VIV

55 5 2
                                    

Den ganzen restlichen Tag über beschäftigte er sich mit seiner Serie. Es war nicht so, dass er sie unfassbar spannend fand, doch gerade konnte er nicht riskieren, über irgendetwas anderes nachzudenken.
Kaminaris Vorwürfe waren ehrlich gesagt nicht das Schlimmste, denn Kaminari war ein emotionaler Volltrottel. Er hätte ihm alles mögliche an den Kopf geworfen, um seine Gefühle auszudrücken. Von daher machte er sich darüber keine großen Gedanken.
Viel schlimmer waren seine eigenen Worte gewesen. Gepaart mit der Reaktion der anderen, die ihn sofort als eine Art Bösewicht dargestellt haben, fühlte er sich in seiner eigenen Haut einfach unwohl. Er könnte ja behaupten, seine Worte waren einfach dahergesagt, nicht böse gemeint gewesen, doch gerade weil seine besten Freunde - ja, er hatte es zugegeben, verdammt - ihn so angesehen haben, konnte er das nicht.
Dann die Sache mit Shoji. Obwohl Uraraka mit ihrer Aussage auch falsch liegen könnte, wurde er das beklemmende Gefühl nicht los, zu wenig getan zu haben. Es ging hier um ein Menschenleben. Wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass Uraraka recht haben könnte, konnte er das Risiko, nichts zu tun, nicht eingehen. Allerdings fühlte er sich hilflos, überanstrengt und hoffte daher einfach, dass sie keine Ahnung hatte.
Ganz tief in ihm drin, begraben unter all dem Stolz war ihm klar, dass er einfach nur feige war.
Doch was brachte es ihm schon, das zuzugeben?

Am nächsten Morgen stand er extra früh auf, um noch ins Fitnessstudio zu gehen, bevor er eine Vorlesung besuchen musste. Außerdem kannte er grob die Zeitpläne seiner Mitbewohner, daher würde er um diese Uhrzeit niemanden antreffen.
Im Studio angekommen fing er mal dies, mal das an, ohne jedoch richtig motiviert zu sein, was ihn nur noch mehr stresste und ihn dazu veranlasste, das Laufband anzuschmeißen und sich zu ACDC und Billy Talent zu verausgeben. Nach einer guten halben Stunde schob er sich unter die Dusche und verließ das Gebäude, um zum Café auf der anderen Straßeseite zuzulaufen. Er hatte es noch nie besucht und daher keine großen Hoffnungen auf einen wirklich guten Kaffee, denn Bakugou hatte hohe Ansprüche, aber er kannte sich nicht besonders gut in der Gegend aus und musste mit einem Blick auf die Uhr feststellen, dass er gar nicht genug Zeit hatte, um zu seinem favorisierten Café zu schlendern.
Mit an der Tafel voller bestellbarer Items geheftetem Blick betrat er das kleine Häuschen und stellte sich in die Ein-Mann-Schlange.
"Ein Ice White Mocha, bitte", bestellte die Person vor ihm.
Bakugou schnaubte leise auf.
Ice White Mocha. Klang wie ein Getränk für Idioten wie Kaminari.
Im selben Moment schreckte er jedoch kurz auf. Warte, die Stimme kannte er, das war doch-
"Oh, Bakugou-kun", grüßte ihn Tokoyami mit seiner Stimme, die klang, als ob er sie absichtlich in dem Ton hielt, um bei Frauen besser anzukommen.
"Tokoyami", gab er zurück und nickte. Glücklicherweise kamen da auch schon Tokoyamis Getränke - Wer hätte gedacht, dass er Ice White Mocha trinken würde? - und Bakugou erwartete fest, dass sich Tokoyami vom Acker machen würde, doch irgendwie wich er nur zur Seite, um Bakugou Platz zu machen, und blieb dann stehen.
Irritiert trat Bakugou vor und bestellte sich seinen schwarzen Kaffee.
"Willst du irgendwas von mir?"
Scheinbar amüsiert über Bakugous direkte Art schmunzelte Tokoyami und sagte:
"Wir haben gleich eine Vorlesung zusammen. Ich dachte, wir könnten zusammen hinlaufen, unser Projekt besprechen und so weiter."
"Wollten wir uns dafür nicht übermorgen treffen?"
"Ja, aber jetzt bietet sich doch die Gelegenheit."
Bakugous Kaffee kam an, er bezahlte und verließ das Café. Tokoyami folgte ihm.
"Okay, gut, hast du irgendwas zum Projekt zu sagen?", sprach er an.
Tokoyami überlegte kurz, was trotzdem zu lang war, um Bakugou vorzutäuschen, er hätte irgendwelche Ideen.
"Hoffst du ich hätte irgendwas Neues oder warum willst du unbedingt mit mir zur Vorlesung laufen?"
Dass er hinter Tokoyamis Masche gekommen war schien seinen Gesprächspartner zu überraschen, denn er verschluckte sich an seinem Getränk und Bakugou musste ihm sogar auf den Rücken klopfen, damit er sich wieder beruhigte.
"Okay, du hast mich durchschaut. Ich hielt es für einen Wink des Schicksals, dich hier getroffen zu haben, deswegen wollte ich dich etwas über Shoji fragen."
"Was soll ich dir über Shoji erzählen? Ich kenne ihn kaum."
Tokoyami seufzte.
"Ja, darum geht es nicht. Ich wollte wissen, was er auf der Party gemacht hat. Du hast gesagt, du hättest ihn auf einer Party getroffen."
Bakugou runzelte die Stirn und zuckte mit den Schultern.
"Er hat nichts besonderes gemacht, Beer Pong gespielt, getanzt, was Leute eben auf ner Party machen", gab er Auskunft", Wieso fragst du? Ist irgendwas mit ihm?"
Er konnte sich nicht bremsen, diese Frage zu stellen. In diesem Kontext bot es sich einfach an, da Tokoyami sich nicht wundern würde.
"Er... Verhält sich seltsam. Schon länger. Aber die Party könnte damit zu tun haben. Das verwirrt dich bestimmt, Bakugou-kun, doch ich kann dich leider nicht darüber aufklären."
Danach schwieg Tokoyami und Bakugou fragte auch nicht weiter nach, da er spürte, dass aus Tokoyami nichts mehr heraus zu bekommen war.

Fantasma Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt