scheinbar war die Party schon eine ganze Weile am laufen, wenn alle anderen Optionen außer diesen beiden Getränken ausgeschöpft waren.
Schulterzuckend nahm er einen Schluck der Flüssigkeit. Es schmeckte pappsüß, aber war nicht ungenießbar. Also nahm er noch einen Schluck, den er sich nach diesem Tag mehr als nur verdient hatte. Der Alkohol brannte in seinem Mund wie flüssiges Feuer, während die Cola einen widerlich rauen Belag auf seinen Zähnen bildete.

Er fuhr sich durch seine sandblonden Haare, bevor er sich eines der Bücher aus seiner Tasche nahm und durchblätterte. Tausende Tabellen und Zahlen sprangen aus den Seiten heraus, über Bindungsenthalpien und anderen festgelegten Größen, die irgendetwas mit Chemie zu tun hatten. Manchmal bereute er es, Chemie zu studieren, aber eigentlich war jeder Studiengang zeitaufwendig, anstrengend, und auch nicht gerade einfach. Dennoch machte er es natürlich gerne, sonst hätte er sich dieses Fach nicht ausgesucht.

Er wartete noch eine halbe Stunde, bevor er sich aus seiner Ruhe zerrte und die Treppenstufen zu seiner Wohnung hinaufstapfte. Bakugou teilte sich die Wohnung mit drei anderen Personen, fast schon vier, wenn man die Freundin von Sero mitzählte, die fast jeden Abend mit ihnen aß und jeden Morgen dort frühstückte. Sie war gelernte Friseurin und unglaublich gut gelaunt, redete viel zu viel und mischte sich in alles ein, was sie nichts anging. Als er die Tür zu seiner Wohnung öffnete, stand sie ihm auch direkt schon Gegenüber: Ashido Mina, wie sie leibt und lebte.

"Katsuki", säuselte sie und warf ihm ihre Arme um den Hals. Erstaunlicherweise war das ihr alltäglicher Zustand und hatte nichts mit ihrem Alkoholkonsum zu tun.
Bakugou drückte sie wortlos von sich weg, woraufhin sie ihn nur lachend erneut umarmte. Dabei kitzelten ihm ihr pinker Afro an der Nase.
"Hey, Bakugou", grüßte ihn Sero hinter Mina und erhob sein Glas. Gleich darauf ließ die Pinkhaarige von ihm ab und warf sich wieder in die Arme ihres Freundes, der sein typisches Sero-Grinsen im Gesicht trug. Wenn Bakugou sagen müsste, wer von seinen sogenannten Freunden am erträglichsten war, dann war es definitiv Sero. Der Schwarzhaarige redete nicht außergewöhnlich viel, was Bakugou ein Segen war, und er war ein wenig vernünftiger als die anderen beiden Deppen.
"Kaminari hat seine Prüfung bestanden", teilte Sero ihm mit.
"Ich weiß."
"Man, ich hatte einen Zehner gewettet, dass er es nicht schafft", meckerte Sero.
Okay, Bakugou nahm das mit der Vernunft zurück.

Da er sich noch immer nicht aus dem Türrahmen bewegt hatte, quetschte er sich an Mina und Sero vorbei und nahm endlich das ganze Spektakel in Augenschein.
Tatsächlich sah es gar nicht so schlimm aus. Die Anzahl an Menschen hielt sich im Grenzen, was hieß, dass sie nicht beinahe die Wände des Wohnzimmers sprengten, und er entdeckte noch keine Flecken auf der Couch oder dem Teppich. Natürlich zerstörte die Musik einem Normalsterblichen fast das Trommelfell, doch Bakugou hörte seine Musik selbst immer äußerst laut, weshalb es ihn nicht besonders kümmerte. Abgesehen davon, dass die Lieder nicht gerade seinen Geschmack trafen.

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