Es war nicht besonders schwer, herauszufinden, wer es gewesen war, mit wem er letztens Beerpong gespielt hatte.
"Meinst du Shoji?"
"Wie gesagt, keine Ahnung, wie er heißt. Deswegen frage ich ja."
Sero nickte noch mal bestätigend und kaute seinen Löffel an Müsli fertig.
"Mezo Shoji, ja. Er studiert Informatik und Web-Engineering. Wieso? Hat er dir etwa gefallen?"
Ein kleines, hinterhältiges Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Um ehrlich zu sein verstand Bakugou dieses Verhalten nicht. Selbst wenn er aus sexuellen oder romantischen Gründen an Shoji interessiert wäre, gäbe es keinen Grund, daraus so ein Drama zu machen. Oder sollte er Sero jedes Mal so anschauen, wann immer dieser mit Mina auftauchte?
"Nein."
Damit beendete er trotz Seros fragendem Blick das Gespräch und erhob sich, um sein eigenes Geschirr in die Spülmaschine zu stellen und sich für den Tag fertig zu machen.Früher waren seine Tage recht routiniert gewesen. Er hielt sich jedoch nicht für einen Typen, der besonders unspontan war und deshalb alles so beließ wie es war, tatsächlich kam er mit Spontanität gut klar. Letztlich hatte er schlichtweg nicht das Bedürfnis, seine Routine zu ändern, denn sie funktionierte gut für ihn. Wenn er schon früh eine Vorlesung hatte gönnte er sich einen Kaffee in der Unimensa, wenn nicht ging er noch eine Runde um den Campus joggen. Sein Weg war so gut wie immer der selbe, da er die anderen Fachbereiche nur sehr selten besuchte.
Obwohl er nun wusste, was Shoji studierte, hatte er nicht vor, ihn dort zu suchen. Selbst wenn er ihn wiedererkennen würde - seine Erinnerungen waren sehr schwammig - wüsste er gar nicht, was er sagen sollte.
"Pass auf dich auf"? Das? Es kam ihm sehr seltsam vor, sowas einer Person, die er quasi nicht kannte, zu sagen. Außerdem würde jeder diese Worte zwar aufnehmen, aber wohl nicht aktiv befolgen. Keiner war nach einer solchen Bemerkung tatsächlich achtsamer.
Es gab also nur eine Sache zu tun:Gar nichts.
Uraraka hatte eine Vorahnung. Sie war sich des Gefühls scheinbar sehr sicher, allerdings hat es diese Situation zuvor noch nie gegeben, es gab also keinen Beweis dafür, dass es tatsächlich dazu kommen würde.
Innerlich wusste Bakugou Bescheid. Er wusste, wie feige es von ihm war, nichts zu unternehmen und seine Eingeweide fühlten sich schwer an, als würden sie seine Seele abstoßen. Als würden sie nichts mit ihm zu tun haben wollen.
Bakugou kannte dieses Gefühl des Zwiespalts nicht gut. Für gewöhnlich war er in allem, was er tat, zu 100% überzeugt, da er wohlüberlegt oder zumindest geübt handelte. Seit Uraraka in sein Leben gekommen war, hatte sich wirklich einiges geändert."Shika und Takumiyo, Tokoyami und Bakugou..."
Wer zur Hölle war Tokoyami? Der Student sah sich stirnrunzelnd in dem Kurs um. Zugegebenermaßen war das ziemlich nutzlos, da er nur drei Personen namentlich kannte, die zudem auch alle weiblich waren. Verdammt sei sein Hirn, dass sich keine Namen merken konnte.
Das Problem löste sich nach fünf Minuten selbst, da ein schlaksiger, großer Typ mit schulterlangen, schwarzen Haaren vor ihm auftauchte und mit seinem riesigen Ledermantel Bakugous Sicht versperrte.
"Tokoyami Fumikage. Wir haben noch nie miteinander gesprochen, glaube ich", begrüßte er ihn mit einer so tiefen Stimme, dass Bakugou das Gefühl hatte, sein Stuhl würde mit dem Bass erzittern.
"Ja, glaub nicht", antwortete er und ergriff die Hand des anderen, die dieser ausgestreckt hatte. Jetzt hatte er auch Zeit, sich das Gesicht seines Gegenübers etwas genauer anzusehen. Tokoyami war blass und hatte schmale Lippen und Augen, tatsächlich schien alles an ihm recht dünn. Seine Wangenknochen stachen klar hervor, sein Handgelenk fühlte sich unter Bakugous Griff fein und knochig an. Nur seine Nase war groß und gebogen, als hätte man sie ihm angeklebt. Mit dem Mantel, der Nase und den Augen kam er Bakugou wie eine Krähe vor. Da fiel ihm ein Tattoo am Hals seines neuen Chemieprojekt-Partners auf: Zwei Krähen, eine mit gespreizten Flügeln.
Der Eindruck eines dunklen Vogels war also gewollt.
"Hm", bemerkte sein Gegenüber, nachdem er sich einen Stuhl geholt und hingesetzt hatte.
"Was?"
"Du siehst nicht so bösartig aus, wie man es erzählt."
Seine rabenartige Augen schienen sich in Bakugous Gedanken zu bohren.
"Tch. Ist mir scheißegal, was man von mir erzählt."
Das entlockte Tokoyami ein schmunzeln.
"Ich habe auch nichts anderes erwartet. Deine Aura verrät mir das."
Was war bitte mit dem los? Bakugou juckte nicht, dass der Typ aussah wie ein schräger Vogel - ja, er wusste, er war gut mit Wortspielen - aber er musste sich nicht auch noch verhalten, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank.
"Kannst du auch sehen, was ich zum Frühstück gegessen hab?", fragte er spöttisch.
Daraufhin rollte Tokoyami mit den Augen.
"So funktioniert das nicht."
"Das liegt daran, dass es überhaupt nicht funktioniert."
"Es spielt keine Rolle, ob du mir glaubst, dass ich Auren sehen und lesen kann oder nicht", beteuerte Tokoyami und widmete sich nun den Papieren, die Aizawa ihnen ausgeteilt hatte.
Damit schien das Thema für ihn geklärt zu sein, doch Bakugou hatte etwas anderes im Sinn. Jetzt war nämlich sein ehrliches Interesse geweckt.
"Du studierst doch auch Chemie. Die Chemie, jede Wissenschaft, sagt doch, dass es sowas nicht gibt. Wie kannst du beidem glauben?"
Tokoyami brauchte nicht lange, um über eine Antwort nachzudenken. Vermutlich wurde ihm diese Frage häufiger gestellt, weshalb er noch nicht einmal von den Papieren aufschaute, um ihm zu antworten.
"Das eine schließt das andere nicht aus. Wir könnten nur behaupten, dass das eine richtig ist und das andere nicht, wenn wir alles darüber wüssten, doch das werden wir niemals schaffen, weil wir uns niemals sicher sein können, alles zu wissen. Wäre ja auch etwas anmaßend, oder?"
Natürlich hatte Tokoyami keine Ahnung von Bakugous Situation mit Uraraka, einem verdammten Geist. Er konnte unmöglich wissen, wie oft Bakugou in letzter kopfschüttelnd, zweifelnd sogar, über seinem Chemiebuch gesessen war und sich verloren gefühlt hat. In gewisser Weise hat Urarakas Erscheinen sein Weltbild erschüttert. Zu sehen, wie leicht es Tokoyami fiel, mit seinem Glauben und der Wissenschaft Frieden zu finden, war erleichternd.
"Ah. Okay."
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Fantasma
Fanfic[Künstler des Covers ist Koalka auf Reddit] Katsuki Bakugou ist ein ganz normaler Student, der die Schnauze von seinen Mitbewohnern voll hat und lieber an seinen Projekten arbeitet, als zu schlafen. Doch als seine "Freunde" ihn dazu bringen, ein Oui...